»Bitte schön!« sagte er freundlich. »Legen Sie’s ins Regal«, antwortete ich kühl, ohne aufzusehen.
Als er weg war, schmiß ich die Kopien mitsamt den Originalen in den Papierkorb.
Er hatte verstanden. Er verstand alles. Schon am nächsten Nachmittag erschien er wieder in meinem Büro und fragte lächelnd, ob er etwas für mich tun könne. Ich las in seinem Lächeln die Nachricht: Ich habe Dich verstanden und möchte, daß wir jetzt weiterspielen. Es war aber nur an mir zu entscheiden, wann und wie weitergespielt wurde. Ich lächelte ihn also meinerseits kühl an und erklärte, er könne sich sein Honigkuchenpferdlächeln abschminken. Ich würde es ihn wissen lassen, wenn ich seiner wieder bedürfte.
Das tat ich in den folgenden Tagen mehrfach. Dabei ging ich natürlich diskret vor. Die anderen sollten nichts von seinen kleinen Diensten erfahren. Er war in der Tat klug und verständig, was dazu führte, daß er nie mehr vor mir die Firma verließ.
So rief ich ihn eines Abends zu mir. Ich saß nicht hinter meinem Schreibtisch, sondern im Besuchersessel und zeigte ihm meine Beine, was er sehr genau registrierte.
»Du bist ein braver Junge. Ich bin sehr zufrieden mit dir«, sagte ich. Ich betrachtete ihn von oben bis unten, bevor ich weitersprach. «Gib mir deine Telefonnummer!« Er entschuldigte sich dafür, daß er keine Visitenkarte habe, und notierte dann die Nummer sichtlich nervös auf einem Zettel, den er mir gab. »Vielleicht«, fuhr ich langsam fort, »möchte ich dich einmal sehen – außerhalb dieser heiligen Hallen hier. Halte dich also in den nächsten Tagen bereit.« Er reagierte unnötigerweise mit einem ganzen Wortschwall. Das sei eine wundervolle Idee, er sehne sich schon lange danach, mich zu treffen und so weiter, ob es aber nicht möglich sei, einen festen Termin auszumachen, denn sonst müsse er vielleicht einen ganzen Abend umsonst warten. Daß er jetzt anfing zu argumentieren, war idiotisch. Immerhin muß man ihm zugute halten, daß er mich weiterhin mit Sie ansprach, also nicht dem absurden Mißverständnis unterlag, daß mein Du es ihm erlauben würde, nun seinerseits mich zu duzen.
Daß mir seine Worte mißfielen, konnte er überdeutlich an meinem Gesicht ablesen. Ob er mich nicht verstanden habe, fragte ich mit dem dezent genervten Ton eines Menschen, der sich von restlos unverständigen Idioten umgeben sieht.
»Natürlich«, entgegnete er beflissen und nickte.
»Dann ist es ja gut«, erwiderte ich und machte mit meinem immer noch leicht gereizten Tonfall deutlich, daß nichts überflüssiger gewesen war als dieser Wortwechsel. Dann wandte ich mich von ihm ab, er machte unwillkürlich eine leichte Verbeugung und verließ das Büro.
An den nächsten beiden Abenden tat ich dann etwas, was man normalerweise nicht tun sollte: Ich rief mehrmals bei ihm an und legte wieder auf, als er den Hörer abhob. Er war jedes Mal zu Hause, wenn ich anrief, und auch erstaunlich schnell am Telefon.
Eigentlich wollte ich ihn noch ein paar Tage zappeln lassen, aber am Abend des dritten Tages war ich es, die sich nicht mehr beherrschen konnte. So groß war meine Lust auf ihn. Ich rief ihn an und bestellte ihn umgehend in meine Wohnung. Als er unten klingelte, drückte ich auf, ließ die Wohnungstür einen Spalt offenstehen und ging zurück ins Wohnzimmer, wo ich mich im Sessel neben dem offenen Kamin niederließ. Ich glaube, mein Eindruck auf ihn muß nachhaltig gewesen sein. Meine Haare, der Mund und die Fingernägel einerseits und die Stiefel, die über das Knie reichten, die Strümpfe und der Lederminirock andererseits bildeten eine Orgie in Rot und Schwarz. Nachdem er höflich gebeten hatte, hereinkommen zu dürfen, blieb er in einiger Entfernung stehen und sah mich fasziniert an. Ich aber lächelte und sagte, ich wolle schon wissen, ob ich nicht die Katze im Sack kaufte. Ich muß ihn wirklich loben, denn er verstand sofort. Er öffnete den Gürtel seiner Hose. »Langsam«, sagte ich gnädig und ließ die Gerte, die ich in meiner Rechten hielt, langsam über die Handfläche meiner linken Hand fahren. Gebannt starrte er auf die Gerte, fuhr aber fort, sich auszuziehen. Er tat dies aufreizend langsam, so daß ich wütend mit der Gerte auf meine Stiefel schlug: »Einschlafen auch nicht!« blaffte ich ihn an, und folgsam entledigte er sich etwas zügiger der restlichen Kleidung. Wenn ich jetzt an seinen Körper denke, der schlank und unaufdringlich muskulös war, wenn ich mir jetzt seinen Arsch vorstelle und alles, was man damit machen kann, dann fällt mir plötzlich ein, daß es – sogar wenn Du, liebste Freundin, die Adressatin bist – auch andere Dinge gibt, als Briefe zu schreiben.
