YouTube ist wohl die Plattform mit dem größten Produktionsaufwand. Hier müssen die Kreativen nicht nur interessante Protagonisten ihrer Videos sein, sondern darüber hinaus auch Kameraführung, Licht, Ton und Schnitt beherrschen und ihre Zuschauer über mehrere Minuten unterhalten. Wohl aus diesem Grund wird YouTube von den meisten eher passiv aus der Zuschauerperspektive genutzt.
Wie funktionieren Social-Media-Plattformen?
Alle angesprochenen Plattformen sind zunächst einmal kostenlose Angebote. Wenn Sie Videos auf YouTube oder TikTok ansehen möchten, brauchen Sie sich dafür nicht einmal zu registrieren. Bei den meisten Apps jedoch sind viele Funktionen angemeldeten Nutzern vorbehalten. Das hat seinen Grund, denn nur durch die Anmeldung lassen sich ganz gezielt Nutzerdaten erheben. Und letztlich geht es bei den meisten Social-Media-Plattformen um die Vernetzung von persönlichen Daten, kreativen Inhalten und Werbung.
Das Grundprinzip der Plattformen
Die Plattformen wollen möglichst viele Daten von Ihnen speichern, um Ihnen auf Sie zugeschnittene Inhalte anbieten zu können und Sie möglichst lange auf der Plattform zu halten. Im letzten Schritt spielen die Plattformen dann Ihren Interessen entsprechende Werbung ein, für die sie von den Werbekunden bezahlt werden.
In dieser technischen Vernetzung von Interessen besteht auch der entscheidende Unterschied zu den Medienangeboten früherer Generationen.
Die Bedeutung von (individualisierter) Werbung
Vielleicht ärgern Sie sich alle drei Monate darüber, dass von Ihrem Konto der Rundfunkbeitrag (früher GEZ) abgebucht wird. In dieser Gebühr drückt sich eine früher noch allgemeingültige Vereinbarung aus: Wer Musik hört, Fernsehen schaut, ein Konzert besucht, bezahlt mit der Rundfunkgebühr oder dem Eintrittspreis anteilig die angefallenen Produktionskosten. Das ist sehr vereinfacht ausgedrückt, aber so war das in der Vergangenheit einmal.
In den 1980ern eroberte dann mit den privaten Fernsehsendern RTL und SAT 1 ein neues Prinzip die Bildschirme: In die Sendungen wurde Werbung eingestreut, mit deren Einnahmen die Produktionsund Sendekosten bezahlt werden konnten. Dieses Prinzip hat sich bis heute auf fast alle Bereiche von Kultur, Unterhaltung und teilweise auch Information und Wissenschaft ausgedehnt. Kaum ein Konzert kommt ohne Sponsor aus, kaum eine Veranstaltung ohne Zuschüsse und keine Sendung ohne Werbung in irgendeiner Form. Das Besondere der Social-Media-Plattformen liegt nun zum einen darin, dass sie die Inhalte von den Nutzern anfertigen lassen und damit überhaupt keine Produktionskosten zu tragen haben. Die frühere Aufteilung in Konsumenten und Produzenten wird aufgehoben zugunsten von Prosumenten (oder engl. Prosumern), die mit ihren Beiträgen in Vorleistung gehen und nur im Fall von großem Erfolg dafür überhaupt honoriert werden. Zum anderen analysieren die Plattformen das Verhalten ihrer Nutzer:
Ihr persönliches Profil
Wenn Sie als Zuschauer auf Facebook, YouTube oder Instagram unterwegs sind, erfassen diese Plattformen sehr genau Ihre Vorlieben und Sehgewohnheiten und erstellen daraus Ihr persönliches Nutzerprofil. Das geht natürlich am besten, wenn Sie angemeldet sind. Übrigens wird häufig auch Ihr Surfverhalten außerhalb der Plattformen von diesen „getrackt“. So weiß Facebook möglicherweise auch, wenn Sie auf der Seite eines Reiseveranstalters nach einem Kreta-Urlaub gesucht haben.
