Sylvia Kabus - Verschwunden

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Mit brennender Aufmerksamkeit erwarteten Gewaltbetroffene in der DDR nach 1989 die gesellschaftliche Aufklärung von Kindesfortnahme, Heimerziehung und Zwangsadoption, trafen jedoch weiterhin auf angespanntes Schweigen. Auch westdeutsche Opfer erlebten erst um 2010 den Beginn differenzierter öffentlicher Thematisierung, Jahrzehnte nach ersten Initiativen gegen autoritären Umgang und Gewalt in der Jugendfürsorge. Personalkontinuitäten im Osten und die staatliche Verhinderung von Akteneinsicht hier wie da führen zu beklemmender Blockierung. Die Mitte des Leids bleibt gemieden.
Ein toter Punkt ist zu überwinden. Dieses Buch verbindet persönlich berichtetes Schicksal, archivalische Quellenforschung und erzählte Lebensräume. Als ein Novum beschreibt es die Chronologie konfliktreicher Begegnungen mit amtlich Verantwortlichen von einst und jetzt sowie die Abwehr anstehender Aufarbeitung.

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Sie geht erneut hin, und wieder. Sie kann gar nicht anders, angesichts der betäubenden Leere, die sich auftut. Sie verlangt, dass die Leiterin kommt und sich stellt.

Unmöglich. Die Leiterin lässt sich nicht mehr sprechen.

»Es war eine Entführung. Später, irgendwann nach Neunundachtzig, war auch die Kindereinrichtung abgerissen. Nein. Zu mir ist niemand gekommen nach dem Ende der DDR«, sagt sie. Und auch: »Die sind alle weg, obwohl sie alle da sind.«

Damals forderte sie eine Erklärung von ihrer Stiefmutter. »Wo ist meine Tochter?« Und blieb ohne Antwort.

»Ich bin zum Jugendamt gerannt. Die haben mich voll rausgeschmissen: Sie können das Kind nicht erziehen. Das brauche ich Ihnen nicht zu erklären, das geht Sie nichts an.«

»Wieso geht mich das nichts an!«

»Mit Ihnen diskutiere ich nicht.«

»Das ist mein erstes Kind! Haben Sie gehört? Mein erstes Kind!«

Die Gesprächsabläufe sind nur zu glaubwürdig, in Konfliktfällen mit dem Staat zahllose Male erfahren.

In Frau S. ist die Fassungslosigkeit geblieben. Die erbitterte Klarheit. Jede Empfindung von damals.

»Stur. So stur. Die Frau im Jugendamt war so böse mit mir!«, sagt sie hochrot. »Ich habe mich gewehrt. Mein Kind hat alles, ich kann es dem Staat vorweisen. Bett, Versorgung, zu essen, einen eigenen Schrank, alles Geforderte!«

Jetzt, hinterher, nicht vorher, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, kommen Behördenmitarbeiter sich ihre Wohnung ansehen und bestätigen, es ist alles Nötige da.

»Das darf doch nicht wahr sein«, sagt jemand vom Amt.

»Eigentlich waren sie entsetzt. Aber was weg ist, beißt nicht mehr.«

Sie antwortet ihnen: »Gottes Mühlen mahlen langsam, aber dann schrecklich.« Und: »Sie müsste man eigentlich schlagen für jede Lüge, die sie meiner Stiefmutter glauben.«

»Na, sagen Sie mal!«, wundern sich die Fürsorger.

»Der Richter wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte«, sagt sie.

Doch sie glauben dem Amt. Ruth.

»Sie wollen doch nicht sagen, dass diese Frau im Recht ist?«, hält Frau S. ihnen entgegen.

»Da können wir nichts machen.«

»Das war die größte Frechheit des Jugendamtes«, sagt sie, »zu behaupten, ich hätte mein Kind alleingelassen.«

Sie bricht zusammen bei der Arbeit. Der Chef schickt sie heim. Es kommt zu einer Verhandlung.

»Mein Kind hatte alles«, wiederholt sie. Sie bietet Nachbarn und Bekannte als Zeugen auf. Sie legt ihre Auszeichnungen vor. Sie setzt durch, dass Jugendhilfemitarbeiter mit zu ihrem Chef kommen, der ihre tadellose Arbeit bestätigt.

»Trotzdem haben sie mir nicht beigestanden.«

Man sprach nicht mit ihr. Vorher nicht, danach nicht, jetzt nicht. Es gab kein »Beratungskonzept« für die jungen Eltern, keine Hilfe. Kein Gehör.

Doch der Staat will ihre Zustimmung zu dem, was geschehen ist, ihre Unterschrift.

Sie lehnt immer wieder ab, eine Weile geht das so hin, mit ihrer Verweigerung. Schließlich wird sie ins Jugendamt Taucha bestellt. Dort sind auch Polizisten anwesend.

Sie fragt sofort, was sie damit zu tun hätten.

Frau S. hat eine schnell erfassende Art, durchschaut Vorgänge und spricht sie laut aus. Wie gegen böse Geister.

»Entweder Sie setzen sich hin und hören zu, oder ...«

Sie bleibt stehen und schreit los, dass sie nie und nimmer unterschreibt.

»Wer hier was zu sagen hat, das sind wir!«, ist die Antwort. »Klack. Da gehen Sie in den Knast, wenn Sie so saudämlich sind.«

Sie sagt immer wieder nein.

»Gut, da gehe ich in den Knast.«

Handschellen lagen da, als sie kam. Sie sollte sie sehen. Für den Staat gab es nichts zu besprechen. Sie sind mehrere gegen eine, da ist es möglich, dass Worte nichts mehr bringen.

