Claudia Philipp
Von Kindern lernen
Friedrich Fröbel und die Erfindung des Kindergartens
Impressum
ISBN 978-3-86408-141-5 (epub) // 978-3-86408-142-2 (epub)
© Vergangenheitsverlag, 2012 – www.vergangenheitsverlag.de
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
www.readbox.net
Inhalt
Einleitung
1.Keimzeit – Kindheit und Jugend Friedrich Fröbels in Oberweißbach und Stadtilm
2.Wachstum – Jahre des Suchens und des Findens
3.Blütezeit – Fröbels pädagogisches Schaffen
4.Früchte – die Spielgaben und Kindergarten-Konzeption
5.Herbst – die späten Jahre
6.Erntezeit – Was von Fröbel übrig blieb
7.Literatur
In der letzten Zeit ist viel diskutiert worden über Formen der Kinderbetreuung, über den Ausbau der Kita-Plätze auf der einen und die Einführung des Betreuungsgeldes auf der anderen Seite, über Bildungsgerechtigkeit und familiäre Bindung. Die Diskussionen zeigen zum einen den bildungspolitischen Handlungsbedarf, der seit der ersten PISA-Studie 2001 offenbar wurde, zum anderen die Pluralität der gesellschaftlichen und politischen Auffassungen von der „richtigen“ (Klein-)Kinderbetreuung. Manche sehen sie nur in der Familie ideal realisiert, andere wiederum versprechen sich mehr soziale Gerechtigkeit durch die flächendeckende Betreuung aller Kinder in den Kindertagesstätten. Wenn nun jedem Kind ein Kita-Platz rechtlich garantiert und gleichzeitig das Betreuungsgeld eingeführt wird, zeigt sich umso mehr der ideologische Grabenkampf zwischen den Verfechtern der häuslichen Erziehung als der einzig wahren und denjenigen, die eine Kita-Betreuung der Kinder nicht nur als eine Errungenschaft für berufstätige Eltern, sondern auch als Teil des Weges aus der deutschen Bildungsmisere und sozialen Not so manchen Kindes sehen.
So hitzig die Diskussion vor allem um die „Herdprämie“ ist, so unangetastet ist die Forderung nach einem Mehr an professioneller Kinderbetreuung. Der Besuch einer Kindertagesstätte ist in Deutschland zwar (noch) nicht Pflicht aber im 21. Jahrhundert fester Bestandteil nahezu jeden Kinderlebens in diesem Land. Hier toben die „Prenzelzwerge“ über Berliner Spielplätze, da haben die „Haselmäuse“ ihren Waldtag oder die „Remmidemmis“ eine Geburtstagsfeier. Es gibt Waldkindergärten, konfessionelle oder städtische Einrichtungen, Montessori-Läden oder Elterninitiativkitas. Die Kita-Landschaft ist bunt.
Dass uns die Existenz des Kindergartens in seiner heutigen Form so selbstverständlich erscheint, liegt wohl daran, dass er inzwischen eine über 170-jährige Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte vorzuweisen hat. Ein reifer, gewachsener Garten also, dessen erste zarte Triebe im Laufe der Jahrzehnte zu lauter bunten Blumen herangewachsen sind, die landauf, landab die Bildungslandschaft prägen. Wer jedoch den ersten Spatenstich zu diesem besonderen Garten wagte, ist trotz der Omnipräsenz der Institution weitgehend unbekannt. Es ist der Pädagoge Friedrich Fröbel, der 1840 im thüringischen Blankenburg den ersten deutschen Kindergarten gründet und damit eine Institution ins Leben ruft mit internationaler Strahlkraft: Vor allem im englischsprachigen Raum findet das Fröbelsche Konzept einer Bildungsstätte für die Kleinsten großen Anklang, die Bezeichnung „Kindergarten“ hält sogar Einzug in die englische Sprache.
Der Person Friedrich Fröbels und seiner Kindergartenpädagogik widmet sich dieser Band und soll ein Beitrag sein, den so verdienstvollen Pädagogen etwas bekannter zu machen.
