Babys werden geboren. Sie kommen zur Welt und können grob besehen nicht all zu viel. Sie finden, wenn es gut geht, die Brust, können, wenn es gut geht, schlucken, schreien und quäken ein wenig. Ansonsten liegen sie, wohin man sie auch immer legen mag, einfach herum und das stundenlang. Je nach Gusto schlafen sie auch. Mal länger, mal kürzer.
Was um Himmels Willen sollte irgend jemand von ihnen lernen können?
Wer im ersten Jahr seine Zeit mit ihnen verbracht, sich gekümmert, sie beobachtet, mit ihnen gelebt, gelitten, sich gefreut hat, der wird es, wenn er sich ein wenig die Zeit genommen hat, um darüber nachzudenken, ahnen können oder gar wissen. Den anderen soll dieses Buch helfen.
Dabei ist es egal, ob Ihr Eltern geworden seid oder keine Kinder habt. Zumindest warst du unbestritten selbst ein Baby. Leider hast du das wahrscheinlich schon lange vergessen oder messen dieser Tatsache keine Bedeutung zu. So wie auch ich. Bis ich Vater wurde und während meiner neunmonatigen Elternzeit die Gelegenheit hatte, einige Lektionen in der Schule unseres Babys zu erhalten, nahm ich den Standpunkt ein: Ach ein Baby.
Scheidet als adäquater Gesprächspartner definitiv aus. Kann man mit ihm ein Fußballstadion besuchen? Ein Rock-Konzert? Eine Raucher-Kneipe? Kann man schon. Wenn man egoistisch und verantwortungs-los genug ist. Ich konnte mir das alles nicht so recht vorstellen und nicht zuletzt deswegen dauerte es Jahre über Jahre und noch ein wenig länger, bis ein Nachkömmling in mein Leben trat. Die nächsten Monate war ich beschäftigt mit den Herausforderungen des Baby-Alltags, zugegebenermaßen nicht an vorderster Front, aber in der Etappe. Backup, Logistik, Handlangerdienste, Springer, Notnagel. Genug zu tun für meinen Geschmack und die Tage vergingen wie im Flug. Hier noch ein paar Ausflüge, dort noch ein paar Arztbesuche mehr, nie hatte ich Muße und erst jetzt, da sich meine Elternzeit dem Ende entgegen neigt, fiel mir gestern Nacht, da der Schlaf auf sich warten ließ, das Konzept zu diesem Buch ein.
Von Hause aus Lehrer, beschäftigte mich, einen guten Monat vor meiner Rückkehr ins Klassenzimmer, der Gedanke, was ich denn meinen Schülern nach neun Monaten der Absenz im Erstkontakt zum besten geben sollte.
„Hallo, ich bin wieder da. Buch S. 45 Aufgabe 1-3 schriftlich ins Heft“, wäre sicher ein grundsolider, wenn auch wenig pädagogischer Einstieg ins Geschehen. Einige Minuten später lief ein Film vor meinen Augen ab, der wesentlich mehr Überzeugungskraft entfalten konnte. Ich würde den Schülern, deren Verhältnis zur Motivation in etwa der heftig aufflackernden und schnell erkaltenden Beziehung zu einer älteren mit vielen Geschenken beladenen Patentante zu Weihnachten gleicht, von meiner Zeit mit meinem Baby berichten.
Ich würde ihnen erzählen, was sie vergessen hatten beziehungsweise an was sie sich nicht erinnern konnten. Ich würde ihnen vor Augen führen, wer sie waren, bevor sie darüber nachdachten, wer sie sind und was sie in dieser Phase ihres Lebens auszeichnete.
Babypower und -weisheit.
Vielleicht würden sie darüber nachdenken, vielleicht würden sie einen Nutzen daraus ziehen, für die Schule, fürs Leben. Als sich der nächtliche Film dem Ende zuneigte, die Schüler mit konzentriertem Blick an meinen Lippen hingen und ich ergriffen von meinen eigenen Erkenntnissen zur Decke starrend mit Tränen in den Augen für einen Moment innehielt, erhellte mich der Gedanke, dass nicht nur diese Schüler, sondern auch andere in den Genuss kommen sollten, ihr Leben wieder durch eine andere Brille sehen zu können.
Die Brille des Baby-Verstehers, der sich darauf einlässt, was die kleinsten unter den Menschen uns größere lehren können. Machen wir uns also auf die Reise und denkt daran:
Aus welchem Grund ihr letztendlich „Babysophie – Was wir von den Kleinsten Lernen können“ zur Hand nehmt und euch darin versenkt. Tut es mit Freude.
