Aber die andere schien auch so verstanden zu haben; sie machte sich nun nämlich daran, Sandras Bluse weiter aufzuknöpfen. Die Deutsche versuchte, sich auf den reißenden Schmerz vorzubereiten, der sich einstellen würde, wenn die Klammern gelöst wurden. Als er dann tatsächlich kam, schrie sie dennoch auf. Tränen verschleierten ihre Sicht; sie fühlte, wie eine ihre linke Wange hinunterrann. Nur langsam ließen die Schmerzwellen nach, die von ihren Brüsten ausgehend durch ihren Körper brandeten.
Doch die Frau war noch nicht fertig mit Sandra. Ohne die eben geöffneten Knöpfe wieder zu schließen, beugte sie sich hinunter und schob Sandras Lederrock hoch, bis sie den Gummislip erkennen konnte. Sie tastete nach den beiden Dildos; Sandra spürte, wie sie sich in ihrem Körper bewegten, sie abermals fickten. Ein schmatzender Laut ertönte. Sandra schloss die Augen und fühlte, wie ihr brennende Röte ins Gesicht schoss. Am liebsten wäre sie in dem weichen Sitzpolster versunken.
Endlich ließ die andere von ihr ab und nahm auf dem Fahrersitz Platz. Der Motor startete buchstäblich mit einem Schnurren, und bald darauf glitt der Volvo in die Lichtflut des südspanischen Spätnachmittags. Die Fahrt ging über die breite und verkehrsreiche Stadtautobahn von Málaga, die in teils steilen und engen Kurven um die Provinzhauptstadt herumführte. Manchmal konnte Sandra, wenn sie nach rechts blickte, zwischen hässlichen Wohnsilos das Meer sehen – eine sich in die Unendlichkeit erstreckende Fläche von einem so intensiven Blau, dass nicht einmal der wolkenlose Himmel damit konkurrieren konnte. Ein gewaltiges Schiff, vielleicht ein Kreuzfahrer, lag nicht allzu weit draußen vor Anker.
Auf der linken Seite glitten grüne Hügel vorbei, hinter denen in mehreren Reihen gezackte Berge aufragten. Sandra erinnerte sich, dass im Spanischen das Wort sierra sowohl eine Säge als auch einen Gebirgszug bezeichnete, was wohl kein Zufall war.
Die Klimaanlage des Wagens ließ jeden Gedanken an die draußen herrschende Hitze vergessen. In der Tat wurde es bald so kalt, dass Sandra in ihrer leichten Kleidung fröstelte, doch sie hätte es niemals gewagt, sich darüber zu beschweren.
Hier scheint es bei den Temperaturen kein Mittelmaß zu geben, dachte sie . Entweder brütend heiß – oder eiskalt! Hoffentlich ist es in der Villa meines neuen Herrn nicht so kalt …
Sandra verabscheute Kälte; sie konnte sie noch weniger ertragen als Schmerzen. Sie sehnte sich nach Wärme, sowohl körperlicher als auch emotionaler Wärme. Nach der Geborgenheit, die ihr nur ein starker Meister bieten konnte, der zwar jede Verfehlung unerbittlich bestrafte, der seine Sklavin jedoch auch manchmal in die Arme nahm, sie lobte und sie tröstete. Der ihre Tränen trocknete, wenn die Schmerzen der Bestrafung unerträglich schienen, und sanft über die Striemen auf ihrem Körper strich. Für diese Momente des Glücks und der Erfüllung lebte sie.
Der neue Meister muss derjenige sein, nach dem ich so lange gesucht habe! Streng, aber verständnisvoll; hart, aber nicht grausam oder gar herzlos. Er wird mich auf den Gipfel der Lust führen, und es wird meine Lebensaufgabe sein, ihm zu dienen, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Die früheren Meister dagegen …
Sie presste die Lider zusammen, bis sie nur noch bunte Schleier sah.
Bloß nicht zurückblicken! Nach vorn denken! Nur nach vorn denken; an das, was sein kann, was sein wird! Nicht an das, was war oder hätte sein können! Sonst kommen die Kopfschmerzen zurück …
Nach etwa halbstündiger Fahrt auf einer zunehmend leerer werdenden Autobahn bog der Volvo ab. Sandra erhaschte einen Blick auf einen Wegweiser in einem Kreisverkehr: »Sayalonga« stand darauf, und sie merkte sich den Namen wegen seines exotischen Klangs.
