„Mein Papa sagte mir, dass in diesem Land alle gleich sind
Man arbeitet für seinen Dollar und steht dafür gerade,
Wenn die Dinge schiefgehen.
Und jetzt sehe ich wie die großen Tiere im Fernsehen winseln,
Dass sie ihre Milliarden verlieren und es liegt an mir und dir
Denen zur Rettung angelaufen zu kommen.
Nun Verzeihung, dass ich keine Träne vergieße.
Denn sie verkaufen Märchen und wir nehmen das hier nicht ab.
Denn in der echten Welt wird Detroit stillgelegt,
Während der Boss seine Prämie kassiert und wegjettet.
DC rettet all die Banker und guckt zu, wie die Bauern ihr Land versteigern.
Ja, während man in der New Yorker Wall Street sich austobt,
Wird hier in der echten Welt Detroit stillgelegt.“
Auf der rechten Seite wittern viele, dass das Land der Chancengleichheit nicht mehr wirklich allen eine Chance bietet. Auf der linken Seite ahnen viele, dass eine kleine herrschende Klasse – das obere Ein-Prozent, wie die Occupy-Wall-Street-Bewegung sie bezeichnete – alle anderen, die restlichen 99-Prozent, ausbeutet. Rechts und links gibt es wesentliche Unzufriedenheit und beträchtliche Verärgerung über eine distanzierte Elite in Politik und Wirtschaft, die das schöne Leben genießt und sich um ihre eigenen Interessen kümmert. Aber diese Entfremdung hat noch tiefere Wurzeln. Im Folgenden möchte ich mich auf drei konzentrieren: den Verwaltungsstaat, die Herrschaft der Juristen, und den Verlust an Freiheit durch Identity Politics und politische Korrektheit. Hinter all dem lauert die vorhin angedeutete Weltanschauungskluft zwischen einer zum großen Teil traditionalistischen Bevölkerung und einer postmodern-progressiven Elite.
Der Verwaltungsstaat und das Schwinden der Demokratie
In den USA breitet sich der Verwaltungsstaat schon mehr als 100 Jahre lang aus. Die Bürokratisierung der Herrschaft, d.h., die zunehmende Ausübung von politischer Macht durch Bürokraten und Fachleute, hat ein Ausmaß erlangt, dass man langsam den Punkt erreicht, an dem Beamte de facto die legislative Gewalt ausüben, für die nach der amerikanischen Verfassung die gewählten Kongressmitglieder verantwortlich sind, die Politiker also, die regelmäßig durch Wahlen dem Volk gegenüber Rechenschaft ablegen müssen. Schon seit mehr als 100 Jahren, seit den Präsidentschaften von Theodore Roosevelt und Woodrow Wilson am Anfang des 20. Jahrhunderts, wächst der Verwaltungsstaat in den Vereinigten Staaten fast ununterbrochen. In dieser Zeit machte der Bürokratiestaat große Sprünge nach vorn, vor allem während der Amtszeiten von Franklin Delano Roosevelt, Lyndon Johnson, Richard Nixon und Barack Obama. Unter Barack Obama, der in Deutschland immer noch eine unkritische Verehrung genießt, die er niemals verdient hat, ist der Verwaltungsapparat des Staates so explosiv gewachsen, dass nach einer Schätzung von Clyde Wayne Crews auf cato-unbound.org im Jahr 2015 „Verwalter“ dreißig Mal mehr Vorschriften und Regelungen gemacht haben, die das tägliche Leben der Amerikaner mitbestimmen, als der Kongress Gesetze verabschiedet hat.
