1 ...7 8 9 11 12 13 ...32 Walter Ernsting plauderte über die damals siebzig Bände der amerikanischen PERRY-RHODAN-Ausgabe und deren umfangreichen Magazinteil, während Forrest J. Ackerman sich mit dem dortigen Fandom befasste. Ein kurzer Beitrag von Wigberth Schubert deckte auf, dass PERRY RHODAN in Japan LO-TAN heißt und aus Kurt Mahr »kúlúto ma-lú« wird, während K. H. Scheer dort als »schi-ri« firmiert. Es folgten mehrere Listen, eine über Mutanten in der PERRY-RHODAN-Serie, die der Chronist erstellte und William Voltz ergänzte, sowie weitere mit den Risszeichnungen und Zyklen der Serie.
Ein weiteres Highlight war »Die akademische Science Fiction wird vergessen« – eine Abhandlung des legendären A. E. van Vogt über sein Leben als SF-Autor, eingeleitet von Klaus Fecher. Es folgten Fechers Beitrag über Quasare und dunkle Löcher, ein ausführlich begründeter Vorschlag von Fredric Ellrich, warum Jules Verne nachträglich zum Preisträger des »Club of Rome« ernannt werden sollte, ein UFO-Artikel des Präastronautik-Vertreters Peter Krassa, ein historischer Abriss von Manfred Knorr über Science Fiction im Film und eine kurze Vorstellung des Deutschen Hugo von Walter Ernsting.
Den abschließenden Höhepunkt bildete die exklusive SF-Story »Smookers Brandzeichen« von William Voltz, eine im Perryversum spielende Geschichte über die Roboter der Firma »Whistler«, bevor eine Liste aller PERRY RHODAN-Romane das Jahrbuch abschloss.
Eine Autorin für ATLAN
Seit Mitte des vorigen Jahres bemühte sich eine junge SF-Autorin, mit ihren Romanen bei TERRA ASTRA unterzukommen. Sie hatte sich mit Space Operas um Prospektoren, Sicherheitsdienstler und menschliche Unterdrückung schon ein hohes Ansehen beim Konkurrenzverlag Zauberkreis erschrieben. Aber bis auch TERRA ASTRA-Lektor Günter M. Schelwokat sich für ihre Manuskripte erwärmte, dauerte es eine Weile.
Dann gab es allerdings kein Halten mehr!
Schelwokat kaufte nicht nur den Roman »Irrwege im Weltall« an, sondern empfahl die junge Frau auch der Aufmerksamkeit des Cheflektors Kurt Bernhardt, der sich umgehend – am 2. Juli 1974 – an die Berlinerin wandte. Unter Bezugnahme auf ihren Roman fragte er an, ob sie vielleicht bei DRAGON oder ATLAN mitschreiben wolle.
Zwei Tage später schickte er William Voltz eine Kopie ihrer Antwort, in der sie ihr Interesse für ATLAN bekundete. »Ich glaube, dass Sie mich verstehen«, heißt es in Bernhardts Begleitschreiben an Voltz. »Ich möchte unbedingt den Mitarbeiterstab für die SF-Reihen erweitern. Wir müssen deshalb jeden Versuch machen, um entsprechende Mitarbeiter zu gewinnen. Natürlich werden wir viele Enttäuschungen erleben.«
Bernhardt bat Voltz, sich mit der Autorin in Verbindung zu setzen und sie vielleicht zu einem Gespräch zu sich nach Offenbach zu bitten. »Aber Sie können auch auf schriftlichem Wege versuchen, ihr einen ATLAN-Auftrag zu geben (natürlich für einen Roman, der terminlich noch nicht eilig ist). Lassen Sie sie zwanzig bis dreißig Seiten unverbindlich schreiben. Dann können Sie ja prüfen, ob sie in der Lage ist.«
Voltz rief die Autorin am 13. Juli 1974 an, und zehn Tage später kam es zu einer Begegnung. Wie sich herausstellte, war sie »in der Lage«. Ihr erster ATLAN-Roman erschien im Februar 1975 als Band 178/39 der Serie, und nur sieben Wochen später folgte ein Doppelband, der sie endgültig als ständige Autorin von ATLAN etablierte.
Der Name der jungen Frau: Marianne Sydow.