Fast so schön wie »Shangri-La« …
Sie passierten ein langgestrecktes Dorf, dessen blumengeschmückte und weiß gekalkte Häuser Sandra viel eher mit Spanien assoziierte als die Betonburgen Málagas. Unmittelbar hinter dem Ortsende wurde die Straße schmäler und schlechter und begann, sich an einem Hang entlang in die Berge zu winden. Blau und Grün waren hier die vorherrschenden Farben: Das makellose Blau des Himmels und die schier unendlich vielen Grünschattierungen der bewachsenen Hänge und des bereits im Schatten liegenden Talgrunds.
Nach vielleicht einer Viertelstunde bremste der Wagen, und Sandra sah auf. Die Straße folgte in einer unübersichtlichen Rechtskurve dem Hangverlauf. Die Spanierin hupte und bog dann nach links auf einen staubigen Weg ab, kaum breiter als der Volvo selbst. Vor einem rostigen Eisentor hielt sie an. Hinter dem Tor machte der Weg eine Biegung nach rechts; ein wie mit dem Messer abgeschnittener Hang aus dunkelbrauner Erde hinderte Sandra daran, den weiteren Verlauf des Weges zu erkennen. Neben dem Tor war ein verbeulter Briefkasten auf einen Pfosten genagelt, der die kaum noch erkennbare Aufschrift »Los Cebos« trug.
Nachdem die Frau das Tor von Hand geöffnet hatte, fuhr sie weiter, ohne es hinter sich zu schließen. Höchstens zwanzig Meter dahinter mündete der Weg auf einen teilweise geteerten kleinen Platz, auf dessen linker Seite ein gedrungenes und nicht allzu breites Haus stand. Die Fremde stieg aus, öffnete die hintere Tür und löste Sandras Leibgurt mit Hilfe eines kleinen Schlüssels.
Kein Zweifel: Sandra hatte ihr neues Zuhause erreicht.
3
Das kann, das darf doch nicht wahr sein!
Mit zitternden Knien stand Sandra vor dem Haus. Die Villa, die sie unwillkürlich mit der Costa del Sol assoziiert hatte, war das bestimmt nicht: Einst weiß gekalkt, war die Farbe nun teils abgeblättert, teils von Schmutz überdeckt. Links und rechts einer niedrigen hölzernen Haustür blickten je zwei ebenso niedrige und mit daumendicken Eisenstäben versehene Fenster traurig auf den Vorplatz. Die fleckigen Ziegel des sehr flachen Daches waren teilweise von Moos bedeckt, die Dachrinne in sich verdreht und von Rostlöchern durchsiebt.
Sandra blickte sich um. Der Weg endete auf dem vielleicht zehn Meter langen und ebenso breiten Vorplatz. Zur Hauptstraße hin wurde die Sicht von einem hohen Hang blockiert, in den ein Garagentor eingelassen war. Sandra erinnerte sich an die weite Rechtskurve.
Ein Bergsporn! Das Haus muss auf einem Bergsporn erbaut sein. Wahrscheinlich geht es dahinter hundert Meter oder mehr abwärts!
Sie wandte sich wieder um, begierig darauf, so viele Eindrücke wie möglich zu sammeln. Doch das einzig Interessante, was sie noch entdeckte, war eine zuckerhutähnlich aufragende Felsenkuppe hinter dem Haus, nicht allzu weit entfernt.
Ihre Abholerin öffnete die Haustür, die unverschlossen war, und sagte etwas Unverständliches. Doch Sandra sah es auch so: Unmittelbar hinter der Schwelle führten drei Stufen in einen langgestreckten, dunklen Flur. Vorsichtig folgte sie der anderen. Der Modergeruch, den sie unwillkürlich erwartet hatte, blieb aus. Als sich ihre Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, atmete sie auf: Ein makelloser Terrakotta-Boden, an den Seitenwänden blaue Kacheln bis etwa Brusthöhe, darüber eine saubere weiß gekalkte Wand. Rechts des Eingangs eine moderne Garderobe mit ovalem Spiegel, daneben eine geschnitzte Kommode. Diese einfache Eleganz strafte das vernachlässigte Äußere des Hauses Lügen.
Da bin ich mal gespannt auf die restlichen Räume …
Die Fremde gab ihr einen Wink, und Sandra stelzte hinter ihr her. Ihre Pfennigabsätze klackten, die Glieder arbeiteten in ihr, und abermals drohte die Lust sie zu überwältigen. Krampfhaft versuchte sie, an etwas anderes zu denken.
Der Flur endete in einer nach unten führenden Treppe, doch unmittelbar vor dieser öffnete Sandras Führerin eine Tür und winkte ihr einzutreten.
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