Michael – überzeugter Babysoph :-)
Inhalt
Zufriedenheit
Neugier
Furchtlosigkeit
Bescheidenheit
Umgang mit Frustrationen
Willenskraft
Hilfe einfordern
Freude über das Geglückte und das Geringe
Emotionen zeigen
Kontaktfreude
Leben im Hier und Jetzt – Die Fokussierung auf den Augenblick
Versöhnlichkeit
Wahrhaftigkeit
Babysophie
Das Baby wird geboren. Und es dauert, für die wartenden Eltern eine gefühlte Ewigkeit, in Wirklichkeit in der Regel wenige Sekunden, bis das nach Luft schnappende Würmchen seinen Unmut äußert, indem es herzerweichend schreit. Es brüllt, es zappelt, es ist mit seiner Situation recht unzufrieden.
Nach den wohlig warmen 37 Grad im Körperinneren der Mutter ist zügig erschreckend frisch geworden. Ein Temperatursturz geradezu. Für jemanden, der gerade keine Kleidung zur Hand hat, eine Zumutung.
Als ob das nicht reichen würde, wird als nächstes die Nahrungszufuhr abgeklemmt und mittels Schere unwiderruflich gekappt. Eben noch mit allem versorgt, versiegt dieser Quell. Für jemanden, der gerade keinen Reiseproviant zur Hand hat, ein Affront.
Schließlich ist es zu allem Übel auch noch auf einmal ätzend hell. In Mutters Leib herrschte diese vertraute kuschelige Dunkelheit und dann das. Für die in den Abend- und Nachtstunden Geborenen Halogenstrahler, für die anderen womöglich gleißender Sonnenschein. Und immer direkt ins Gesicht.
Dann das Messen und Wiegen. Gerade noch schwebte man schwerelos im Fruchtwasser, auf einmal hat man ein Gewicht, welches einen gegen den Boden drückt, sodass Bewegung zur Anstrengung wird. War man eben noch murmelig eingerollt, so wird man plötzlich brachial gestreckt. Für jemanden, der sich neun Monate eigentlich ganz wohl gefühlt hat, eine Tour de Force.
Was für eine Tortur. So häuft sich Stein auf Stein der Unzufriedenheit. Das Gebrüll – gerechtfertigt.
Und dann, das Wunder.
Der kleine menschliche Gnubbel wird der Mutter auf den Bauch gelegt und setzt sich kriechend in Bewegung. Die Augen sind geschlossen oder blinzeln leicht, während er sich mit den kleinen Händchen und Füßchen nach oben schafft in Richtung Brust. Der erste Akt des Willens, so scheint es, treibt ihn zum neuen Quell des Lebens. Er findet ihn. Er beginnt zu trinken und nach all der Anstrengung, all dem Belastenden der ersten Minuten in dieser Welt kommt Zufriedenheit über den kleinen Wurm. Die wärmende und für den Säugling gleichwohl wunderbar duftende Haut der Mutter, der dünne Strahl ihrer Milch. Ein wenig Ruhe. Mehr braucht er nicht. Und schließlich schläft er ein.
Wenige Wochen später wird er geschoben von der Eltern Hand in seinem Wagen. Die kleinen Hände ragen in den Himmel, wenn er da so auf seinem Rücken liegt. Unruhig wippt er hin und her. Sein Gesichtlein spiegelt Unrast wider. Seine Augen suchen und erblicken nichts als Blau. Ab und zu blickt ein großer Kopf auf ihn herab und murmelt etwas in sein rollend Bettchen. Auf Dauer etwas wenig Abwechslung, so wohl die Sicht des Säuglings. Ein kurzes Entgleisen der Gesichtszüge hin zu einem Ausdruck, der einen nicht unberührt lassen kann, der zur Handlung auffordert. Und wieder ein kleines Mirakel. Im Vorbeigehen findet sich die Lösung, befriedet sich die Situation in wenigen Momenten.
Die Eltern steuern das Reisegefährt des Babys weg von der gleißenden Sonne in den kühleren Schatten. Sie nehmen das Verdeck ein wenig zurück und das Kleine hält einen Augenblick inne. Die Augen weiten sich und ein Glanz überzieht sein Antlitz. Was ist geschehen?
Gewichen ist das Schwarz des Stoffes und das Blau des Himmels einem grünen Meer, das sich bewegt im sanften Hauch des Windes. Mild raschelnd wogt es hin und her, erfreut das kleine Menschlein spielerisch. Selig folgen die Äuglein dem harmonischen Treiben der Blätterwellen, als ob der grüne Rausch ihm Geschichten zu wispern wüsste.
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