Iko Andrae - Die Reise in einem Cocktailshaker

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Als Iko Andrae und seine Frau Maret Nacken im August 2005 wieder in Bremen ankommen, haben sich beide einen großen Traum erfüllt: Sie sind nach einer dreijährigen intensiven Vorbereitungszeit auf ihrer nur 9m langen und 3m breiten Segeljacht Balu zweimal über den Atlantik gesegelt – von Bremen bis Tobago und zurück.
Detailliert schildert Andrae seine Eindrücke und die Gefühle der 14-monatigen Reise. Er beschreibt die Achterbahnfahrten seiner Emotionen, einem Mix aus von irgendwo abreisen und Abschied nehmen, manchmal bis ins Mark anstrengendem Unterwegssein und der Vorfreude auf das Ankommen an neuen Orten. Er beschreibt die fruchtbaren Begegnungen und sich entwickelnden Freundschaften mit gleichgesinnten Seglern aus aller Welt und vielen Einheimischen an den Küsten und auf den Inseln des Nordatlantischen Ozeans.
Auszüge aus seinem Bordtagebuch ergänzen sehr authentisch diesen spannenden Erlebnisbericht mit Eintragungen über die wiederkehrenden kleinen und großen Baustellen an Bord. Sie erzählen von den einsamen und anstrengenden Nächten auf hoher See, von den Strapazen vor allem bei schlechtem Wetter, aber sie berichten auch von unzähligen kleinen und stillen Glücksmomenten, die letztlich alles andere überwiegen und für die sich alle Anstrengungen gelohnt haben.

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Iko Andrae

Die Reise in einem Cocktailshaker

Mit der Segelyacht Balu von Bremen nach Tobago und wieder zurück

FUEGO

Über dieses Buch

Als Iko Andrae und seine Frau Maret Nacken im August 2005 wieder in Bremen ankommen, haben sich beide einen großen Traum erfüllt: Sie sind nach einer dreijährigen intensiven Vorbereitungszeit auf ihrer nur 9m langen und 3m breiten Segeljacht Balu zweimal über den Atlantik gesegelt – von Bremen bis Tobago und zurück.

Detailliert schildert Andrae seine Eindrücke und die Gefühle der 14-monatigen Reise. Er beschreibt die Achterbahnfahrten seiner Emotionen, einem Mix aus von irgendwo abreisen und Abschied nehmen, manchmal bis ins Mark anstrengendem Unterwegssein und der Vorfreude auf das Ankommen an neuen Orten. Er beschreibt die fruchtbaren Begegnungen und sich entwickelnden Freundschaften mit gleichgesinnten Seglern aus aller Welt und vielen Einheimischen an den Küsten und auf den Inseln des Nordatlantischen Ozeans.

Auszüge aus seinem Bordtagebuch ergänzen sehr authentisch diesen spannenden Erlebnisbericht mit Eintragungen über die wiederkehrenden kleinen und großen Baustellen an Bord. Sie erzählen von den einsamen und anstrengenden Nächten auf hoher See, von den Strapazen vor allem bei schlechtem Wetter, aber sie berichten auch von unzähligen kleinen und stillen Glücksmomenten, die letztlich alles andere überwiegen und für die sich alle Anstrengungen gelohnt haben.

Wieder Zuhause

Draußen schauert es seit Ewigkeiten und kaum ein Tag ist ohne Sturmwarnung. Aus meinem Büro blicke ich auf den Oldenburger Hafen und verfolge ein Binnenschiff, das mit voller Kraft voraus gerade noch die Kurve aus dem Küstenkanal in die Hunte schafft. Die Eisenbahnbrücke steht offen, der Schiffsführer hat es eilig. Durch das Dröhnen des Diesels und das Klappern der Sonnenschutzlamellen an meinem Fenster dringen die schrillen Rufe einiger Austernfischer, die wie immer aufgeregt über das Hafenbecken fliegen. Das Schiff, das Wasser und letztlich die Vögel lösen in mir etwas aus. Plötzlich rieche ich Salzwasser, nehme den herben Duft von Algen wahr, sehe Bilder vom Meer, Wellen, Horizont, Maret und mich auf unserer Balu, alleine auf dem Ozean. Sofort sind sie wieder da, die Bilder, die Eindrücke und vor allem die Gefühle unserer Reise. 14 Monate waren wir unterwegs, von Bremen bis nach Tobago und wieder zurück. Als Maret und ich am 19. August 2005 nach genau 417 Tagen wieder zuhause ankamen, hatten wir uns einen großen Traum erfüllt und waren mit unserer 9m langen Segeljacht Balu zweimal über den Atlantik gesegelt.

