LIPPENSTIFT &
NOTFALLTROPFEN
LIPPENSTIFT
&
NOTFALLTROPFEN
EIN HANDTASCHENBUCH
GABRIELE BUCH
GABRIELE FOLZ-FRIEDL
BARBARA HOLPFER
BRITA KERBL-ASCHERMANN
SONJA KOHLBACHER
ANGELICA LÖWE
ROSWITHA SCHMIT
GERDA SENGSTBRATL
IRENE WONDRATSCH
MIT FOTOS VON HEIDI CZIPIN
WIEN, 2008
Wir danken dem Österreichischem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur für die Unterstützung.
© 2008 Oktober Verlag, Münster
Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des
Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster
www.oktoberverlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Claudia Rüthschilling
Cover: Alejandra Vargas Diaz
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
eBook-ISBN 978-3-938568-61-3
BRAUSEPULVER MIT ZITRONENGESCHMACK
STOPPUHR
COMME DES GARÇONS NO. 2, PARFUM
BLOCKMALZZUCKERLN
GELDBÖRSE
HAARBÜRSTE
SONNENBRILLE
GITANES
K2R, FLECKPUTZMITTEL
SCHLÜSSELBUND
NAGELFEILE
SCHLAFTABLETTEN, ROHYPNOL
ANSTECKNADEL – SIEG BEIM JUGENDSCHWIMMWETTBEWERB
LEERE ZETTEL, LOSE
WASSERFLASCHE, HALBVOLL
OHROPAX
REISEPASS
VOGELFEDER
STIMMGABEL
TASCHENTUCH
MANSCHETTENKNÖPFE
ABSCHIEDSBRIEF, NICHT ABGESCHICKT
ENTHAARUNGSCREME
LIPPENSTIFT, KORALLENROT
TASCHENRECHNER
RUBBELLOS
HUNDEMARKE
BITTERSCHOKOLADE
KLAVIERNOTEN
BLEICHCREME GEGEN PIGMENTFLECKE
FLUGTICKET
KREDITKARTE
WÜRGEHALSBAND
HANDY
TAGESZEITUNG
NOTFALLTROPFEN
FAHRKARTE
GESCHENKBAND, ROT
SCHWANGERSCHAFTSTEST
BIOBIBLIOGRAFIE
HANDTASCHENFOTOS
BIRGIT SCHWANER: INWARDS
Neun österreichische Autorinnen haben sich auf ein spannendes Unterfangen eingelassen: Sie literarisieren den Inhalt einer Damenhandtasche. Das ist durchaus eine Herausforderung, wenn man bedenkt, dass vieles, auf das Frauen beim ebenso unausweichlichen wie täglichen Kramen in ihren Handtaschen stoßen, viel zu vertraut ist, um letztlich auch beachtet, geschweige denn poetisiert zu werden. Doch die Autorinnen dieser Anthologie gehen auf unverstellte Weise mit dem Sujet um. Was aus der Dunkelheit der Fächer dieser uns in Text und Bild vorliegenden Tasche ans Licht kommt, ist das literarisch spannende Ergebnis ebenso präziser wie spielerischer Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Tasche selbst wird zur Hülle, zum Körper für jene nützlich-alltäglichen, aber auch überflüssigen – im Sinne von: notwendiger Überfluss – Dinge, die Frauen bei sich zu tragen pflegen. Das Buch beginnt mit einem Text über »Brausepulver mit Zitronengeschmack« (Irene Wondratsch) und endet mit einem »Schwangerschaftstest« (Gerda Sengstbratl). Dazwischen finden sich unter (und neben!) vielen anderen Dingen eine »Stoppuhr« (Gabriele Buch), »Blockmalzzuckerl« (Roswitha Schmit), »Ohropax« (Sonja Kohlbacher), eine »Vogelfeder« (Barbara Holpfer), ein »Schlüsselbund« (Brita-Kerbl-Aschermann), eine »Haarbürste« (Gabriele Folz-Friedl) oder »Gitanes« (Angelica Löwe). So wird der »Körper« Tasche einerseits zur Hülle, zur Behausung für die vielen darin enthaltenen Gegenstände; er wird aber auch zum Sprachkörper, zum Behältnis für eine vielschichtige Sammlung von literarischen Stimmen und Verfahrensweisen. Wir finden erzählende Prosa ebenso vor wie lyrische, sprachspielerische Gebilde oder auch Gedichte. So unterschiedlich die Gegenstände in ihrer Beschaffenheit sind, so different sind demgemäß die Literarisierungen. Die Dinge rufen sich während des Lesens noch einmal in ihrer Ursprünglichkeit ins Bewusstsein, jedoch lauter als sonst, als Töne, als Bilder, und kehren dann doch verwandelt wieder: Als Texte, die bisweilen das den Text veranlassende Ding selbst weit hinter sich lassen, es nur als zarten Impuls verstehen, um zu flanieren, fast wäre ich geneigt zu sagen, in der Sprache umherzufliegen. Dann wieder als Texte, die das Ausgangsobjekt in einem strengeren Sinn verstehen, wortwörtlicher, und es auch beim Namen nennen. Insgesamt ist mit diesem Projekt eine oszillierende (Kurz)prosa- und Lyriksammlung gelungen, die uns einen Anstoß geben mag, unser Augenmerk wieder deutlicher auf jene kleinen Dinge zu richten, die uns verlässlich durch unseren Alltag begleiten.
