»Du weißt, dass mir die Kosten egal sind«, erinnerte er sie.
Sie seufzte. »Ich weiß das, aber die Bereitschaft, das Geld auszugeben, ist eine Sache. Arschlöcher, die dich übers Ohr hauen wollen, weil du ja genug hast, eine ganz andere. Lass Jane und mich das regeln. Du weißt, dass wir hinter dir stehen und wollen, dass alles klappt. Mach du dir bloß über die Gestaltung Gedanken und überleg dir, wer sich auf die Suche nach einem Chefkoch machen soll.«
Das verblüffte Niko, denn er hatte gedacht, er hätte sich deutlich ausgedrückt. Er war der Meinung, er müsste selbst der Chefkoch sein, wenn er wollte, dass es richtig gemacht wurde. »Holland, ich möchte keinen Fremden hier haben, der die Rezepte meiner Familie zubereitet. Ich möchte mit anpacken.«
»Warum überrascht mich das nicht?«, sagte sie seufzend. »Hör zu, ich verstehe, dass dir das wichtig ist und dass es viele Köche gibt, die ihre eigenen Restaurants besitzen, aber sie haben jemanden, der ihnen zuarbeitet, Süßer. Sie können nicht alles allein machen. Wenn du das versuchst, bist du in weniger als einem Jahr am Boden und der Laden auch. Recherchier ein wenig, hör dich um. Hol dir Ideen ein und melde dich dann bei mir.« Sie holte tief Luft. »Wir können dir am Anfang helfen, okay? Du willst jemanden, der sich mit griechischem Essen auskennt, nicht wahr?«
»Ja, aber ich möchte nicht, dass ein großkotziges europäisches Arschloch von einer französischen Kochschule hierherkommt und glaubt, er oder sie könnte besser kochen als die Leute hier, weil er oder sie einen Monat in Athen verbracht hat.« Er versuchte, seinen Ärger zu dämpfen, aber er konnte nicht anders. »Komm mir nicht mit irgendeinem TV-Koch an.«
»Daran würde ich nicht mal im Traum denken, mein Lieber«, sagte sie in einem Tonfall, der ihn daran erinnerte, dass kein Fernsehkoch seinen Laden freiwillig betreten würde. Nicht, dass es ihn interessierte, wenn er sich lächerlich machte.
Er war nicht irrational ‒ er wollte, dass das hier funktionierte.
»Gib mir einfach etwas Zeit«, sagte er schließlich zu ihr.
»Wie gesagt, es wird mindestens zwei Wochen dauern, bis die Gutachten fertig sind, und dann arbeiten wir mit einem Raumausstatter zusammen. Die Renovierungsarbeiten werden mindestens drei oder vier Monate dauern. Du hast alle Zeit der Welt.« Ihre Stimme und ihre Worte waren beschwichtigender als zuvor und er schaffte es, sich etwas zu beruhigen.
»In Ordnung. Und entschuldige bitte. Es ist nur… es ist das erste Mal, dass ich etwas wirklich nur für mich tun will, und das ist irgendwie überwältigend.« Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht und warf dann einen Blick auf die Uhr. Es war gerade Mittag, und obwohl er wahrscheinlich etwas essen sollte, schien eine Runde auf dem Laufband eine weitaus bessere Methode zu sein, um den Kopf freizukriegen.
»Ist schon in Ordnung. Wir stehen hinter dir, alles wird gut. Leute eröffnen ständig Restaurants, Niko.«
»Und müssen ständig welche schließen«, erinnerte er sie, ohne sie mit neuen Geschäftsstatistiken zu überfallen, die sie wahrscheinlich sowieso schon kannte.
»Fairfield braucht dringend die Art von Küche, die du anbieten willst«, erinnerte sie ihn im Gegenzug. »Und mit all den Idioten, die aus Denver kommen, wird es bestimmt gut laufen. Red dir nicht ein, dass du keine Chance hast, bevor du überhaupt angefangen hast, Süßer. Das werden wir nicht zulassen.«
Sie hatte recht mit dem, was sie sagte, aber ihre Worte reichten nicht aus, um ihn endgültig zu überzeugen. Trotzdem wusste er sie zu schätzen. »Vielen Dank. Ich melde mich.«
»In Ordnung. Bis bald.«
Das Gespräch brach ab. Niko stand auf und schnappte sich seine Schlüssel und seinen Geldbeutel, bevor er hinausging. Er schaffte es, jedem aus dem Weg zu gehen, der mit ihm reden wollte, und eilte die Straße hinunter zum Fitnessstudio. Es war nicht weit und er war dankbar, dass niemand versuchte, ihn aufzuhalten, nachdem er seinen Ausweis vorgezeigt und sich umgezogen hatte. Er hatte eine halbe Stunde Zeit und er wollte schwitzen.