»Ich hatte schon die Handschellen um.«

Für den Arzt und Psychotherapeuten Karl-Heinz Bomberg bilden Menschen, die der repressive SED-Staat aufgrund bestimmter Verhaltensweisen, die zum Beispiel als Asozialität oder staatsfeindliche Hetze ausgelegt oder fehlgedeutet wurden, eine der Hauptgruppen politisch Verfolgter.7 Wer durch häusliche Gewalt bereits Urvertrauen verloren habe, nicht auf positive Erfahrungen zurückgreifen könne, müsse erst recht entschädigt werden. Das Gegenteil sei leider oft der Fall.8 Was erlebte Frau S. durch das schocktraumatische Verschwinden ihres Kindes? Die Verweigerung menschlicher Achtung, den Einsatz von Gewalt. Angst. Rufzerstörung. Methoden, welche die »Grundsäulen des Selbstwerterlebens« (Bomberg, 2011) schädigen sollten und auch ohne Staatssicherheit Bestandteil perfektionierter operativer Psychologie oder Zersetzungskunst waren.

Dazu die Stiefmutter. Was hatte sie davon, das eigene Enkelkind, das, wie sie selbst wusste, nicht vernachlässigt war, auszuliefern? Rache für die Unabhängigkeit der jungen Frau? Für ihren Widerstand, den Aufbau eines eigenen Lebens?

»Von Rechts wegen«, sagt Frau S., »hätte meine Stiefmutter mein Kind nicht abholen dürfen, nicht ohne meine Vollmacht. Das war undenkbar. Aber sie hat sich von jeher gebrüstet, dass sie immer wieder Kinder weggeholt habe. Sie ging zum Jugendamt, erzählte ich weiß nicht was, danach wurden sie abgeholt. Die haben ihr geglaubt, oder sie hatte einen bestimmten Einfluss. Wen hätte man da eigentlich wegsperren müssen?«

Ihre strahlende Vehemenz nach Jahrzehnten. Aber auch Panik, die wieder hochsteigt, vor einer irrationalen Kraft wie der Denunziation? Vor urplötzlicher Ent-Machtung? Einem Überfall von irgendwo her?

Wie sollte sie die nicht haben? Oder gar befreit sein, wo nichts ans Licht geholt ist, Ungelöstes als geregelt gilt. »Ein negatives Erbe, das niemand haben will, aber keiner ausschlagen darf und kann, weil es untrennbar Bestandteil der deutschen Geschichte ist ...«9 »Wenn sie wüsste, dass ich sie gefunden habe, dass ich meine Tochter gefunden habe«, sagt sie immer wieder. Aufmerksam sieht sie mich an, offenbar kann sie Gedanken lesen: »Wenn Sie meine Stiefmutter kennen würden ... Sie würden sich auch fürchten.«

Auch sie erlebte die damalige Verantwortliche in der Jugendhilfe Leipzig-Schönefeld, von der Herr K. sprach. »Man hatte noch gar nichts gesagt: Halten Sie den Mund. Nur Einschüchterung. Sofort kam sie damit, dass sie einen einsperren. Von mir aus. Dann sperren Sie mich eben ein«, antwortete sie damals, und bestätigt: »Ja, es stimmt. Nach Neunundachtzig war die Frau weg wie nichts.«

Ihre Verlobung zerbricht nach dem Schock des Verschwindens der Tochter.

Sie suchte nach ihr von 1977 bis 2005.

Machtlose Jahre. Nach 1989 nimmt sie den Kampf erneut auf. Noch einmal vergehen sechs Jahre. Sie lernt die Nachwende-Ämter kennen und deren Personalkontinuitäten. Ein Schlaganfall folgt dem nächsten, sie ist halbseitig gelähmt. »Die Druckmittel waren existentiell, psychologisch und moralisch so umfassend, dass sie bei den meisten Menschen ernste Folgen verursachen mussten.«10 Die Stiefmutter bleibt eine Angstgegnerin. Doch warum beraubte sie sich des eigenen Stiefenkels? Zerstörungsdrang? Gehörte er zum Halbdunkel des Lebens in der DDR? Weckte die allgegenwärtige Nötigung zum »Mitmachen« derartig paradoxe, selbstschädigende Regungen?

Selbst in einem entschlossenen Menschen wie Frau S. lebt Angst nach erlittener Denunziation weiter. Schatten dieser Art haben eine lange Halbwertzeit; auch wenn bekannt ist, wer jemanden bezichtigte, bleibt etwas Gesichtsloses. Diese intensive Nachwirkung ist nur mit einem Lebensalltag zu erklären, in dem Recht hinter aufgezwungene Ideologie zurücktrat und selbst bei Beweisen staatlicher Fehleinschätzungen und -urteile keine Korrektur erfolgte. Edith Könze, ehemalige Journalistin und jahrzehntelang Mitarbeiterin der Arbeiter- und Bauerninspektion, einem DDR-Kontrollorgan mit Wurzelmyzel in viele Alltagsbereiche des Lebens hinein, bestätigte mir in zahlreichen persönlichen Gesprächen, dass es im Jugendhilfe-Bereich regelmäßig Denunziationen gab und danach »nicht lange gefackelt« worden sei. »Wenn da einer was sah, in der Nachbarschaft oder irgendwo, ging es ruckzuck. Das war rabiat, lange gefragt wurde nicht.« Oftmals sei die tatsächliche Situation gar nicht klar erwiesen gewesen und wurde nicht nachgeprüft, Anschuldigungen genügten für das, was sie »kurzen Prozess« nennt: fehlendes Gespräch und Vergewisserung, Entzug von Erziehungsrecht, Heimeinweisung, erzwungene Adoption.

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