Nicht, dass wir es schon zu Pflugscharen umgeschmiedet hätten
Wie Sie und andere das ja seinerzeit gefordert haben
So weit wollen wir ja nicht gehen
Aber ein Schwert ist ein Schwert
und das mitten in der City
Es heisst, Sie seien ein friedfertiger Mensch
so ganz sicher bin ich mir da nicht
Wenn ich so lese
was Sie alles angestellt haben in der Vergangenheit
die Kriege
die Schlachten
Wie war das noch in ihren Glaubenskriegen?
Bis heute
weltweit
das ist doch eine deutliche Marke
Und bei Kappel?
Aber Zürich ist nicht nur nachtragend
Nein, eine gewisse Grosszügigkeit ist uns eigen
Ja, Herr Zwingli
Es muss für Sie nicht einfach sein
Hier zu stehen
und zuzuhören
was Touristen und Städter
edel und weniger edel
von Kirche und Kultur so halten
und meinen von Ihnen und Ihresgleichen
Aber die Zeiten
wo man
wie Ihr Kollege Herr Martin
einfach Thesen an die Tür schlagen konnte
die sind vorbei
und werden nicht wieder kommen
Es wird auch kein zweites Mal geben
dass wir Sie verschieben
Das verstehen Sie doch, Herr Zwingli?
Damals war es möglich
Kultur erlebbar zu machen
Das wollte man
als man Sie in den Kreis 5 gefahren hat
Heute muss alles seinen Platz haben und nicht mehr viel Neues
Sie verstehen
Wir sind in den mageren Jahren
Nicht aus Not
nein, aus Staatstugend
und wegen des Marktes
Das ist jetzt unser neuer Heiliger
Aber das verstehen Sie ja nicht
Wie sollten Sie auch?
Ach, Herr Zwingli
besondere Mühe machen Sie uns, wenn Sie zum Eigenschaftswort werden
Ja, tatsächlich
zwinglianisch ist out
Man ist so stolz
dass man das nicht mehr nötig hat
Mag hart sein für Sie
aber so ist es
Aber eben, das verstehen Sie ja nicht
Was – zum Teufel – entschuldigen Sie –
war denn heute Nacht bei Ihnen los?
Es gab Reklamationen in der Nacht
ja sicher
wir Zürcher kennen da nichts
Nach 24 Uhr und noch lachen?
Nach 2 Uhr und noch Alkohol ausschenken?
Jetzt haben wir Sie doch extra kommen lassen, damit Sie dem Einhalt gebieten
Und was kommt?
So ist es eben nicht mehr
Wer sich aufregt, ist selbst schuld
Die Party beginnt doch erst um Mitternacht
Der Alkohol ist doch dann besser
Sie fragten nach, Herr Zwingli
was das denn sei
Ein fröhliches Völklein aus der Innerschweiz, das nichts weiss
von unseren Regeln, den Stat(d)tregeln!
Aha, Fasnacht, sagen Sie
was soll denn das sein?
Das kennen wir in Zürich nicht
Das brauchen wir in Zürich nicht
Das wollen wir in Zürich nicht
Fertig!
Falsch, Herr Zwingli, das ist doch völlig okay, sagen wir
Auch Fasnacht darf sein
Wir bringen sie zwar nicht so richtig hin
aber es gibt sie
Aber eben, Sie verstehen das ja nicht
Und, Sie fragen weiter
gestern war doch noch alles in Ordnung
und jetzt ist der Teufel los
Ja, tatsächlich: Teufel sagten Sie!
Da wunderten Sie sich mächtig
Es seien die Vermummten, sagt man
Woher die nur kommen mögen?
Aus unserer Stadt auf alle Fälle nicht
Das wissen wir zu verbieten
Und das alle Jahre zur selben Zeit
Mal am 1. Mai
Mal zwischendurch
Und sie sind unflätig
Was nur sollen wir tun?