Dieses Nutzerprofil, das Sie mehr oder weniger unabsichtlich durch Ihre Internetnutzung anlegen, bildet die Grundlage für Vorschläge, die Ihnen die Plattform macht. Das Ziel jeder Social-Media-App ist, dass Sie möglichst lange deren Angebot konsumieren und dabei möglichst nur Inhalte vorgeschlagen bekommen, die Ihnen gefallen und die Sie interessieren.
Das Erlösmodell der Social-Media-Apps
Nun kommt der entscheidende, dritte Schritt, denn er stellt das Erlösmodell der Plattformen dar, also die Methode, mit der die App-Betreiber ihr Geld verdienen: Nachdem mittels künstlicher Intelligenz Ihre Nutzungsgewohnheiten mit den Angeboten verknüpft wurden, kann die Plattform Ihnen Werbung einspielen, die genau zu Ihren Interessen passt. Da Sie dabei Beiträge betrachten, die Sie mögen, erreicht die Werbung Sie außerdem in einer positiven Grundstimmung.
Wenn Sie sich beispielsweise gerade einen Autotest ansehen, liegt es nahe, dass Sie Interesse an einem Neuwagen haben. Wenn Sie einer Lifestyle-Instagrammerin folgen, haben Sie vermutlich Interesse an schicken Möbeln, Kleidung oder Accessoires. Und vor den TikToks der Fitness-Gurus lässt sich prima Werbung für Eiweiß-Drinks schalten.
Dieses Grundprinzip zu verstehen ist sehr wichtig, wenn Sie Ihr Kind sicher beim Umgang mit den sozialen Medien begleiten wollen. Denn nur wenn Sie wissen, was die Plattformen von Ihnen und Ihren Kindern wollen, können Sie wirklich entscheiden, ob Sie das ebenfalls wollen.
Welche Chancen bergen die sozialen Medien?
Wenn Sie Ihr Kind zu einem sicheren Umgang mit den sozialen Medien erziehen möchten, ist es nicht nur wichtig, die Gefahren zu sehen, die diese bereithalten, sondern auch die großen Chancen. Mit jeder Reglementierung nehmen Sie Ihrem Kind möglicherweise auch eine Chance. Dieser Ratgeber soll Ihnen helfen, beide Seiten der Medaille kennenzulernen und nach Ihren eigenen Werten und Zielen Entscheidungen zu treffen.
Express yourself – Demokratie pur
Die erste große Chance, die Apps wie YouTube, TikTok oder Instagram bieten, besteht darin, dass sie die technischen Möglichkeiten schaffen, Fotos, Videos, Podcasts, Blogs und Musik selbst zu veröffentlichen, ohne dafür eine Zeitungsredaktion, einen Musikverlag oder einen Fernseh-Intendanten überzeugen zu müssen. Und das auch noch kostenlos.
Vielleicht haben Sie in Ihrer Kindheit an einem Schülervorspiel teilgenommen, vielleicht etwas in der Schülerzeitung geschrieben. Möglicherweise konnten Sie später einmal einen Leserbrief in der Lokalzeitung unterbringen. Aber für eine weitere Verbreitung ihrer kreativen Produkte und Ihrer Meinung dürfte es bei den allermeisten nicht gereicht haben.
Die Macht der Gatekeeper
Noch heute entscheiden in den Zeitungs- und Musikredaktionen oder in den Fernsehsendern zumeist einzelne Menschen darüber, welche Sendungen produziert werden, welche Schauspieler die Rolle bekommen und welche Inhalte eines Zeitungsartikels überhaupt würdig sind. Viele dieser sogenannten Gatekeeper mögen das mit Verantwortungsgefühl und Sorgfalt tun, besonders demokratisch ist das jedoch nicht.
Wer heute Zeit, Talent und ein Smartphone als technische Grundausstattung mitbringt, kann mit seinen Produktionen theoretisch ein Millionenpublikum erreichen – auch wenn das angesichts der vorher beschriebenen Interessen der Plattformen nicht ganz so einfach ist, wie es klingt. Denn natürlich geht das nur mit bestimmten massentauglichen Inhalten und werbefreundlichen Themen. Aber immerhin.
Gerade für Künstler, Autoren, aber auch pädagogisch begabte Menschen eröffnet sich durch die sozialen Medien die Chance, ein größeres Publikum zu erreichen und über diese Reichweite mittelfristig auch finanziellen Erfolg zu haben.
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