(24) Den Rest des Jahres hatten die Römer überall Frieden, sodass man nach langer Zeit die Vogelschau des Heils wieder vornehmen konnte. Dies ist eine Art Anfrage bei dem Gott, ob er gestatte, um Heil für das Volk zu flehen. Denn selbst die Bitte, bevor sie erlaubt wäre, hielt man für Sünde. 2 Für diese Feierlichkeit war jährlich ein Tag angesetzt, an welchem kein Heer zu Felde ging noch sich zur Schlacht stellte oder sie schlug. Daher unterblieb sie in den unaufhörlichen Bürgerkriegen. Ohnedies war es den Römern schwer, einen von all diesen Hindernissen freien Tag auszuscheiden, 3 auch wäre es höchst widersinnig gewesen, zu einer Zeit, wo sie bei den inneren Unruhen einander freiwillig unsäglichen Schaden zufügten und besiegt oder als Sieger, zu Schaden kamen, die Götter noch um Glück anzuflehen.
(25) Jetzt glaubte man allerdings jene Vogelschau halten zu dürfen; jedoch fiel sie nicht rein aus. Die Vögel flogen von unrechter Seite, 99und man musste sie wiederholen. Auch andere ungünstige Vorzeichen ergaben sich. 2 Es blitzte mehrmals bei heiterem Himmel, heftige Erdstöße folgten, Menschengestalten wandelten an vielen Orten in der Luft und feurige Strahlen schossen von Westen auf, sodass jeder, selbst der Laie, mit bangen Erwartungen auf die Zukunft blickte. 3 Die Volkstribunen verbündeten sich mit dem ihnen völlig gleich gesinnten Konsul Antonius. Der eine wollte die Söhne der von Sulla Verbannten wieder zu den Staatsämtern zulassen, der andere dem mit ihm (der Bestechung) überführten Publius Paetus und Cornelius Sulla wieder den Zutritt in den Senat und zu den Magistraten eröffnen. 4 Der eine schlug Nachlass der Schulden, der andere Verteilung der Grundstücke in Italien und den Provinzen vor. Cicero und andere ihm gleich gesinnte Männer entdeckten und vereitelten noch zeitig genug diese ihre Anschläge, bevor sie etwas durchführen konnten.
(26) Titus Labienus aber, welcher den Gaius Rabirius der Ermordung des Saturninus angeklagt hatte, erregte vielfache Unruhen. Saturninus war nämlich schon seit 36 Jahren tot, und die Konsuln hatten damals vom Senat den Auftrag erhalten, wider ihn mit bewaffneter Hand einzuschreiten. 2 Der Senat sollte nun durch jenen Spruch alle Beschlussrechte verlieren, wodurch der ganze Staat in Verwirrung geriet. Rabirius gestand die Ermordung nicht, sondern leugnete. Die Volkstribune wollten dem Senat alle Macht und alles Ansehen entziehen und sich volle Willkür sichern. 3 Denn dadurch, dass sie Beschlüsse und Maßregeln des Senats von so vielen Jahren her in Untersuchung nahmen, wurden andere aufgefordert, dasselbe wie jener ungestraft oder gegen mäßige Buße zu verüben. Der Senat hielt es schon für höchst ungerecht, dass ein Mann aus seiner Mitte, der nichts verbrochen hatte, in hohem Alter verurteilt werden sollte; noch weit mehr aber empörte ihn, dass der erste Stand im Staate so entehrt und die Leitung der Staatsangelegenheiten den schlechtesten Menschen in die Hände gegeben werden sollte.
(27) Stürmische Umtriebe und Kämpfe der Parteien erfolgten, erst für oder gegen die Zuweisung der Sache vor die Richter. Als erstere Meinung, von Caesar und anderen unterstützt, durchdrang, handelte es sich um die Klage selbst. 2 Seine Richter, und unter diesen er und Lucius Caesar, erklärten denselben (und die Klage betraf nichts Geringeres als Hochverrat) für schuldig, obgleich sie nicht von dem Volk nach den Gesetzen, sondern in gesetzwidriger Weise von dem Prätor selbst gewählt worden waren. 3 Rabirius appellierte an das Volk, wäre aber auch bei diesem verurteilt worden, wenn nicht Metellus Celer, damals Augur und Prätor, es verhindert hätte. Denn da sie nicht hören und das Gesetzwidrige des Urteilsspruchs nicht anerkennen wollten, lief er nach dem Ianiculum und nahm die Kriegsfahne ab, sodass sie nichts mehr entscheiden konnten.
