Und jetzt denk Dir ein nettes, freundliches Hügelgrab. Vielleicht möchtest Du ein Hügelgrab auf der weiten Ebene wo die großen Winde wehen, oder vielleicht ein Hügelgrab unter schattigen Buchen im Zwielicht der Dämmerung oder eines auf einer Anhöhe über dem endlos langen Strand. Vielleicht ist es allein im Dickicht, oder umgeben von anderen Grabhügeln. Mit Gras überwachsen, vielleicht mit einem Ring von Steinen umgeben, oder alt und verfallen und flach, ganz wie es Dir zusagt. Oder es ist eins was Du kennst und bei dem Du Dich wohl fühlst. Oder eins in einer dramatischen Umgebung, das Dich aufregt und verunsichert. Such Dir aus was Dir gut tut.
Geh um den Hügel herum. Sieh ihn Dir von allen Seiten an. Fühle die Erde, spüre die Luft, horch in Deine Welt hinein. Nutze alle Deine Sinne. Imagination wird realer, wenn Du alle Sinne vereinst. Du kannst sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken. Und Du kannst das alles noch stärker machen. Viel stärker. Wenn Du innere Bilder siehst, dreh die Farbe auf, mach Sie groß, hol sie immer näher ran, wickel sie um Dich herum oder gehe hinein! Wenn Du den Wind spürst, fühl ihn am ganzen Körper! Höre die Geräusche um den Hügel herum, rieche diesen Geruch und schmecke diese Stimmung.
Was möchtest Du noch? Ein wenig mehr Atmosphäre, eine bestimmte, verzauberte Tageszeit, eine Landschaft die Deine Phantasie beflügelt? Imagination sollte begeistern. Sie sollte groß und deutlich und eindrucksvoll sein. Sie sollte Dich von Kopf bis Fuß berühren und bewegen. Vielleicht brauchst Du ein paar Wiederholungen um den Hügel ’echt‘ zu machen. Oder es passiert ganz von selbst, denn dieser Hügel hat nur auf Dich gewartet.
Der Hügel ist bereit wenn Du es bist. Vielleicht verunsichert Dich das. Sehr gut. Manchmal ist Furcht ein deutliches Signal, dass Du etwas belebt hast, was weit über Dein Denken hinaus geht. Und das es etwas zu entdecken gibt, was Dein Ego schaudern macht. Was Du brauchst ist ein imaginärer Hügel, der magisch aktiv und lebendig ist, und in sich Geheimnisse birgt, die Deine Träume übertreffen. Ein Hügelgrab mit Eigenleben.
Als nächstes öffnet sich ein Weg ins Innere. Vielleicht findest Du einen Eingang. Oder, hier sind wir im Land mittelalterlicher Märchen und Legenden, Deine Seele (oder was auch immer Du für Dich hältst) verwandelt sich in ein kleines Tier. Manchmal ist das innere Ich eine Schlange. Oder eine Maus, oder ein Wurm, ein Käfer oder eine Spinne. Oder etwas völlig Fremdes. Es kann auch abstrakt sein, eine Farbe, ein Nebel, ein Symbol oder eine Flamme. Eine menschliche Gestalt kann manchmal im Wege sein, aber auch tierische Formen haben ihre Grenzen. Was bist Du jenseits aller Formen? Such Dir aus was zu Dir passt. Und finde einen Weg in Deinen Hügel. Immer tiefer und tiefer. Durch das dunkle, schwere Erdreich. Durch die warme, feuchte Finsternis. Zwischen Wurzelfasern und Steinen und den Wassern der Unterwelt, durch Ritzen und Höhlen hinab. Denn hier geht es immer tiefer. Bis Du zu den verborgenen Kammern kommst. Es gibt jede Menge davon. Und jede ist eine eigene Welt. Jede birgt neue Erfahrungen. Denn dies ist Dein Jenseitshügel, Dein Weg in die Anderswelten, und davon gibt es unendlich viele. Jede voller Träume, jede voller Realität. Denn was in den Anderswelten geschieht, verwandelt das Diesseits auf magische Weise. Tief innen ist auch draußen. Aber Du musst erst richtig draußen sein um das drinnen zu verstehen, dass Dich nach draußen bringt, und umgekehrt.