Teil I

Der lange Weg ins Paradies

„Die Karibik beginnt ja auch gleich hinter Borkum!“

Bremen am 17. Juni 2004. Unser alter Volvo-Penta MD 7a wummerte eintönig und der Bug zerteilte das unruhige Wasser des Bremer Hohentorshafens. Vorbei an den schwarzen Schuten und dem Anleger vom Holzhandel Gluud fuhren wir der Weser entgegen. Hinter uns winkten immer noch ein paar Freunde vom Binnenschiff am rostigen Werftsteg zu uns herüber. Arme, die immer kleiner wurden, kreisten in den stürmischen Böen, als würden sie vom Wind angetrieben. Sara, unsere Mitbewohnerin, hatte uns mit einem Celloquartett überrascht. Regenböen zerstoben die Töne einiger sentimentaler Abschiedslieder unter dem Fahrradstand des verlassenen Werftgeländes, selbst die Cellokästen machten sich selbstständig. Spätestens bei Auld Lang Syne flossen die Tränen.

Die Außenweser begrüßte uns mit sieben Windstärken, und die kommen dort gewöhnlich direkt von vorne. Containerfrachter zogen wie Perlen an einer Schnur aufgereiht an uns vorbei. An Kreuzen war im beengten Fahrwasser kaum zu denken. So polterten wir mit Unterstützung der Maschine mit dem Strom und gegen den Wind der Nordsee entgegen. Ätzend hoch und steil war die See bis Höhe Leuchtturm Alte Weser. Bei meinem ersten Kochversuch unter „realen“ Bedingungen in der engen und schaukeligen Kombüse, auf unserem kardanisch aufgehängten, zweiflammigen Optimus Petroleumkocher, musste ich mich übergeben. Zum ersten und auch zum letzten Mal auf unserer Reise.

Den Kurs auf Wangerooge konnten wir bald anliegen, doch hinter der Ansteuerungstonne Harle im Seegatt zwischen der östlichsten der ostfriesischen Inseln und Spiekeroog schoss uns beiden das Adrenalin durch den Körper. Bei 1,70m Wassertiefe piepte der Tiefenalarm. Nur 15cm Wasser waren noch unterm Kiel und das bei aufgewühlter See zwischen den Inseln! Wieder musste die Maschine mitlaufen. Wir hatten uns vorgenommen, bei der ersten Grundberührung sofort scharf umzudrehen.

Wie oft war ich schon durch dieses Seegatt gefahren. Mit einem Jollenkreuzer mit nur 30cm Tiefgang die Brandungswellen im flachen Wasser hinab zu surfen, konnte ein grenzwertiger Genuss sein, doch jetzt, mit einem Kielschiff war es etwas völlig anderes.

Das Wasser lief seit zwei Stunden wieder auf. In der Seekarte war für diese Stelle bei Niedrigwasser minimal 1,90m Wassertiefe angegeben. Die Karte war zwar erst ein Jahr alt, aber manchmal sind die Seekarten schon am Tage der Drucklegung veraltet. Mit jedem Sturm werden hier an der deutschen Nordseeküste abertausende Tonnen Sand bewegt. Wer denkt bei einer Atlantiktour schon an aktuelle Wattenmeerkarten?