(28) Mit dieser Fahne hat es folgende Bewandtnis: Weil vor alten Zeiten noch viele feindliche Völker um die Stadt her wohnten, fürchtete man, sie möchten, während das Volk in Zenturien versammelt wäre, das Ianiculum besetzen und die Stadt angreifen, und verordnete, dass nicht alle zugleich abstimmen, sondern immer einige abwechselnd diesen Platz besetzt halten sollten. 2 So lange nun die Versammlung dauerte, wachte man dort; wenn sie aber auseinanderzugehen im Begriff war, nahm man die Fahne ab und die Wächter zerstreuten sich. Sobald dieser Posten nicht mehr bewacht war, durfte nichts weiter vorgenommen werden. 3 Dies geschah jedoch nur bei Zenturiatkomitien, weil sie außerhalb der Mauern 100gehalten wurden und alle waffenfähigen Römer zugegen sein mussten. Auch noch jetzt hält man dies, dem alten Gebrauch zu Ehren, ein. 4 Es löste sich also damals auf die Abnahme der Fahne die Versammlung auf, und Rabirius war gerettet. Zwar hätte Labienus die Sache noch einmal vor Gericht bringen können, er tat es aber nicht.
(29) Catilina verlor auf folgende Art und aus folgenden Gründen das Leben: Der Senat beschloss, als er sich wieder um das Konsulat bewarb und alle Mittel aufbot, seinen Zweck zu erreichen, hauptsächlich auf Ciceros Betreiben, die auf Amtserschleichung gesetzte Strafe noch durch zehnjährige Verbannung zu verschärfen. 2 Diesen Beschluss glaubte jener (wie es auch war) auf sich gemünzt und wollte nun mit einer Rotte Anhänger Cicero und andere auf dem Wahlplatz selbst umbringen und sich sogleich zum Konsul wählen lassen. Es gelang ihm aber nicht. 3 Cicero erfuhr den Mordanschlag, eröffnete denselben dem Senat und hielt eine heftige Rede wider ihn. Weil er aber den Senat nicht zu den gewünschten Maßregeln bewegen konnte (denn die Sache schien unwahrscheinlich und man argwöhnte, dass er sie aus Feindschaft anschuldigte) geriet er in Furcht, weil er Catilina noch mehr erbittert hatte, 4 und wagte sich nicht, wie sonst, unbewacht in die Versammlung, sondern brachte noch Vertraute zu seiner Verteidigung mit und trug, teils der eigenen Sicherheit wegen, teils um jenen verhasst zu machen, einen Panzer unter dem Kleid und ließ denselben hin und wieder geflissentlich sehen. 5 Hierdurch, und weil auch anderwärts die Sage ging, dass man ihm nach dem Leben trachte, wurde das Volk dermaßen aufgebracht, dass sich die Mitverschwörer Catilinas fürchteten und sich ruhig verhielten.
(30) So wurden andere zu Konsuln gewählt, und seine Pläne waren nicht mehr nur gegen Cicero und dessen Anhang, sondern gegen den ganzen Staat gerichtet. 2 Bald hatte er in Rom selbst die verworfensten Menschen, denen jeder Umsturz erwünscht kam, und bei den Bundesgenossen durch Verheißung von Schuldenerlass und Güterverteilung eine große Menge für sich gewonnen. 3 Die Ersten und Mächtigsten derselben (unter anderen selbst den Konsul Antonius) verband er durch die fürchterlichsten Eide. Er schlachtete einen Knaben, ließ sie über dessen Eingeweiden schwören und verspeiste dieselben mit den Übrigen. 4 Den hauptsächlichen Vorschub taten ihm in Rom Konsul Antonius und Publius Lentulus, der, nach dem Konsulat aus dem Senat gestoßen, jetzt, um wieder in denselben zu kommen, eine Prätur verwaltete, 5 in Faesulae aber, dem Sammelplatz seiner Anhänger, Gaius Manlius, ein im Krieg sehr erfahrener Mann (denn er hatte unter Sulla als Zenturio gedient), aber der ausschweifendste Verschwender. Nachdem er alles, was er damals zusammengerafft (und dies war nicht wenig) durchgebracht hatte, suchte er neue ähnliche Bereicherungsquellen.
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