Frederik Pohls Leben und seine Werke lassen sich schwer nach Kategorien ordnen. Meines Wissens hat kein anderer Autor Stories geschrieben, die so unterschiedlich sind, was ihre Länge und Geisteshaltung, ihren Typ und Stil betrifft. Die einzige Ähnlichkeit liegt in der gleichbleibenden Qualität, die in allen seinen Werken zu finden ist, von den Kurzgeschichten bis zu den Romanen. Um es jedem Biographen noch schwerer zu machen, war er auf fast allen Gebieten aktiv, die auch nur entfernt mit dem großen Bereich der Science Fiction zu tun haben.
Sogar seine Karriere als Schriftsteller zerfällt in zwei streng getrennte Perioden, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.
Er begann in den frühen vierziger Jahren zu schreiben, als er gerade zwanzig geworden war. Viele Stories, die er unter unzähligen Pseudonymen veröffentlichte, waren in Zusammenarbeit mit einem oder mehreren anderen Autoren entstanden, und niemand scheint genau zu wissen, um wie viele Geschichten und Mitverfasser es sich eigentlich handelt. Außerdem schrieb er zwölf Stories unter dem Namen James McCreigh. Die Werke aus dieser Periode waren gut gemacht und verschafften ihm Zugang zu vielen Verlagen, aber sie besaßen keine Qualitäten, die Pohl von den vielen anderen jungen Autoren jener Zeit unterschieden hätten.
Die zweite Phase seiner schriftstellerischen Karriere begann elf Jahre später, nach einer langen Schaffenspause. Sein Ruhm wurde schon mit der ersten Story aus dieser Zeit begründet, einer Serie von Frederik Pohl und C. M. Kornbluth, die in der Magazinversion Gravy Planet (Der fette Planet) hieß und später unter dem Titel The Space Merchants (Die Handelsreisenden im All) in Buchform erschien. Dies war zweifellos das bedeutendste Werk, das 1952 veröffentlicht wurde.
Es wurde immer wieder in Publikationen abgedruckt, die vom Wall Street Journal bis zu den Organen der extremen politischen Linken reichten, in denen normalerweise keine Science Fiction zu finden war.
Pohl und Kornbluth ließen wieder die Kunstform der Satire in die Science Fiction einfließen und wurden bald von vielen Autoren imitiert. Der Einfluß dieses Werkes war während der nächsten beiden Jahrzehnte bei einem Großteil des Genres zu spüren.
Bald darauf erschienen zwei weitere Romane, die Pohl in Zusammenarbeit mit Kornbluth verfaßt hatte. Einige selbsternannte SF-Kritiker, die sich an Pohls frühere Stories erinnerten und Kornbluths unabhängige Arbeitsweise schätzten, behaupteten sofort, Pohl hätte die hohe Qualität dieser Werke seinem Koautor zu verdanken. Sie nahmen die Romane auseinander, bestimmten, was von wem stammte, und die Teile, denen ihre Bewunderung galt, wurden immer Kornbluth zugeschrieben.
Kornbluth war mit Pohl der Meinung, daß diese Kritiker überraschend hartnäckig auf ihrem falschen Standpunkt beharrten. Aber das brachte die Leute, die diese Romane in ihre Bestandteile zerlegten, nicht zum Schweigen. Auch die Veröffentlichung von Pohls erstem unabhängigen Roman Slave Ship (Das Sklavenschiff) konnte sie nicht überzeugen, obwohl das berechtigt gewesen wäre. Aber als weitere Werke von Pohl erschienen, mußten auch seine strengsten Kritiker zugeben, daß er zu den bedeutendsten SF-Autoren zählte.
Inzwischen hatte ihn das Leserpublikum als Verfasser von Kurzgeschichten schätzen gelernt, die er allein schrieb. The Midas Plague (Die Midas-Seuche) war die erste seiner unabhängigen Stories, die im Galaxy-Magazin erschien, im April 1954. Dies ist ein brillantes Beispiel satirischer Kunst, wobei dem schockierenden Thema durch Humor die Schärfe genommen wird. Diese Story ist auch die Extrapolation eines Trends, die Pohl noch etwas weiter führt, als es andere Schriftsteller wagen würden, und die durch die anderen gut herausgearbeiteten Details einer Gesellschaft wie der hier dargestellten gerechtfertigt wird.