Sobald seine Füße das Laufband berührten, begannen seine Gedanken, sich zu klären. Er dachte nicht an das Restaurant, seine Vergangenheit oder sein kaputtes Knie. Er ignorierte den leichten Stich darin, als er etwas schneller lief und sich weiter trieb. Er erhöhte seine Geschwindigkeit und den Widerstand, dann die Neigung. Seine Waden begannen zu brennen und auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen.
Seine Musik war ein leises Summen im Hintergrund und als er die Augen schloss, kam ihm plötzlich ein Bild in den Sinn. Ein Gesicht mit einem scharf geschnittenen Kiefer, ordentlich gepflegten Augenbrauen und vielen Tattoos an den Armen, den Händen und dem Hals.
Sam war eigentlich nicht Nikos Typ. Normalerweise fühlte sich Niko zu lauten, aufdringlichen Typen hingezogen, die es schnell und schmutzig auf dem Rücksitz eines Autos oder in einem schmuddeligen Besenschrank treiben wollten. Auf jeden Fall hatte er sich noch nie zu einem Mann hingezogen gefühlt, der ein Kind hatte. Und der Rollstuhl ‒ er konnte die Bedenken, die ihm kamen, nicht leugnen. Er hatte immer noch daran zu knabbern, dass er sich Derek gegenüber wegen der Gebärdensprache wie ein Arschloch aufgeführt hatte. Wie konnte er sich sicher sein, dass er es bei jemandem wie Sam nicht noch schlimmer machte?
Und dennoch. Und dennoch wollte er es versuchen. Er stellte fest, dass er sich ihre Unterhaltung immer wieder ins Gedächtnis rief und das Echo von Sams leisem Lachen und das tiefe Brummen seiner Stimme hörte. Er hatte an diesem Abend viel mehr als nur eine Textnachricht gewollt, aber Sam hatte ihm keine Versprechungen gemacht und Niko war sich nicht ganz sicher, ob er die Chance verdient hatte, mehr zu verlangen.
Derek schien es nicht zu stören, dass Niko sich für den anderen Mann interessierte, und obwohl sie sich gemeinsam verabschiedet hatten und weggefahren waren, waren sie ohne das Versprechen auseinandergegangen sich wiederzusehen. Das hätte ihn betrüben sollen, aber als er zu Hause angekommen war, hatte er eine Textnachricht auf seinem Handy.
Sam: Yoga, Samstag, 9 Uhr, Rose Garden Park. Sei da oder
Es war vielleicht der nerdigste Dad-Joke, den er jemals gelesen hatte, und doch war er mit einem so breiten Lächeln eingeschlafen, dass seine Wangen schmerzten. Es gab so Vieles, was er über Sam wissen wollte, was er sich erarbeiten wollte. Er wusste nicht, was Sam dachte. Ober er überhaupt auf Männer stand und ob er einem Chaoten wie Niko eine Chance geben würde, aber er wollte in seiner Nähe sein und sein Bestes geben.
Yoga wäre ein Anfang.
Er beendete seinen Lauf mit klopfendem Herzen und verschwitztem Rücken ‒ genau so, wie er es haben wollte. Seine Mittagspause war schon vorbei, aber er glaubte nicht, dass das irgendjemanden interessieren würde, da die meisten der Konten, die er betreute, auf dem aktuellen Stand waren, sodass keiner seiner Klienten einen Grund hatte, sich zu beschweren. Er stieg vom Laufband, sprühte es ein und wischte es ab, bevor er zu den Umkleideräumen ging, aber bevor er um die Ecke bog, schnappte er ein Gespräch an der Rezeption auf.
»…und Sie haben ernsthaft nichts? Ich meine, gibt es eine Möglichkeit, etwas einzurichten?«
»Hören Sie, Ma'am, ich bin mir Ihrer Situation bewusst, aber das ist das Beste, was wir Ihnen anbieten können. Unsere Versicherungspolice deckt einfach keine… Menschen wie Sie ab.«
»Menschen wie mich. Alles klar.«
Etwas an dem niedergeschlagenen, erschöpften Tonfall der Frau hatte ihn neugierig gemacht. Er trat um die Ecke und da sah er sie. Sie saß im Rollstuhl, war für das Fitnessstudio angezogen und hatte hellbraune Haare, die zu einem unordentlichen Knoten gebunden waren. Ihre behandschuhten Hände lagen an den Rädern ihres Stuhls und sie funkelte den Mann an der Rezeption aus dunklen Augen an.
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