1.Keimzeit – Kindheit und Jugend Friedrich Fröbels in Oberweißbach und Stadtilm
Als Friedrich Fröbel am 21.04.1782 im thüringischen Oberweißbach das Licht dieser Welt erblickte, war er das sechste und letzte Kind seiner Mutter, die nur wenige Monate nach seiner Geburt an einer Infektion starb. Ihren frühen Tod deutete Fröbel rückblickend in einem Brief an seinen Bruder Christoph als ein allzu plötzliches Entlassenwerden in die „Welt, mit all ihren Mängeln und Gebrechen, Verdorben- und Verkehrtheiten (…), deren Bild sich leicht in mir mit allen seinen Schattenseiten abdruckte.“ 1Ein sperriger Start für den kleinen Spross, der fortan auf sich und seine älteren Geschwister gestellt aufwuchs.
Der Vater war viel beschäftigt als Pfarrer der örtlichen Gemeinde, ein „Theolog der alten Zeit“ 2, und streng in der Erziehung seiner Kinder. 1785 heiratete er ein zweites Mal, und Friedrichs Kindheit verdunkelte sich erneut: Die Stiefmutter hatte nicht viel übrig für den Kleinen, beschimpfte ihn und sprach ihn stets in dritter Person an. 3Ihm war weder gestattet, das elterliche Grundstück zu verlassen noch Kontakt zu den Kindern des Dorfes aufzunehmen, und so verbrachte er seine Kindertage vor allem im Garten des elterlichen Hauses. Über sein Aschenputtel-Dasein schrieb Fröbel: „In den viel bedeutenden herrlichen Jahren der Kindheit, wo sich dem Kinde die Welt gestaltet, d.h. wo es mit Bewußtsein Gegenstände außer sich wahrnimmt (wo das kindliche, unentwickelte Menschengemüth so gern seine Kraft an den Gegenständen außer sich versucht), wurde meinem Geiste verwehrt, aus sich herauszutreten.“ 4
Isoliert von der sozialen Außenwelt begann der Junge schließlich, sein „kindliches, unentwickeltes Menschgemüth“ an sich selbst 5und den Dingen seiner unmittelbaren Umgebung zu erproben. Und das waren die Erde, die Steine und die Blumen auf dem Grundstück des Pfarrhauses. In einem Brief an den damaligen Herzog von Meiningen schrieb Fröbel über sein einsames Gartenleben: „… die Natur, die Pflanzenwelt und die Blumenwelt wurde, soweit ich sie anschauen und begreifen konnte, bald ein Gegenstand meiner Beobachtung und meines Nachdenkens.“ 6Die erhellende Kraft der Pflanzenwelt, ihre Formen und Farben und mannigfaltigen Erscheinungsformen verwurzelten sich tief in dem kleinen Weltentdecker und entfalteten im Laufe seines Lebens eine Naturverbundenheit, die sich durch sein ganzes Werk ziehen sollte.
Die gemeinsame Gartenpflege vermochte sogar, Vater und Sohn für kurze Zeit einander näher zu bringen. 7Jedoch konnten die Momente der trauten Einigkeit nicht darüber hinweg täuschen, dass das Bild des verstockten, wenig intelligenten Jungen an dem kleinen Friedrich haften blieb: „Ich galt frühe als bös.“ 8, ein Stigma, von dem er sich erst befreien konnte, als der Bruder seiner Mutter ihn, den inzwischen Zehnjährigen, nach Stadtilm holte und ihm dort ein unbeschwerteres und geborgeneres Aufwachsen ermöglichte. Der junge Fröbel „trank hier frischen Lebensmut in langen Zügen, (…) begann Freiheit des Gemüthes und erstarkte körperlich.“ 9Und weiter schrieb er über sein neues Leben bei seinem Onkel: „Die Welt lag offen vor mir, so weit ich sie ausfüllen konnte. (…) Mein bisheriges stilles Leben in der Natur war nun mehr ein freies lebendiges in derselben.“ 10
In Stadtilm besuchte er die örtliche Knabenschule. Eine höhere Bildung auf einer Lateinschule kam nach Ansicht des Vaters für Friedrich nicht Frage. Über seine Schulzeit äußerte Fröbel wenig Gutes: Sie sei einseitig ausgerichtet gewesen auf den zukünftigen Beruf der Jungen, so dass „viel edle Menschenkraft unentwickelt“ 11geblieben sei. Eine ernüchternde Erkenntnis, die wohl dazu betrug, dass Fröbel sein eigenes pädagogisches Konzept nach ganzheitlichen Lehr- und Lernprinzipien aufbaute und den Menschen als Ganzes stets im Blick behielt.
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