Kürzlich hatte ich eine großartige Gelegenheit, festzustellen, was für ein ausgezeichneter Kurzgeschichtenautor Pohl ist. Bevor ich meine Auswahl für dieses Buch traf, las ich jedes Wort in den acht Kurzgeschichtensammlungen von Pohl. Das waren etwa eine halbe Million Wörter.
Bis dahin war ich der Ansicht gewesen, daß es unmöglich ist, eine Sammlung von Kurzgeschichten eines einzigen Autors in einem Zug zu lesen. Solche kurzen Werke sind ja nicht dazu bestimmt, hintereinander gelesen zu werden, sondern sie erscheinen monatlich in Magazinen. Die meisten Autoren neigen dazu, sich auf gewisse Themen zu spezialisieren, oder sie können einem besonderen Typus von Stories am besten gerecht werden. Wenn man nun mehrere ihrer Geschichten hintereinander liest, werden diese Eigenheiten zu offenkundig, und man findet die vielen Wiederholungen langweilig.
Aus diesem Grund ging ich eher widerstrebend an meine Aufgabe. Ich nahm mir vor, erst einmal ein Buch zu lesen, dann eine Woche zu warten und mir danach das nächste vorzunehmen.
Aber das klappte nicht. Ich las alle acht Bücher in weniger als einer Woche - und stellte fest, daß ich jede einzelne Story genoß. Ich langweilte mich kein einziges Mal und freute mich bei jedem Buch schon auf das nächste.
Die Geschichten in dieser Sammlung erschienen alle zwischen 1954 und 1967. Auch danach wurden hervorragende Stories veröffentlicht, aber ich bin wie Frederik Pohl der Meinung, daß wir erst einmal eine gewisse Zeitspanne abwarten müßten, um herauszufinden, welche dieser Werke von bleibender Wirkung sein würden und zu den besten gezählt werden dürften. Vorläufig betrachte ich die Geschichten in diesem Band als seine besten. Sie wurden aus einer reichhaltigen Produktion ausgewählt, die oft genug als beachtenswert bezeichnet werden kann. Wahrscheinlich hätten andere Leser sich für andere Stories entschieden - es gibt so viele, daß einem die Wahl schwerfällt. Aber ich habe diese hier nach langer Überlegung ausgesucht.
Während ich die Bücher las, legte ich eine Liste der Geschichten an, die in die engere Wahl kamen, und trug die übrigen in eine Liste mit der Überschrift »Die zweitbesten Stories« ein. Aber auch das funktionierte nicht. Meine Liste der SpitzenStories war doppelt so lang, wie es der Umfang des Buches gestattete. Also mußte ich mehrere Geschichten aussortieren, und es tat mir um jede einzelne leid.
Es war kein Problem, die Erzählungen so auszuwählen, daß verschiedene Themen angeschnitten wurden. Dafür hatte schon Pohl gesorgt.
Die Verschiedenartigkeit seiner Kurzgeschichten scheint keine Grenzen zu haben. Die Länge variiert zwischen 1500 und 21 000 Wörtern, und das ist noch das kleinste Element ihrer Mannigfaltigkeit. Manche können satirisch genannt werden, wie Die Midas-Seuche, aber sie besitzen nicht jenes kalte sardonische Flair, das in dieser oft mißbrauchten Literaturform so gebräuchlich ist. Pohl identifiziert sich mit der Kultur, die er jeweils beschreibt. Er mag sie sardonisch oder amüsiert betrachten, aber er fühlt sich selbst als Teil der Thematik, die er als Zerrspiegel der Realität benutzt.
Manche Stories haben ganz besondere Schlußgags - vor allem die kürzeren, wie es auch sein sollte. Aber der Gag darf die Leser nicht überraschen, sondern zu einer raschen pointierten Lösung des jeweiligen Problems führen, die immer vollauf befriedigend wirkt. Und es ist immer mehr als nur ein Gag. Zum Beispiel basiert Grandy Devil (Der teuflische Großvater) auf einem hinreißenden Familienmitglied, das seltsamerweise unsterblich ist. The Tunnel Under the World (Ein Tunnel unter der Welt) ist eine Geschichte des Grauens und des Mitleids - eine merkwürdige Kombination von Emotionen. The Hated (Die Verhaßten) hätte eine simple Action-Story werden können, aber die Helden, die uns hier präsentiert werden, engagieren sich in einem ganz speziellen Kampf mit ihrer Umwelt.
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