Neben ernsthaften Western wie High Noon oder Shane war einer der großen Kinoerfolge des Jahres 1952 Bleichgesicht Junior (Son of Paleface) , die Fortsetzung von Sein Engel mit den zwei Pistolen ( The Paleface , 1948) gewesen. Roy Rogers ritt darin an der Seite von Bob Hope, der danach eine ganze Reihe von Western drehte. Lange Jahre stand der singende Cowboy für das uneingeschränkt Gute des amerikanischen Traumes, aber neben dem rotzigen Bob Hope wirkte Roy Rogers nur noch wie eine lächerliche Figur in einem Zirkuskostüm.
Es war aber weniger der beliebte Ostküstenkomiker Hope, der die Schnulzencowboys verdrängte, als die Entwicklung der schwarzen Musik und des frühen Rhythm and Blues. 1951 erschien bei Chess Records mit »Rocket ’88« von Jackie Brenston and his Delta Cats die erste Rock ’n’ Roll-Platte, die mit einem wilden Saxophon-Solo aus dem Schema der anderen Boogie-Bands ausbrach und auf Platz 1 der R & B-Charts landete. Obwohl Brenston immer wieder als Komponist genannt wurde, stammte der Song ursprünglich aus der Feder von Ike Turner and his Kings of Rhythm. Die Platte war zunächst allein auf weiter Flur, aber der amerikanische Geschmack begann sich zu ändern. Der Erfolg farbiger Musiker ließ Roy Rogers & Co. bald in Vergessenheit geraten.
1952 spielte ein jodelnder Cowboy namens Bill Haley eine neue Version von »Rocket 88« ein und erzielte einen gewissen Achtungserfolg. Der rundliche Gitarrist stand vorher einer Band namens The Saddlemen vor, die sich erfolglos an einer Mischung aus Country, Polka und Swing versucht hatte. 1954 tauchten Chuck Berry und Little Richard auf. Plötzlich schepperte aus sämtlichen Radios dieser seltsame Sound namens Rock ’n’ Roll, ein Umstand, der vor allem der grenzenlosen Bestechlichkeit der Radiomacher zu verdanken war. Jahre später war im großen »Payola«-Prozeß zu erfahren, daß der Siegeszug des Rock ’n’ Roll letztendlich eine Verschwörung großer Plattenfirmen war, die den neuen Sound mit dicken Geldbündeln in die Radios drückten.
Nicht nur Vater Reed war entsetzt von der neuen »Negermusik« und jenen schamlosen Bewegungen, die plötzlich als der letzte Schrei galten. Das alte Eisenhower-Amerika stand einer Emanzipation der Jugend gegenüber, die sich nicht länger an die alten Spielregeln halten wollte.
Auch Dean Reed wurde von der neuen Musik im Radio inspiriert, aber er blieb dem Country treu und hörte bevorzugt einen Sender namens »Radio Hillybilly«. Elvis hatte man bereits als gewöhnlichen GI nach Deutschland verfrachtet, einen Ort, der langweilig genug schien, um den King für eine Weile aus dem Verkehr zu ziehen. Rock ’n’ Roll schien nichts als ein kurzlebiger Trend zu sein, der bald wieder verschwinden würde. Schwarzer Musik mit weißen Interpreten sagte man keine große Zukunft voraus. In den Vierzigern und Fünfzigern sprach man noch abschätzig von »Sepia«- oder »Race«-Platten, wenn man Blues oder Jazz meinte. Mit Okeh Records, dem ersten Label, das später nur schwarze Künstler produzierte, hatte aber trotzdem längst eine schleichende Veränderung begonnen. Am 14. Februar 1920 hatte Mamie Smith mit einem weißen Orchester die historische Single »That thing called love« aufgenommen. Die Symbolkraft der ersten Blues-Aufnahme einer schwarzen Künstlerin war gewaltig, und die Platte wurde ein Hit. Im August 1920 folgte »Crazy Blues« von Mamie Smith and her Jazz Hounds, die erste Single mit einer schwarzen Begleitband.
Die Sängerinnen des Blues waren einer Tingeltangel-Tradition von Cabaret- und Vaudeville-Theatern entwachsen, die dem weißen Amerika zu schmuddelig war. Lange Zeit war der Blues vor allem Bestandteil der »Nigger Minstrels«, die mit Zirkuszelten durch Amerika tourten. Dressierte Elefanten und Löwen konnte man sich nur selten leisten, und so ließen meist nur die Clowns auf die Herkunft schwarzer Zirkusveranstaltungen schließen, die sich mit dem Blues aber sowieso immer mehr in Tanzveranstaltungen verwandelten. Vor allem im sündigen Chicago von Al Capone sorgten Blues und Jazz für einen langsamen Abbau uralter Vorurteile. Schon 1909 hatten deshalb ein paar clevere Manager die TOBA (Theatre Owners Booking Agency) gegründet und für schwarze Bühnen gesorgt, die dennoch fest in weißer Hand bleiben sollten. Die TOBA war auch als Abkürzung für »Tough on Black Asses« bekannt. Die schwarzen Künstler wurden nach Strich und Faden ausgebeutet, unterwanderten aber immer wieder die strengen Rassengesetze in den USA.