»Wie ich zum Schreiben kam, weiß ich gar nicht mehr genau«, schrieb die frischgebackene ATLAN-Autorin im April 1975 in TERRA ASTRA 192. »Ich liebte Bücher schon, als ich sie noch gar nicht lesen konnte. Wie ich ausgerechnet mit der SF bekannt gemacht wurde, kann ich dagegen genau sagen. Es lag an meinem großen Bruder, der seine ›Zukunftsromane‹ überall herumliegen ließ. Mit zehn Jahren fand ich Roboter, Raumschiffe und Atombrände viel interessanter als Rübezahl und Märchenzwerge. Es überraschte mich nicht im geringsten, als man mir umgehend mitteilte, solche Bücher wären nichts für Mädchen. Als Reaktion auf diesen Ausspruch entwickelte sich meine Vorliebe für SF zu einer Manie.«
Wie sehr die Science Fiction ihr im Blut steckt, bewies sie durch ihre mitreißenden und stimmungsvollen Romane, die bei Leserinnen und Lesern gleichermaßen gut ankamen – so gut sogar, dass Marianne Sydow schon anderthalb Jahre später, im November 1976, ganz unspektakulär ihren Einstand bei PERRY RHODAN gab. Leider sollte sie erst mit Band 875, also weitere anderthalb Jahre später, ihren zweiten Band verfassen.
Danach ging es wieder rasend schnell, denn nach fünfjähriger Erfahrung mit dem Perryversum löste sie mit Band 448 überraschend William Voltz als Exposéautor von ATLAN ab. Außer einem kurzen Intermezzo bei den Bänden 500 bis 509, die wegen des Zyklusstarts wieder von Voltz gestaltet wurden, übte sie diese Funktion bis Band 532 aus. Dann übernahm Peter Griese ihre Aufgabe, mit dem sie – nachdem sie die Bände 698 bis 707 wieder allein ausgearbeitet hatte – anschließend ein Team bildete. Mit Band 765, etwas über ein Jahr danach, trat H. G. Ewers in ihre Fußstapfen. Und mit Band 795 – der Bandnummer, unter der sie ihren ersten PERRY RHODAN geschrieben hatte – schied sie bei ATLAN auch als Autorin aus, um sich fortan ganz auf PERRY RHODAN zu konzentrieren.
Sie war eines der beliebtesten Mitglieder des Autorenteams, als sie nach fünfundzwanzig Jahren als Schriftstellerin endgültig ihren Abschied nahm – nach sechzehn Jahren des erfolgreichen Schreibens für die größte Weltraumserie der Welt!
Kurzbiografie: Marianne Sydow
Als Mariannne Bischoff wurde sie am 24. Juli 1944 in Berlin geboren. Die finanziellen Mittel ihrer Familie erlaubten es nicht, dass sie das Gymnasium mit dem Abitur abschloss. Also schlug sie sich mit einer Reihe von Jobs durch, etwa als Verkäuferin, Telefonistin und Betreuerin einer Chinchillazucht. Ihre Liebe zur SF erwachte schon früh durch die Heftsammlung des älteren Bruders. 1967 erschienen mit »Das Wesen aus der Retorte« und »Die größenwahnsinnige Elektronik« ihre ersten Romane – damals noch in der UTOPIA-Reihe des Pabel Verlags unter Garry McDunn. Fünf Jahre später heiratete sie, brachte einen Sohn zur Welt und veröffentlichte – unter demselben Pseudonym – mit »Der Zeitmörder« den ersten von dreizehn SF-Romanen bei Zauberkreis. 1975 wechselte sie zu TERRA ASTRA, wo sie unter ihrem Ehenamen Marianne Sydow in den nächsten vier Jahren neun Romane und zwei Storysammlungen herausbrachte, 1983/84 von vier Nachdrucken aus ihrer McDunn-Zeit gefolgt. Ebenfalls 1975 wurde sie ins ATLAN-Team aufgenommen und verfasste bis 1986 sechzig Romane und zeitweise auch die Exposés. Auf einen Band mehr brachte sie es bei PERRY RHODAN, wo sie 1976 einstieg. Dieser Serie blieb sie bis 1992 erhalten. Seit 1980 in zweiter Ehe mit dem SF-Sammler Heinz-Jürgen Ehrig verheiratet, der im Oktober 2003 verstarb, galt sie lange Zeit als einzige hauptberufliche SF-Autorin Deutschlands.
Frankenstein auf Hessisch
Eine Horrorserie aus der PERRY RHODAN-Redaktion? Für viele ein unvorstellbarer Gedanke, weil Horror damals noch mehr als Schundliteratur betrachtet wurde als Science Fiction. Und doch ist das einmal geplant gewesen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg wurden sogar intensive Vorarbeiten geleistet, bevor das Projekt im letzten Augenblick wieder gestrichen wurde. Die Gründe dafür sind bis heute nicht ganz bekannt.
Es begann am 30. Januar 1974, als Cheflektor Kurt Bernhardt sich begeistert an William Voltz wandte. Der SF-Autor Dirk Hess, gerade wieder bei ATLAN eingestiegen, hatte ihm ein ausführliches Exposé für die Comicserie VAMPIRELLA geschickt. »Für mich war dieses Exposé von der Handlung, den Ideen und auch von den Figuren her eine kleine Offenbarung«, schreibt Bernhardt. »Es hat mir gezeigt, was man aus Horror-, Fantasy- und SF-Elementen zusammenbrauen kann. Die Amerikaner sind uns da um 100 Jahre voraus.«
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