Mit seinem Taschentuch wischte er ihr Gesicht trocken und richtete endgültig das Kleid wieder her. Hand in Hand verließen sie den Raum. In der Eingangshalle blieb Jonathan stehen.
»Kleines, ich kann verstehen, daß du jetzt sehr verwirrt bist, aber … du wirst es nicht bereuen, glaube mir. Genieße es einfach, laß dich fallen … Du weißt, daß ich immer da sein werde, um dich aufzufangen … und, Brenda,« – er blickte sie noch einmal eindringlich an – »vertrau deinem Instinkt.«
Ihre Münder trafen sich erneut zu einem langen, besiegelnden Kuß, dann schob Jonathan sie von sich und verzog grinsend das Gesicht.
»Und noch etwas, mo bean! Ich weiß, es fällt dir schwer, aber könntest du es wohl vermeiden, mich als … Scheusal oder Mistkerl zu titulieren?«
Brenda sah ihn gespielt böse an.
» Das kann ich nun wirklich nicht versprechen! Nicht, wenn du so weitermachst. Soll ich dich jetzt vielleicht Lord Jonathan nennen? Ich kann es gar nicht fassen, daß du mir das verschwiegen hast. Adelig … mein Gott … und was bin ich dann jetzt?«
»Nun, du wirst dich daran gewöhnen müssen, mit Lady Brenda angesprochen zu werden. Meine Lady bist du ja schon lange!«
Wieder küßte er sie, und Brenda dachte, daß sich das eigentlich gar nicht so schlecht anhörte. Vor der Tür zum Salon hielt sie ihn noch einmal zurück.
»Warte mal kurz … Was ist denn mit … mit deiner Mutter … Ist sie …?«
»Sie ist tot, ja …« Sein Gesicht verdunkelte sich. »Das ist jetzt schon 23 Jahre her, kurz nachdem Connor und Rachel geheiratet haben … und mein Vater trauert immer noch um sie!«
Brenda hob die Hand und strich zärtlich über seine Wange.
»Das tut mir leid …«, sagte Brenda und lächelte mitfühlend, »sie war sicher eine gutaussehende Frau … Wenn ich mir ihre Söhne so ansehe …«
»Oh ja, das war sie …« Mehr wollte Jonathan nicht preisgeben und öffnete endgültig die Tür.
Gelockert und durch die konsequenten Hiebe wohltuend entkrampft, folgte Brenda ihrem Mann. Beide setzten sich wieder, und keiner von den anderen schenkte den Neuankömmlingen groß Beachtung, alle unterhielten sich einfach weiter, als ob nichts gewesen wäre. Trotzdem war Brenda noch recht aufgewühlt, die Gedanken schossen wie Blitze durch ihren Kopf. Eine seltsame Familie. Den Frauen war es also verboten, ohne Aufforderung zu sprechen. Warum? Was spielte sich in diesem Schloß sonst noch ab? Warum schien es keiner der hier Anwesenden verwunderlich zu finden, daß Jonathan mit ihr so plötzlich den Raum verlassen hatte? Wieso hatte der alte Laird das Recht, seinen Sohn auf den Fehler seiner Frau aufmerksam zu machen?
Brendas Gedankengänge wurden abrupt durch einen Gong unterbrochen, und die ganze Gesellschaft folgte dem Oberhaupt der Familie in das angrenzende Speisezimmer. Brenda kannte so etwas bisher nur von Bildern oder aus Filmen, und sie blieb beeindruckt stehen. Über der halbhohen Vertäfelung aus glänzendem Mahagoni waren die Wände mit einer dunkelblau gemusterten Tapete bestückt. Einzelne Wandlampen ließen die Gemälde zwischen ihnen, die allesamt in wertvollen Rahmen steckten, in einem diffusen Licht erscheinen. Neben dem Eßtisch und einer Anrichte gab es lediglich vier große exotische Palmen in den Ecken, kein weiteres Möbelstück.
Der Laird und Miß Gibbons setzten sich jeweils vor Kopf an die luxuriös gedeckte Tafel. Silberne Platzteller glänzten im Schein der Kerzenleuchter, sorgfältig poliertes Tafelsilber versprach den Genuß mehrerer Gänge, und edle Kristallgläser funkelten unter dem riesigen Kronleuchter, der über dem Tisch schwebte. Violettleuchtende Disteln – ein Symbol der schottischen Tradition – ragten aus einem üppigen, langgezogenen Blumengesteck. Die Brüder nahmen jeweils neben ihrem Vater und Miß Gibbons Platz, und die Frauen saßen sich alle vier in der Mitte gegenüber. Wie eingerahmt kam Brenda sich vor, aber auch beschützt. Ein Butler schenkte Wein und Wasser in die Gläser und servierte dann zusammen mit einem jungen Mädchen die Vorspeisen. Anschließend verließen die beiden den Raum. Die Familie war unter sich.
