„... kriegt Cusack einen Zementsarg verpasst“, sagte einer von Sandrellis Freunden.
„Ja, aber nicht von uns. Dafür sind wir nicht zuständig. Dafür hat das Syndikat andere Experten an der Hand. Brian Cusack wird sang und klanglos von der Bildfläche verschwinden, wenn er eine unsaubere Gangart gewählt hat. Das hat er sich selbst zuzuschreiben. Wer den Hals nicht vollkriegt, der muss früher oder später mit so einem Ende rechnen. Die Cosa Nostra lässt sich nicht an der Nase herumführen.“
Der Jet setzte zur Landung auf dem Privatflughafen an. Schnurgerade visierte er die Landebahn an, doch er sollte sie nicht mehr erreichen.
Die Rakete stammte aus Army-Beständen. Der Killer hatte sie sich nicht selbst besorgt. Brian Cusack hatte sie ihm verschafft. Cusack hatte da so seine weitreichenden Verbindungen. Er konnte so ziemlich alles auftreiben, wenn er wollte. Haargenau hatte der Killer - sein Name war Gordon Keel - die Düsenmaschine im Visier. Er feuerte die Rakete im richtigen Moment ab. Das Geschoss mit dem hochexplosiven Sprengkopf verließ das Rohr und nahm Direktkurs auf den silbernen Vogel.
Es vergingen wenige Sekunden. Dann hatte die Rakete ihr Ziel erreicht. Ein greller Blitz flammte auf. Der Knall drang Keel erst später ans Ohr. Eine ungeheure Kraft wirkte auf die Maschine ein. Sie riss das Flugzeug buchstäblich auseinander. Wrackteile, Sitze, Menschen flogen durch die Luft. Eine heiße Druckwelle raste nach allen Seiten davon.
Gordon Keel warf das ofenrohrähnliche Gerät weg. Es hatte seinen Zweck erfüllt, er brauchte es nicht mehr. Nun war es wichtig, so rasch wie möglich von hier wegzukommen.
Sämtliche Flugzeugtrümmer hatten noch nicht den Boden erreicht, da wirbelte der Killer bereits herum und setzte sich ab. Am Ende des Flugfeldes überkletterte Keel einen Zaun. Dort stand der Wagen, mit dem er hergekommen war. Ein gestohlenes Fahrzeug. Gordon Keel war ein vorsichtiger Mann. Er startete die Maschine und fuhr los. Im Rückspiegel sah er den schwarzen Rauchpilz, der träge zum Himmel hochstieg, aber das ging ihn nichts mehr an. Er hatte seine Arbeit getan. Brian Cusack konnte mit ihm zufrieden sein. Der König von Brooklyn würde nicht vergessen, einen angemessenen Geldbetrag auf sein Konto transferieren zu lassen.
Unbehelligt erreichte Gordon Keel South Brooklyn. Er ließ den heißen Wagen am Erie Basin stehen und betrat wenig später einen Billardclub. Der fette Besitzer nickte ihm freundlich zu. „Lange nicht mehr gesehen, Amico.“
Keel hob die Schultern und grinste. „Man hat viel zu tun.“
„Das ist gut. Das bringt Moos ein. Wie wär's mit einem Spiel? Ich habe schon lange nicht mehr gegen einen Könner verloren.“
„Später. Erst muss ich telefonieren.“
„Okay. Ich mach’ inzwischen schon ein paar Stöße, um in Form zu kommen, sonst stehe ich gegen dich ja als vollkommener Idiot da.“
„Untertreib' nicht so schamlos! Das letzte Mal habe ich vor einem halben Jahr gegen dich gewonnen.“
„Seither warst du auch nicht mehr hier“, sagte der dicke Italo-Amerikaner.