Sie verschwinden schon wieder
zum Glück,
aber zuerst bringen sie alles durcheinander
ziehen durchs Dörfli
durch die Bahnhofstrasse
durch die Langstrasse
Sie dürfen das nicht, nein, da sind wir einer Meinung
Aber alles andere verstehen Sie ja nicht
Wir übrigens auch nicht
Und dann, ich verstehe ja, dass das nicht einfach ist für Sie
Kommen einmal im Jahr so viele daher, dass Ihr Standort gefährdet ist
Und sie sind nackt
Fast jedenfalls
Oder ein bisschen angezogen
Oder ein bisschen angemalt
Und sie tanzen tanzen tanzen
Und es ist ein Krach, jammern Sie
Nein, das ist Musik, werter Herr Zwingli
Aber das verstehen Sie ja nicht
Wer das nur wieder aufwischen wird?
Und was das kosten wird?
Und überhaupt
sie trinken
viel in der Regel
Und was dann kommt
das weiss man ja
Sehen Sie, das ist eben heute anders
Die Hotels sind zufrieden
Die Bars auch
Ihr Geist ist nicht mehr gefragt
Sie werden da stehen bleiben
wenn Sie sich ruhig verhalten
Keine moralische Rede bitte
Das geht uns auf den Wecker
Wir sind jetzt nämlich anders
Fröhlich
Weltoffen
Lustig
Ich bitte Sie, Herr Zwingli, respektieren Sie das oder … oder … oder
Sie verstehen, oder?
Guten Tag, Herr Escher
Ich hoffe, Sie haben nach wie vor die Übersicht
Der Platz ist ja ausgezeichnet gewählt
Sie stehen so quasi an bester Adresse
Weltweit gesehen
das müssen Sie wissen
Zu Beginn oder am Ende – das ist Ansichtssache – der Bahnhofstrasse
Das ist Toplage
Würde man Ihren Standort kapitalisieren
und das machen wir eigentlich jetzt überall und immer
Sie wären nicht mehr da
Sie wären nicht mehr zu finanzieren
Und rentieren würden Sie ja sowieso nicht
Einfach nur dazustehen war ja auch nicht Ihre Art
Das ist erst nach dem Tod so verfügt worden
Sie waren ein Macher
ein Entwickler
ein moderner Mensch
Ihnen war kein Hindernis zu aufwendig
keine Distanz unüberwindbar
Sie haben durchdrungen
überwunden
geplant
gebaut
Sie wollten eine offene Schweiz
Eine Transitschweiz auch
Da sollte die Welt verkehren
hinkommen, durchreisen
dableiben
Sie hatten wohl, was man heute eine Vision nennt
Und haben dafür investiert und gearbeitet
Heute ist in Ihrem Rücken der Hauptbahnhof
und Sie hören
und spüren ja wohl auch
die Erschütterungen aus dem Untergrund
Wir bauen nämlich weiter
Neue Transitlinien
Neue Möglichkeiten
Schneller muss es auch werden
Ich nehme gern an, dass Ihnen das gefällt
Ich würde mich schon gern mit Ihnen unterhalten
darüber, wie Sie die Situation einschätzen
hier und heute
Sie haben ja nichts mehr zu lachen
bei diesen Bodenpreisen an der Bahnhofstrasse
Sie beobachten ja
es kommen nur noch Filialen internationaler Geschäfte
in Ihre Nähe
Stinkt Ihnen das?
Man munkelt
dass Sie nachts auch schon mal
vom Sockel herunterstiegen und bis zum Paradeplatz spazierten
Dort hätten Sie die Börsenkurse studiert
die im Fenster hängen
und den Kopf geschüttelt
Ja, Sie seien sogar bis zu Ganymed gegangen
und hätten sich mit ihm, dem Träumer
unterhalten
Worüber denn? Das interessiert mich schon
Haben Sie philosophiert über das Machen und das Sein
das Haben und das Sein
die Grenzen und den Wahn
die Lebensqualität und die Lebensquantität?
Ich meine, bei Ihnen liegen ja diese Themen drin
Sie waren nicht nur der Macher
Sie waren auch ein Mahner
Manchmal mindestens
Das steht Ihnen heute nicht gut
Herr Escher, Sie sind zweihundert Jahre bald über Ihrer Zeit
da bringt man leicht die Zeiten durcheinander
vergisst, was gestern war und morgen möglich ist
Sie haben – so meinen die, die das Sagen haben – da nichts mehr zu sagen
Sie sollen kürzlich nächtlicherweile gerufen haben
dass es früher schon klarer gewesen sei
wer wohin gehöre
wer mit Arbeit reich werde
und wer nur mit Spekulation
und wer es wirklich verdiene
Читать дальше