Zu Anfang war die Konversation etwas spärlich, alle konzentrierten sich auf die wirklich exzellente kalte Entenbrust und den köstlichen Salat. Brenda rutschte zwischenzeitlich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf ihrem Stuhl herum, aber keiner nahm irgendwie Notiz davon. Erst als Jonathan ihr einen kurzen, prüfenden Blick zuwarf und sie seine hochzuckende Augenbraue sah, riß sie sich zusammen und bemühte sich, still zu sitzen. Und mußte dann doch innerlich schmunzeln. Mein Gott, sie funktionierte wirklich schon so gut, daß sie nur auf einen Blick ihres Mannes hin wußte, wie sie sich richtig zu verhalten hatte!
Ihr fiel eine ähnliche Situation ein, in die Jonathan sie ein paar Wochen nach ihrer Heirat gezwungen hatte. Es war so ein verregneter Sonntagnachmittag gewesen; stillschweigend hatten sie keine Verabredung mit ihren Freunden getroffen, um sich endlich mal wieder in aller Ruhe miteinander zu beschäftigen. Jonathan hatte sie über viele Stunden hinweg mit den verschiedensten Instrumenten behandelt, die sie sich im Laufe der Zeit angeschafft hatten, und Brenda freute sich nur noch auf den einen Moment, in dem er sie endlich erlösen würde. Normalerweise endete so eine Behandlung mit einer entspannenden Massage und den für Brenda so wichtigen, ausgiebigen Streicheleinheiten, doch diesmal besiegelte Jonathan die Züchtigung noch mit ein paar zusätzlichen, derben Rutenschlägen, die sich tief in Brendas Haut gruben, und erst als die ganze Fläche ihres Hinterns dunkelrot leuchtete und von wulstigen Striemen übersät war, hörte er auf. Keine Massage. Kein gemeinsames Kuscheln im Bett.
Stattdessen mußte Brenda sich chic anziehen – was nicht ohne Protest ihrerseits und einer ziemlich einseitig geführten Diskussion vonstatten ging, denn Jonathan ließ sich auf keine Kompromisse ein –, und er führte sie in ein nahegelegenes französisches Restaurant, welches sie oft besuchten. Dort bestellte er ein opulentes Sieben-Gänge-Menü und verlangte von ihr absolutes Stillsitzen. Er achtete peinlichst genau darauf, daß sie nur den Oberkörper bewegte, und Brenda hielt tatsächlich durch. Sie saß vier Stunden auf dem Stuhl, ohne sich zu rühren; ihr brennender Hintern quälte sie, ließ sie die vergangenen Stunden nicht eine Sekunde vergessen. Nach dem fünften Gang winkte Jonathan plötzlich den Kellner an den Tisch, stand auf, legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter und lächelte ihn verschwörerisch an.
»Antoine, ich habe eine etwas ungewöhnliche Bitte an Sie. Meine Frau und ich spielen gerade ein Spiel, und dazu brauchen wir unbedingt Ihre Hilfe. Wären Sie bitte so freundlich – und würden Sie das auch Ihren Kollegen vermitteln –, darauf zu achten, daß sich meine Frau nicht bewegt, während ich den Waschraum aufsuche? Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie das für mich tun würden und ich meine Frau gut beobachtet wüßte …«
Das war einer jener Augenblicke, in denen Brenda vor Scham am liebsten in den Boden gesunken wäre. Antoine hingegen hatte ein verständnisvolles Grinsen aufgesetzt und genickt.
»Selbstverständlich, Monsieur McArcher, immer stets zu Diensten. Ich nehme an, Madame darf ihre Hand heben, um nach ihrem Glas zu greifen?«
Jonathan verzog abwägend das Gesicht.
»Mmh – ich würde sagen: nein … Sie soll vollkommen reglos hier sitzen und warten, bis ich wiederkomme. Das ist dir doch recht so, Liebling?«
Nein, das war es überhaupt nicht, vor allem, da Brenda sich vorkam wie eine Skulptur, die von zwei Kunstkritikern fachmännisch beäugt wurde. Mal ganz davon abgesehen, daß nun das gesamte Personal ihres Lieblingsrestaurants über das Eheleben der McArchers Bescheid wissen würde. Sie funkelte Jonathan mit blitzenden Augen an.
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