Petra Ganglbauer
BRAUSEPULVER MIT ZITRONENGESCHMACK
Ich gehe auf das Oasis gegenüber der Windmühle zu. Seine sonnengelben Mauern leuchten. Der Rezeptionist gibt dem Liftboy Anweisung, mir den gelben Läufer auszurollen. Der Boy trägt meinen Koffer ins Zimmer.
Ich öffne das Fenster, lasse das Sonnenlicht ein. Auf dem runden Tischchen auf der Terrasse steht eine große bauchige Vase mit Sonnenblumen. Die Volants am Saum der Markise knattern im Wind. Ich öffne den Koffer, hänge meine Kleider, bunte Farbtupfer im gelben Zimmer, in den Kasten.
Es klopft. Der Zimmerservice. Ein Chinese mit langem schwarzem Zopf bringt einen großen Korb Bananen. Ein Gruß des Hauses. Ich bedanke mich. Davon könnte ich mich die nächsten beiden Tage ernähren.
Mir fällt ein, dass ich nicht gegen Gelbfieber geimpft bin. Müdigkeit überkommt mich. Die Strapazen der Reise oder schon das Fieber? Ich setze mich auf das Bett, schnuppere an der Damastbettwäsche. Zitronenmelisse. Ich werde mich hinlegen und ein bisschen Musik hören. Ich drehe das Radio auf.
Déshabille-moi!, singt Juliette Greco verführerisch. Ich singe mit: Déshabille-moi!
Es klopft abermals. Ein freundlich lächelnder Mann tritt ein und lüftet seinen Strohhut. Er setzt sich zu mir aufs Bett und beginnt behutsam mein Kleid aufzuknöpfen. Er hängt es zu den anderen in den Kasten.
»Sie sind Jungfrau«, sage ich.
»Erraten.«
Die Art, wie er seine Unterwäsche zusammenlegt, weist auf Aszendent Steinbock hin. Na, hoffentlich sorgt Venus im Löwen für ein bisschen Ungestüm. Jetzt knöpft er sein Hemd auf. Blonde Härchen auf seiner Brust. Weich, seidig. Bei meiner Berührung lässt er das Hemd zu Boden fallen. Der Hose entledigt er sich rasch. Jetzt hat er nur noch gelbe Socken an. Ich kichere. Er schaut verunsichert.
»Verzeihung.« Ich lege meine Hand auf meinen Mund. Dann strecke ich mich auf dem Bett aus. Er legt sich zu mir. Die gelben Socken hat er unter dem Bett versteckt. Ein Zitronenfalter schwebt durchs Zimmer, umkreist uns und lässt sich auf meinem schwarzen Dreieck nieder.
»Man müsste dich malen«, sagt der Mann neben mir. Dann winkt er mit den Armen in Richtung Fenster und macht herbeiholende Gesten wie jemand, der ein Auto in einen Parkplatz einweist und dem Lenker bedeutet, noch rückwärts zu fahren. Eine Wolke von Zitronenfaltern dringt durch das Fenster ein. Die Falter schlüpfen in meinen Bauch. Schnell lasse ich mir eine Teerose zwischen den Pobacken wachsen und reiche sie dem Herrn der Schmetterlinge.
»Wollen wir blödeln oder wollen wir uns lieben?«, sagt er.
Typisch Jungfrau, typisch Steinbock! Immer zielstrebig in medias res. Aber es ist ja keine schlechte Sache, in deren Mitte wir streben.
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