1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 Damit meine ich Folgendes: Wenn jemand Sie nach Ihrem Namen fragt, antworten Sie, ohne zu zögern. Die Antwort kommt sicher und automatisch. Werden Sie aber im Laufe des Tages nach Ihrem Frühstück gefragt, kommt es zu einer kleinen Lücke in Ihrem Denken, während Ihr Verstand die Antwort sucht. Ist die Frage schwieriger, dann braucht der Verstand länger für die Antwort. Das heißt, der Verstand wartet auf die Antwort, die aus dieser Stille heraus Form annimmt. Der Verstand selbst bringt also nicht die Antworten hervor. Er bringt gar nichts hervor. Er gibt nur wieder, was im Selbst erschaffen wird. Für den Verstand ist das eine bittere Pille, die er da zu schlucken hat, denn er ist in die Illusion verliebt, er sei der Schöpfer.
Unser Verstand – immer bestrebt, die Antwort parat zu haben – wird ungeduldig bei dem, was ihm als Zeitverschwendung erscheint. Unsere ständige Denkaktivität ist wie eine Nebelwand, die die Tatsache zu vertuschen sucht, dass Schöpfung, der schöpferische, kreative Akt oder Moment, aus der Stille kommt und nicht aus der Aktivität. Der Verstand will nach der Antwort greifen und damit noch stärker dirigieren und kontrollieren. Der in diesem Sinne unachtsame Verstand ist unnütz und richtet eher Schaden an.
Wenn Sie Ihren Verstand fragen: „Woher kommt mein nächster Gedanke?“, ist er gezwungen, innezuhalten und achtsam zu sein. Von seinem Wesen her neigt er dazu, sich den ersten auftauchenden Gedanken zu schnappen und damit davonzusausen. Doch falls Sie dieser Neigung, „produktiv“ zu sein, widerstehen und genau hinschauen, woher Ihr nächster Gedanke wirklich kommt, werden Sie mit einem kurzen Blick auf Ihr Selbst belohnt, mit einer erfrischenden Pause. Sie haben dann die Antwort gefunden auf die Frage: „Was wollen Sie?“ Es ist die Antwort auf Ihre Ausgangsfrage: „Was ist mein tiefster Wunsch?“ Die Keimzelle aller anderen Wünsche und gleichzeitig die Pein des ewig rastlosen Verstandes ist diese tiefe Sehnsucht, das eigene Selbst zu kennen.
Da Sie nun wissen, woher die Gedanken kommen, empfehle ich Ihnen, diese einfache Erfahrung einmal pro Stunde jeweils eine Minute lang durchzuführen. Nehmen Sie sich einmal stündlich irgendwann eine Minute Zeit und halten Sie Ihr Denken an. (Falls Ihnen das nicht möglich ist, machen Sie die Übung nur dann, wenn Sie können, und dafür länger: etwa fünf oder zehn oder sogar zwanzig Minuten lang. Allerdings sind kürzere und häufigere „Besuche“ bei Ihrem Selbst für unseren Zweck günstiger.)
Kämpfen Sie nicht dagegen an, wenn sich andere Gedanken aufdrängen. Die werden immer auftauchen, weil es nun einmal das Wesen des Verstandes ist, zu denken. Stellen Sie einfach mit vollständigem Gewahrsein immer wieder die besagte Frage, bis die Zeit um ist. Bleiben Sie dran, Sie werden es nicht bereuen. Anfangs werden Sie wahrscheinlich Ihre Augen schließen müssen, doch recht schnell werden Sie die Frage mit offenen Augen stellen können. Und schon bald werden Sie diese Erfahrung machen können, während Sie Auto fahren, sich mit einer Nachbarin unterhalten oder sich am Arbeitsplatz einem dringenden Projekt widmen. Es wird nicht lange dauern, bis Sie feststellen, wie sehr diese harmlose Erfahrung Ihr Leben verändern kann. Sie brauchen nicht mehr zu tun, als regelmäßig die Lücke zwischen Ihren Gedanken zu beobachten; für den Rest ist gesorgt. Sie werden entspannter, kreativer, energiegeladener und freundlicher sein. Nach wenigen Tagen werden Sie ein Gefühl tieferen Friedens wahrnehmen. Nach einigen weiteren Tagen wird die Erfahrung sich mühelos einstellen. Sobald das der Fall ist, ist es wichtig, die eine Minute pro Stunde beizubehalten und die spontanen Besuche Ihres Selbst als Segen zu betrachten. Nach einer gewissen Zeit werden Sie Momentum erreichen, also an den Punkt kommen, dass der Friede von selbst wieder eintritt, wenn er weg war. Nun brauchen Sie sich nur noch zurückzulehnen und die Reise zu genießen.
Rückblickend fasse ich kurz zusammen:
Wenn wir das Selbst vergessen, vergessen wir, dass die Gedanken aus dem „ICH BIN“ erschaffen werden. Sobald das geschieht, identifizieren wir uns mit unseren Gedanken und Gefühlen. In der Aussage „Ich bin wütend“ identifizieren wir uns mit der Wut. Dann sind wir dem verhaftet, was die Wut mit sich bringt: Verletzung, Frustration, Rache … Von hier ist es nur ein kleiner Schritt in einen massiven Ringkampf mit unseren Gedanken und Gefühlen. Diesen Kampf können wir nicht gewinnen. Das Problem ist, dass wir glauben, unser Verstand zu sein; damit kommen wir in große Schwierigkeiten.