Mit viel Glück und einem Schutzengel, der unseren Kiel im entscheidenden Moment über die flachste Stelle hob, erreichten wir unseren zweiten Abschiedshafen. Alles was segeln konnte, machte sich an diesem Wochenende auf den Weg gegen den böigen und kalten Westwind nach Wangerooge. Zwei Freunde aus Oldenburg querten die fünf Meilen übers Watt sogar zu Fuß.

Am Abend, im Vereinsheim des Wangerooger Yachtclubs, feierten wir mit unseren Freunden vom Festland und von der Insel. Marets Akkordeon und meine Gitarre wurden von Bord geholt und ein paar Freunde vom Shantychor sangen mit uns um die Wette. Ja genauso hatte ich mir das vorgestellt. Nur Karl und seine Mitseglerin wurden noch vermisst. Spät in der Nacht musste dann das Rettungsboot auslaufen und die beiden von einer hohen Muschelbank ziehen. Übernächtigt und mit rotumränderten Augen überreichten sie uns am nächsten Morgen einen großen Präsentkorb mit eingeweckten Ostfriesischen Spezialitäten, bestimmt für ganz besondere Momente. Den Grünkohl öffneten wir Anfang Dezember auf La Gomera. Der Sniertjebraten aus Remels brachte es sogar bis nach Tobago.

Als Maret und ich am folgenden Tag noch immer etwas benommen am Ende des Steges standen und dem letzten Boot hinterher winkten, waren wir die Zurückbleibenden, dabei waren wir es doch, die eigentlich in die Ferne segeln wollten!

Maret in unserer Balu Ganze neun Tag lang hingen wir auf der Insel fest An - фото 1

Maret in unserer "Balu"

Ganze neun Tag lang hingen wir auf der Insel fest. An acht Tagen davon blies der Wind in Sturmstärke. Für eine Nacht verkrochen wir uns sogar in eine Ferienwohnung einer Freundin im Inseldorf. Im Hafen war es so laut, dass an Schlaf nicht zu denken war. Neben allem meteorologischen Ungemach war auch noch unser Funkgerät ausgefallen, Blitzschaden, wie wir annahmen. Täglich zeigten sich neue Baustellen. Auch unsere Logge und das GPS taten plötzlich nicht mehr, wozu sie bestimmt waren. Das Funkgerät schickten wir schließlich zur Simrad-Vertretung nach Emden. Eine Reparatur wurde versprochen binnen etwa einer Woche.

Die Insulaner begannen schon, uns aufzuziehen: „Wo wollt ihr noch mal hin? In die Karibik? Na ja, da seid ihr ja schon weit gekommen und die Karibik liegt ja auch gleich hinter Borkum!“

Nach neun langen Tagen ging es weiter Richtung Westen. Doch wir schienen immer noch nicht reif zu sein für einen längeren Schlag und bekamen auf dem Weg von Norderney nach Borkum dann auch gleich eine nasskalte Lektion erteilt. Die Vorbereitung auf den eigentlich kurzen Törn war lausig. Wir waren in einiger Hektik quasi noch während eines viel zu späten Frühstücks bei Sonnenschein gestartet. Den Kaffeepott hielt ich in der einen Hand, die Brötchenhälfte steckte zwischen den Zähnen, warf einen kurzen Blick auf den Tidenkalender und legte ab. Die aktuelle Seekarte lag nicht an ihrem Platz, eine Abkürzung nach Westen verpassten wir und brauchten so zwei qualvolle Stunden länger als gedacht. Die See draußen tobte, besonders bei der Annäherung ans Borkumriff bekamen wir das zu spüren. Medikamente gegen meine anfangs schon erwähnte Unpässlichkeit hatte ich nicht eingenommen. Auch zu Essen war nichts vorbereitet, von heißen Getränken ganz zu schweigen. Warme und wetterfeste Kleidung lag wunderbar verstaut im Schrank. Beim ersten Vorsegelwechsel tauchte ich dann gleich bis zur Hüfte in bleigraues und kaltes Nass und guter Letzt ergoss sich ein Schwall Nordseewasser über unsere Bettdecken im Vorpiek. Wir hatten die Vorschiffsluke nicht verschlossen. Wie dämlich kann der Mensch doch sein!

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