Aber die Anzahl von Vorschriften und der Überbürokratisierung ist nicht das größte Problem. Das Problem, wie ich vorhin angedeutet habe, ist die mangelnde Rechenschaftspflicht der Beamten und der Einrichtungen, die die Vorschriften machen. Ein Grund, warum das lange Zeit relativ unbemerkt ablief, ist, dass Vorschriften eben als vergleichsweise harmlose „Vorschriften“ daherkommen, obwohl sie eigentlich Gesetze sind. Und der Kongress ist die Einrichtung, die dazu da ist, um die legislative Gewalt auszuüben. Stattdessen, wie Joseph Postell von der University of Colorado bemerkt, „verabschiedet der Kongress Gesetze, die dessen legislative Gewalt auf Ministerien und andere Einrichtungen des Staates übertragen. Diese Ministerien und Einrichtungen, in denen das Personal aus ungewählten Beamten besteht, entwickeln dann die Gesetze, denen [die Bevölkerung] folgen muss.“ Was vielleicht noch schlimmer ist: Viele der Einrichtungen üben die drei Gewalten des Staates – die exekutive, legislative und judikative Gewalt – aus. Sie „sind mit der Gewalt versehen worden, Gesetze zu verabschieden, ihre Einhaltung zu untersuchen sowie zu erzwingen, die mutmaßlichen Verstöße gegen die Gesetze zu verfolgen, und oft sogar über diese mutmaßlichen Verstöße Urteile zu fällen.“
So beschreibt Professor Gary Lawson das Vorgehen einer typischen Instanz des Staates, der Federal Trade Commission (Bundeshandelskommission): „Die Kommission verabschiedet Regelungen. Dann ermächtigt sie Untersuchungen über mögliche Verstöße gegen diese Regelungen; die Kommission führt die Untersuchung dann aus und berichtet über ihre Feststellungen an die Kommission. Die Anklage der Kommission über den Verstoß gegen eine Regelung der Kommission wird dann von der Kommission verfolgt und gerichtlich entschieden. In gewissen Fällen, wenn die gerichtliche Entscheidung der Kommission nachteilig ist, kann die Kommission dann bei der Kommission Berufung einlegen...“ James Madison, einer der amerikanischen Gründerväter und Hauptverfasser der amerikanischen Verfassung, hatte Recht, als er schrieb, dass die Vereinigung aller drei Staatsgewalten in den gleichen Händen „der Inbegriff der Tyrannei“ sei.
Es überrascht also nicht, dass endlich, nach einem Jahrhundert des ständigen Wachstums, die außer Kontrolle geratene Erweiterung des Verwaltungsstaats den Eindruck unter vielen Amerikanern erweckt, dass die USA dabei sind, sich in etwas Unerkennbares zu verwandeln, dass das Amerika des Verwaltungsstaats auf dem Weg ist, ein Land zu werden, das von einer nicht rechenschaftspflichtigen Elite regiert wird, und das wesentlich weniger frei ist. Donald Trump hat Millionen von Anhängern unter der Wählerschaft gewonnen, weil er das Problem der Bürokratisierung der Staatsmacht erkennt und anpacken will. Eines seiner wichtigsten Themen ist die Wiederbehauptung von politischer Kontrolle über die rechenschaftsmangelnden Einrichtungen des Staates und das Abschaffen von niederdrückender Überregulierung. Hillary Clinton hat übrigens nie auch nur angedeutet, dass sie in irgendeiner Form über den Verwaltungsstaat besorgt sei.
Herrschaft durch Juristen
Aber leider begrenzt sich das Phänomen der Herrschaft durch ungewählte Menschen, die sich den Wählern gegenüber nicht verantworten müssen, nicht auf die Ministerien und Einrichtungen der Exekutive.
Eine ebenso besorgniserregende Entwicklung, die die Demokratie in den USA bedroht, ist die wachsende Herrschaft durch Rechtsanwälte und Richter. Ein Schlagwort dafür ist die „lebendige Verfassung“, ein Begriff, der unter Juraprofessoren, Juristen sowie politisch Progressiven große Zustimmung findet. Das Konzept der lebendigen Verfassung wird von uslegal.com auf eine gängige Art definiert: „Die lebendige Verfassung ist ein Terminus, der sich in der Idee gründet, dass die Verfassung der USA relevante Bedeutung außerhalb des ursprünglichen Textes in sich birgt, dass sie ein sich entwickelndes Dokument ist, das sich mit der Zeit verändert, um die Bedürfnisse jeder neuen Generation zu decken. Also muss man die Perspektiven der heutigen Gesellschaft in Betracht ziehen, wenn man wichtige Wendungen und Formulieren in der Verfassung deutet.“ Der Begriff der lebendigen Verfassung, also einer Verfassung, die an und für sich keine Bedeutung hat, die aber ständig neu interpretiert werden muss, um festzustellen, was sie in jedem neuen Zeitabschnitt bedeutet, unterhöhlt im Endeffekt das amerikanische politische System, und zwar völlig. Es verwandelt den amerikanischen Staat in eine inhärent tyrannische Willkürherrschaft der Richter, die die Verfassung nach ihrem eigenen Geschmack uminterpretieren und sich damit faktisch die legislative Gewalt widerrechtlich anmaßen.
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