Bon teilte Harrisons Vorbehalte gegenüber Evans: „Er brachte es einfach nicht und außerdem war er irgendwie ein Arsch.“
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Drei Jahre später ruhte sich Bon gerade in einem New Yorker Hotelzimmer aus. Der Malocher-Job, den er bei Port Adelaide Fertilisers hätte antreten können, muss ihm unendlich weit weg vorgekommen sein – weil dem schließlich so war. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen, selbst wenn der Starruhm und die damit verbundene finanzielle Sicherheit ihm noch verwehrt blieb.
AC/DCs Touren in Großbritannien und auf dem europäischen Festland waren erfolgreich verlaufen. Ihr aktuelles Album enterte die UK-Charts am 12. November 1977 auf Position #42. Bis zum 10. Dezember war es bereits bis auf Platz #37 gestiegen, womit die Band zum ersten Mal die Top 40 knacken konnte. Allerdings rutschte es anschließend noch vor Weihnachten wieder ab.
Während Earth, Wind & Fire das 35.000 Zuschauer fassende Capital Centre in Landover, Maryland, füllten, machten sich AC/DC auf den Weg, um den winterlichen Abschnitt ihrer Let There Be Rock-Tour zu absolvieren, auf dem sie als Vorband in kleineren Konzertsälen im Nordosten, Südosten und Mittleren Westen auftraten. Im Anschluss daran kehrten sie nach New York zurück, wo sie Live From The Atlantic Studios aufnehmen sollten, einen ausschließlich als Promo gedachten Release, der 1978 kurz vor der Veröffentlichung von Powerage ausgeliefert wurde, in der Hoffnung, Radiosender würden die Scheibe komplett spielen.
Silver Smith verbrachte etwas Zeit mit Bon auf Tour in den USA, bevor sie sich 1978 im Motel Coogee in Sydney trennten. Es war ihre Entscheidung und Bon war nicht sonderlich glücklich darüber.
„Ich wollte ein Leben. Ich hatte keine Lust, irgendjemandes Aufpasser zu sein. Mit Bon fühlte man sich nie auch nur annähernd sicher. Man konnte nie voraussehen, was er tun würde. Irgendein Scheiß würde passieren, der einem vermutlich gar nicht recht wäre. Ab und an tat er einfach dumme Dinge und konnte nicht erklären, warum. Ihm war der Schaden, den er anrichtete, durchaus bewusst. Ich hatte bereits unter den Dingen zu leiden, die Bon ohne zu trinken tat und die ziemlich ernste Konsequenzen nach sich zogen. Er war ja nicht die ganze Zeit so. Man wusste einfach nie, wann er etwas richtig Saudummes anstellen würde, dass er nicht erklären konnte. Er konnte dir keinen Grund nennen und es ließ sich nicht leugnen, dass es ziemlich katastrophal war. Diese Dinge konnten Auswirkungen auf dein Leben haben. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es funktionieren sollte. Nicht so, wie ihm das vorschwebte. Es war einfach nicht machbar. Ich wollte bloß mein eigenes Leben zurück und herausfinden, ob es das war, was ich mir wirklich wünschte. Ob ich bereit war, das in Angriff zu nehmen. Für Irene muss es dasselbe gewesen sein. Richtig schwierig eben. Du versuchst, all die schwierigen Dinge zu erledigen, normales Zeug eben, und Bon tat einfach das, wofür man ihn kannte [lacht]. Er wollte mir zwölf Monate Raum für mich geben und ich ihm auch. Aber natürlich gab er mir dann doch keine zwölf Monate. Nicht einmal drei [lacht]. Als ich nach London zurückkehrte, war er bereits einen Monat dort und hatte auf der Suche nach mir jeden, den ich kannte, in den Wahnsinn getrieben. Ich fühlte mich verfolgt und blamiert und wollte mich nur noch verstecken.“
Sie schätzte, dass Bon ihr insgesamt „dreihundert oder vierhundert Briefe sowie fünfzig oder sechzig Telegramme“ schrieb, die leider alle verloren gegangen sind.
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Bon, dem lediglich ein geringfügiges Taschengeld zur Verfügung stand, konnte es sich nicht leisten, Silvers Reisekosten für die Tour durch Amerika zu stemmen – und die Youngs trugen sicherlich nichts dazu bei. Sie standen ihr misstrauisch, wenn nicht sogar feindselig gegenüber. Also zahlte sie selbst.