1942 konnte »Billboard«, seit 1893 Amerikas Showbiz-Magazin Nr. 1, den Einfluß schwarzer Musik nicht länger ignorieren. Mit der »Harlem Hit Parade« wurden erstmals auch die Erfolge schwarzer Künstler in ihren eigenen Ghetto-Charts gelistet. Die USA waren in den Zweiten Weltkrieg eingetreten, und manch farbiger Soldat mochte sich nun ein wenig mehr wie ein vollwertiger Amerikaner fühlen. Nachdem man die schwarze Hitparade zeitweise in »Race Music Charts« umbenannt hatte, taufte man sie am 17. Juni 1949 endgültig auf den Namen »Rhythm and Blues« bzw. R & B. Man faßte darunter das gesamte Spektrum schwarzer Musik von Jazz bis Boogie-Woogie, daneben gab es die Country- und die Popcharts. Country und Blues existierten parallel nebeneinander und beeinflußten sich gegenseitig. In den Vierzigern etablierte sich dazwischen der Begriff Pop. Anfangs sprach man nebenbei auch vom »Black Pop« als Strömung, um den Begriff an sich als weißes Hoheitsgebiet zu deklarieren.
Der große Erfolg schwarzer Musik führte dazu, daß man fieberhaft über eine weiße Variante nachdachte. Den Bebop Cats sicherte man noch immer nicht ihre vollen Bürgerrechte zu, und Musiker wurden teilweise mit einem Glas Marmelade oder einer Flasche Bier entlohnt, aber man stahl ihre Musik und verwässerte den Sound mit schnulzigen Arrangements, die von weißen Interpreten in die richtige Stimmlage geschraubt wurden. Die Industrie behauptete, das Publikum würde die weißgewaschene Popvariante vorziehen, aber in einer Billboard-Liste der R & B-Bestseller fanden sich unter den fünfzig erfolgreichsten Titeln von 1949 bis 1953 lediglich zwei Singles, die bei einem großen Mayor Label erschienen waren.
Dean Reed merkte schnell, daß ihm mittels der Musik die Mädchenherzen nur so zuflogen. 1954 schrieb er seinen ersten Song: »Don’t let her go«, eine recht schwülstige Abhandlung über seine erste große Liebe, die er seiner Mitschülerin Linda Myers widmete, mit der er mehrere Jahre zusammen war. Das Paar wollte sogar heiraten, aber der konservative Vater von Linda Myers wollte keinesfalls, dass seine Tochter die Ehefrau eines Sängers wurde. Wenige Monate später drängte er die junge Frau, die Universität zu wechseln. Dean Reed sah sie nie wieder, ging aber dafür wenig später eine Weile mit Marilyn »Miss Colorado« Vandeberg.
Zwischendurch arbeitet er im Sommer in Aspen, dem favorisierten Skigebiet reicher und berühmter Amerikaner, als Rettungsschwimmer. Nebenbei begann er auf der Harmony Guest Ranch am Fuße der Berge des Estes Park zu arbeiten, einer sogenannten Dude Ranch . Sein Job war es, reiche Touristen aus der Stadt zu betreuen und ihnen zu zeigen, was man als richtiger Cowboy alles können mußte.

2. Dean Reed im Alter von 18 Jahren
Die erste Erwähnung Dean Reeds in den Medien ging auf eine Wette zurück, die er mit seinem Cowboykollegen von der Sommerranch Bill Smith eingegangen war. »Triumphant Man« übertitelte »Newsweek« am 6. August 1956 einen Artikel von 31 Zeilen, der ein Rennen zwischen Mensch und Maultier kommentierte. Bill Smith hatte gewettet, daß er auf einem Muli schneller wäre als jeder andere Mensch zu Fuß. Dean Reed war bereit, den Gegenbeweis anzutreten. Bill Smith startete mit seinem Maultier Speedy. Das Rennen ging über eine Distanz von 110 Meilen bzw. 178 Kilometer, und es wurden Pausen vereinbart. Start und Ziel war die Rodeo-Arena von Gunnison in Colorado. Ein Koch, der ihnen in einem LKW mit Proviant in sicherem Abstand folgte, versorgte die ungleichen Kontrahenten. Nach 47 Stunden konnte ein völlig erschöpfter Dean Reed als Sieger in die Arena einlaufen. Ganze drei Minuten Vorsprung hatte er in einer Laufzeit von 22 Stunden herausgeholt, was einer Durchschnittsleistung von ungefähr 5 Kilometern pro Stunde entsprach. Dean Reed gewann seine Wette und erhielt von Bill Smith die vereinbarten 25 Cents.
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