Das Selbst bringt den Verstand hervor, nicht umgekehrt. Ihr Selbst hat die Intelligenz. Ihr Verstand ist nur ein Werkzeug, das Sie nutzen, um Dinge auszuführen. Solange das Selbst den Verstand nicht anleitet und überwacht, funktioniert der Verstand „auf Autopilot“. Er meint zu wissen, was er tut, doch das ist nur eine Illusion.
„ICH BIN“ – der universelle Heiler
Ich habe einige provokative Behauptungen aufgestellt. Die wohl leidenschaftlichste davon war, dass die Menschen nur deshalb leiden, weil sie ihres Selbst nicht gewahr sind. Und Selbst-Gewahrsein beendet das Leiden. Lassen Sie uns nun einmal schauen, ob wir diese Worte untermauern und unser Gewahrsein auf unser Selbst richten können.
Führen Sie die Erfahrung 1 noch einige Male durch! Ihre Aufmerksamkeit sollte mit einem klareren, wenn nicht sogar längeren Blick auf die Lücke zwischen Ihren Gedanken belohnt werden … – Diese Lücke mag nur eine oder zwei Sekunden gedauert haben, doch sie war da. Ja, sie war da, doch was ist sie? Diese Lücke ist reines Gewahrsein; Gewahrsein des Nichts. Als Sie dieser Lücke gewahr wurden, konnten Sie sagen: „Ich nehme nichts wahr“ oder „Ich bin des Nichts gewahr“. Das Nichts ist reines Gewahrsein und das „ICH BIN“ ist das Selbst. Der Wagen, die Pferde und der Kutscher waren alle verschwunden und hatten den Fahrgast in diesem Augenblick mit sich selbst, dem Selbst, allein gelassen.
Hier kommt nun die große Preisfrage: Als Sie mit Ihrem Selbst allein waren, zwischen den Gedanken, waren da irgendwelche aufwühlenden Gefühle? Erinnern Sie sich an irgendeine Art von Unbehagen? – Nichts dergleichen, nicht wahr? Und falls Sie die Lücke wirklich genau beobachtet haben, könnten Sie festgestellt haben, dass Sie sich ein wenig friedlicher fühlten. Nur zu, probieren Sie es noch einmal! Es funktioniert jedes Mal. Es ist unmöglich, wütend, traurig, besorgt, schuldbewusst oder irgendwie negativ zu sein und gleichzeitig des inneren Selbst ganz gewahr zu sein. Unmöglich!
Das ist nicht einfach eine Irreführung. Sobald Sie mehr „Nicht-Denken“ erleben, empfinden Sie weniger disharmonische Gedanken und Gefühle. Weniger disharmonische Gedanken und Gefühle bedeuten klareres, eher wohlwollendes Denken und bessere Problemlösungsfähigkeit. Menschen, die Ihrem Selbst regelmäßig Zeit widmen, leben länger, friedlicher und dynamischer, als wenn sie das nicht täten. Und sie verursachen uns Übrigen weniger Probleme.
Nun mögen Sie fragen: „Wie kann ich durchs Leben gehen, ohne zu denken? Werde ich da nicht nur ziellos umhertappen und gegen Dinge stoßen?“
Machen Sie sich bereit für das Unglaubliche: Sie können beides – Sie können Ihres Selbst gewahr sein, während Sie gleichzeitig denken und fühlen und Kinder aufziehen. Ja, Sie werden sogar bei den profansten Haushaltspflichten mehr Freude empfinden, wenn Sie dabei des „unsinkbaren“ Selbst gewahr sind.
Ihres Selbst gewahr zu sein, während Sie Ihren Tätigkeiten nachgehen, das ist die Erfüllung Ihres tiefsten Wunsches.
Sie sehen, Sie können auf zwei Hochzeiten tanzen. Doch bevor wir diese Idee, dieses Konzept besser in den Griff bekommen, müssen wir noch ein wenig an den Grundlagen arbeiten. Ich bitte Sie, weiterhin ungefähr eine Minute pro Stunde Ihr Denken anzuhalten. Achten Sie darauf, wie das regelmäßige Erfahren des Selbst Ihr Leben verändert. Falls Sie irgendwann eine Form von Negativität erleben, erinnern Sie sich einfach daran, Erfahrung 1 häufig durchzuführen. Wenden Sie die Übung nicht an, um die Negativität zu bekämpfen. Das wird nicht klappen. Machen Sie einfach die Erfahrung und achten Sie auf alle Veränderungen. Verhindern Sie die Erfahrung nicht, beobachten Sie sie. Von Ihrem Üben werden Sie doppelt profitieren, weil dadurch auch der Inhalt der nächsten Kapitel für Sie mehr Sinn ergibt. Danach sind Sie bereit für weitere Erfahrungen.
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