Von New York aus reiste sie nach Milwaukee, wo sie Pattee Bishops Freundin und Cliff Williams’ Geliebte, die inzwischen verstorbene Candy Pedroza traf: „Ein halb mexikanisches, halb italienisches Knallbonbon … ein heißer Feger.“
Von Candy, der Exfreundin von Ken Jones, dem Tourmanager der Kinks, sowie Steve Marriott von Humble Pie, wusste man, dass sie Heroin konsumierte. Nach ihrem ersten Treffen mit Cliff in Florida hatten sich die beiden in Chicago wiedergetroffen. Candy und Silver verbrachten danach ein paar Tage zusammen in Chicago, bevor Silver widerwillig nach Manhattan zurückkehrte, das „damals ein echtes Scheißkaff war“. Bon und sie stiegen an ihrem letzten gemeinsamen Abend in New York im Holiday Inn in der West 57th Street ab und beschlossen, das Nachtleben der Stadt zu erkunden.
„Bon und ich versuchten in der eisigen Kälte das CBGBs zu finden, wo sechs traurige Säufer an der Bar abhingen.“
Im Mid-South Coliseum in Memphis, Tennessee, eröffneten AC/DC für die angesagteste Live-Attraktion des Landes, Kiss, den Abend vor 12.000 Zuschauern. Das taten sie auch am darauffolgenden Abend in Indianapolis, Indiana, wo auch Silver im Publikum saß, bevor sie sich via Kalifornien nach Australien begab, sowie noch ein drittes Mal in Louisville, Kentucky. Für die Shows in Indianapolis und Louisville erhielt die Band jeweils 1000 Dollar. Der lokale Radiosender WLRS bewarb das Konzert in Louisville als „The Show of Shows!“ und AC/DC waren entschlossen, vor ihrem bis dahin größten Publikum mit über 18.000 Zuschauern dem Headliner die Schau zu stehlen.
„Das Publikum war von beiden Bands vollauf begeistert“, schrieb das Courier-Journal. „Es fuhr total auf ein kleines elektronisches Gerät ab, mit dem eine Note auf der Gitarre gedehnt werden konnte, nachdem die Saite angespielt und die Hand von der Gitarre weggezogen war. In Louisville geht das bei einem Rockkonzert als Virtuosität durch.“
AC/DCs winterliche Tour endete mit zwei Shows Ende des Monats. In Largo, Maryland, sprangen sie als Vorband von Kiss für Bob Seger und die Silver Bullet Band ein. In Pittsburgh teilten sie sich hingegen die Bühne mit Blue Öyster Cult.
Als das Spektakel vorüber war, so erinnerte sich Barry Taylor, zerstreuten sich die fünf Trucks und die 50 Mann starke Crew in alle Windrichtungen.
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In Greensboro, North Carolina, spielten AC/DC ihr allererstes Konzert mit Cheap Trick aus Illinois. Peinlicherweise war der Name der australischen Band falsch buchstabiert: AC/BC.
„Beide Bands befanden sich in ihren Karrieren in einer ähnlichen Position“, erzählt Cheap Tricks Drummer Bun E. Carlos, der im Jahr 2016 in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen wurde. „Wir hatten beide ausgemachte Knalltüten als Leadgitarristen, coole Sänger und rockende Bassisten und Schlagzeuger. Beide Bands tourten sich den Arsch ab. Cheap Trick waren live ein wenig härter als auf Platte. Bon wirkte stets wie ein gewöhnlicher, hart rockender Typ, der jederzeit für einen Spaß zu haben war. Das einzige Gesundheitsproblem, das uns auffiel, war seine exzessive Trinkerei in seinem letzten Lebensjahr. Leider überraschte sein Tod niemanden.“
Kümmerte sich AC/DCs Management ausreichend darum, dass Bon sein Alkoholproblem in den Griff bekommen konnte? War dem Rest der Band bewusst, wie schlimm es um ihn stand?
„Niemand schien irgendetwas gegen seinen Suff zu unternehmen, aber das war damals nicht ungewöhnlich. Niemand hatte was von Entzugskliniken, Babysittern oder ähnlichen Dingen gehört. Das Management war irgendein Typ in Anzug, der sich in L. A. oder New York City blicken ließ.“
Laut Silver Smith kam Bon ein Entzug nie in den Sinn. „Nein, soweit ich weiß, hat er das nie versucht“, sagte sie. „Ich war ziemlich ignorant und wusste bis Mitte der Achtziger nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt.“
„Ein Entzug stand nicht im Raum“, sagt Mick Jones. „Die Anonymen Alkoholiker? Was zum Geier ist das denn, bitte? Das stand wirklich nicht zur Debatte. Es hieß nur, dass man sich trockenlegen oder irgendwo hingehen musste. Ich tat das auch. Ich begab mich manchmal für drei oder vier Wochen in eine erholsame Umgebung, vielleicht eine Gesundheitsfarm oder so, was ja irgendwie in dieselbe Richtung wie eine Entziehungskur geht.“
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