Noch kurz aber ein praktischer Ratschlag: Mache Deinem Marc klar, daß er es von nun an mit zwei Frauen zu tun hat, der süßen Dominique und der überhaupt nicht netten Madame D.. Überreiche ihm mit dem geheimnisvollen Hinweis, es sei ein Schreiben von Madame D., einen Briefumschlag.
Darin findet er folgende Einkaufsliste:
1 Reitgerte
1 Lederpeitsche mit Fransen
Hand- und Fußfesseln aus Leder
1 künstlichen Penis zum Umbinden (er soll selbst
entscheiden, was in seinen Arsch paßt)
Vaseline
1 Halsband mit Leine
1 Knebel (es gibt da wunderschöne Dinger mit
Lederhalterung und einem bunten Ball, der dem
Sklaven in den Mund geschoben wird; das sieht
sehr putzig aus)
1 kleidsame Augenbinde
Sollte er die Unverschämtheit besitzen, Dir den Vorschlag zu unterbreiten, man könne ja, bis er die ganzen Dinge gekauft habe, schon jetzt ein wenig improvisieren, dann versetze ihm eine oder zwei schallende Ohrfeigen und erkläre ihm, daß nur Du entscheidest, wann Du Dich seiner Sklavendienste bedienst.
So, das wär’s. Henri liegt übrigens bäuchlings auf meinem Bett. Er hat so einen lustigen roten Knebel im Mund und trägt eine Augenbinde sowie Hand- und Fußfesseln. Hände und Füße habe ich hinter seinem Rücken zusammengebunden. So harrt er seiner Herrin. Ich gehe jetzt ins Schlafzimmer und bediene mich seiner.
Ich küsse Dich zärtlich auf Deinen roten Mund
Deine Lady S.
Dritter Brief, erster Teil
Lady S. äußerst sich über das Recht einer Herrin, ihren Sklaven tabulos zu benutzen, und das Recht des Sklaven auf Erziehung. Sie unterscheidet die verschiedenen Erziehungsgrade und erläutert in Theorie und Praxis das Wesen der zärtlichen Erziehung .
Der Sklave der Lady S. darf mit seiner Herrin in der Wohnung spazierengehen und erfährt eine zärtliche Ganzkörperbehandlung. Er erbost seine Herrin durch Unregelmäßigkeiten beim Zählen der verabreichten Schläge, stimmt sie aber durch hohe Motivation und Zungenfertigkeit wieder gnädig .
Er darf sich vom Druck befreien und wird ruhiggestellt .
Liebste Dominique,
wundere Dich nicht über »meine« veränderte Handschrift. Henri schreibt. Ich sitze im Sessel und diktiere. Das ist bequemer. Deinen Brief habe ich erhalten und mich sehr darüber gefreut. Es ist schön, aber auch nur selbstverständlich, daß Marc so pariert hat. Du schreibst, nachdem er den Brief der Madame D. erhalten habe, sei er wie ein geölter Blitz von dannen geeilt und keine drei Stunden später mit sämtlichen Utensilien wieder erschienen und habe hündisch um Erziehung gewinselt.
Abgesehen davon, daß selbstverständlich nur Du bestimmst, wann und welche Erziehungsmaßnahmen Du ergreifst, ist das sein gutes Recht .
Du hast mich richtig verstanden. Natürlich sind Sklaven grundsätzlich reine Objekte, deren Lebenszweck es ist, uns Lust und Bequemlichkeit zu bereiten. Es ist unser heiliges Recht, sie tabulos und ohne falsche Rücksichtsnahme so zu benutzen , wie es uns gerade gefällt.
Aber wir leben in einer zivilisierten Welt, und auch die Sklaven haben Rechte. Ich habe dir schon geschrieben, daß wir verpflichtet sind, ihre Gesundheit zu erhalten, was uns zwingt, da einzuhalten, wo uns unsere wildesten Phantasien in schwärzesten Nächten nur zu gern weitertreiben würden. Und sie haben ein Recht – das Recht auf Erziehung, auf Bestrafung und Züchtigung. Dein Sklave hat das Recht, von Dir erzogen zu werden, genau auf die Weise und mit der Intensität, die Du für richtig und angebracht hältst, und natürlich zu einem Zeitpunkt, den Du bestimmst.
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