Keel begab sich zur Telefonbox. Er betrat die Zelle und schloss die Falttür hinter sich. Brian Cusacks Nummer kannte er auswendig. Klar, er arbeitete schon seit drei Jahren für den König von Brooklyn. In dieser Zeit hatte er für Brian Cusack schon eine ganze Menge Leute abserviert. Aber noch nie gleich fünf auf einmal. Das war heute zum ersten Mal passiert.
Dass das Ärger mit der Mafia geben könnte, glaubte er nicht. Cusack würde schon einen Dreh finden, der den Verdacht von ihm ablenkte. Der König von Brooklyn war ein ganz ausgebuffter Schurke. Der war manchmal schlimmer als die Mitglieder der Ehrenwerten Gesellschaft, mit deren Genehmigung er im Hafengebiet von Brooklyn absahnte.
Keel warf eine Münze in den Automaten und tippte dann Cusacks Nummer. Er brauchte nicht lange zu warten. Es hob sofort jemand ab, aber es war nicht Cusack selbst, sondern dessen rechte Hand Cyril Murray.
„Ich bin es, Gordon“, sagte Keel. „Gib mir mal den Boss!“
„Augenblick“, erwiderte Cyril Murray.
Stille am anderen Ende. Für etwa fünf Sekunden. Dann war der König von Brooklyn am Apparat. „Ja, Gordon?“
„Die Sache ist gelaufen“, sagte Keel.
„Wie geplant?“
„Haargenau so.“
„Hat dich jemand gesehen?“
„Nein.“
„Überlebende?“
Auf diese Frage lachte Gordon Keel nur.
„Ist gut“, sagte Brian Cusack. „Ich bin mit dir sehr zufrieden und werde mich für den Gefallen, den du mir erwiesen hast, auch entsprechend erkenntlich zeigen. Hast du Lust, heute Abend mit mir zu essen?“
„Das würde ich sehr gern tun.“
„Schön, dann bis heute Abend. Da können wir dann ausführlich über die Einzelheiten sprechen. Am Telefon ist das nicht so günstig. Es könnte sich jemand in unser Gespräch hineinwählen oder so. Die Technik ist leider nicht perfekt.“
„Wer ist das schon?“
„Wie es aussieht, scheinen wir beide es zu sein“, erwiderte Cusack lachend und legte auf.
Gordon Keel verließ die Telefonzelle und begab sich zu dem Tisch, an dem der dicke Billardclubbesitzer bereits übte.
„So, Freund“, sagte er lächelnd. „Jetzt habe ich jede Menge Zeit für dich.“
Brian Cusack war ein eleganter Mann mit scharf geschnittenen Zügen und Augen, die ständig entzündet zu sein schienen. Er liebte Schalkrawatten und blütenweiße Stecktücher, die er weit aus der Brusttasche heraushängen ließ. Seine persönliche Note.
Er war ein Erfolgsmensch und schätzte sich selbst ziemlich hoch ein. Deshalb wagte er es auch, hin und wieder die Mafia zu hintergehen. Er wusste, dass das sehr gefährlich war, aber er liebte das Risiko, und er hielt sich für schlauer als die Männer, für die er tätig war. Warum sollte seine Schlauheit nicht Zinsen tragen?
Er saß an einem großformatigen Schreibtisch, auf dem sich die Post häufte. Geschäftsbriefe, Rechnungen, Vertragsentwürfe. Auch Verbrecher haben damit zu tun, wenn sie eine gewisse Größe erreicht haben.
Aufgewachsen war Brian Cusack an der Gowanus Bay. Seine Eltern - er hatte sie kaum gekannt - waren arm gewesen und früh gestorben. Er hatte schon mit sechzehn auf eigenen Beinen stehen und selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen müssen. Bald hatte er begriffen, dass für ihn das leicht verdiente Geld nicht auf dem ehrlichen Weg lag, und so hatte er sich auf die andere Seite des Gesetzes geschlagen. Er hatte sich mit den richtigen Typen zusammengetan. Sie waren zumeist um ein paar Jahre älter als er gewesen und hatten ihm Verschiedenes beibringen können.
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