Was Du aufgebaut hast ist Imagination, aber was sich daraus entwickelt ist mehr. Früher oder später wirst Du Ideen und Traumvisionen erleben, die Dich überraschen. Wo kommen sie her und was bedeuten sie? Manche von Ihnen könnten geschichtliche Relevanz haben. Manche mögen von den Erbauern der hohlen Hügel kommen, oder von den Generationen, die auf sie folgten. Andere könnten Deine eigenen Inspirationen sein, oder Botschaften Deines Tiefenselbst, oder einfach Erfahrungen die Dich begeistern und weiterbringen. Vielleicht sind es reale Ereignisse und vielleicht Szenen im Anderswelttheater. Oder es sind Spukbilder, Wunschträume oder Zufallsschemen, Wünsche und Alpträume. All das ist möglich. Und noch viel mehr. Bewahre einen ruhigen, klaren Geist und staune. Hier geht es nicht darum, nach ’wahr‘ und ’falsch‘ zu unterscheiden. Vielleicht empfängst Du geschichtliche Realität und vielleicht ist es einfach ein Traum, der Dich auf Deinem Weg weiterbringt. Alles ist möglich, und von allem kannst Du etwas lernen. Eine Vision muss nicht unbedingt ’wahr‘ sein um Dein Leben zu verändern. Wichtig ist, dass die Veränderung Dich zu einem freieren, glücklicheren Menschen macht, der gerne lernt und viel lacht und ganz neu durchs Leben geht.
Nur wenn Du Zeug in Deinen Kopf bekommst, das nichts mit den Hügelwelten zu tun hat oder Dich nervt, solltest Du eingreifen. Wenn Dir zum Beispiel Erinnerungen von der Arbeit hochkommen, oder Spekulationen über die Zukunft, oder den Alltagskram, den Crowley die ’tägliche Zeitung‘ nannte, ist es Zeit, Dich wieder an den Hügel zu erinnern. Denk an den Hügel. Mach das Bild groß und nah, bringe Gefühl und Klang dazu, rieche und schmecke das Erdreich und Dein Alltagsdenken wird schnell vergessen sein.
Vielleicht kommen Dir sogar Szenen aus anderen Leben in den Kopf. Manchen Trancereisenden geht es so. Vielleicht sind es Erfahrungen die Du gemacht hast, als Du noch nicht Du warst (denn Du warst damals ganz bestimmt nicht Du, jedenfalls nicht so), oder Erfahrungen anderer Leute. Wer weiß schon, wo das Tiefenselbst mit anderen verschmilzt, wo die Individualität aufhört und das Allselbst beginnt. Solche Erinnerungen sind leichter zu empfangen, wenn Du darauf verzichtest, sie als Deine eigenen zu betrachten. Je mehr Du am ‘ich‘ hängst desto weniger wirst Du verstehen, denn dieses Ich ist nicht das Ich von jetzt und schon garnicht das Ich von morgen. Ich ist ein Fokus von Bewußtsein und stufenlos veränderbar. Es formt sich in jedem Leben neu. Du lernst mehr, wenn Du weniger Du bist, denn hier ist alles möglich.
Wir sind hier im Land der hemmungslosen Subjektivität. Wichtig ist vor allem, was Deine Visionen Dir bedeuten. Wenn sie Dich bewegen, wenn sie Dich verwandeln und wenn sie Dich auf Deinem Weg weiterbringen, sind sie, pragmatisch gesehen, wahr genug. Dein Hügel ist eine Vorstellung, aber dasselbe gilt für Deine Persönlichkeit, Deine persönliche Geschichte und all das was Du für Dich für wahr hältst. Es ist eine bardische Wahrheit, die die Welt zu einer Geschichte macht, und Dir Deinen eigenen Mythos verleiht. Das ist natürlich nicht das selbe wie eine wissenschaftliche Wahrheit, denn Subjektivität lässt sich nicht von anderen ermessen. Und all das entspringt einer Repräsentation. Du repräsentierst Deinen Hügel in Deiner Vorstellung. Du gibst ihm Bild und Ton und Gefühl. Die andere Seite gibt ihm Leben.
Vielleicht ist die Repräsentation überzeugend und vielleicht nicht. Nun, eine detaillierte Repräsentation überzeugt stärker als eine hingehudelte, schlampige oder schwache Vorstellung, aber was den Realitätsgehalt angeht ist eine so gut wie die andere. Beide könnten wahr oder falsch sein. Denn die Qualität Deiner Vorstellung ist keine Garantie für ihren Wahrheitsgehalt.. Ob eine Vision wahr oder falsch ist, hat hier keine Relevanz. Viel wichtiger ist, welche Vision für Dich jetzt nützlich ist. Auch das gehört zu den Wahrheiten der Druidinnen und Druiden, Barden, Zauberer, magischen Frauen, Hexen und Geschichtenerzähler. Der Hügel in den Du gehst ist ein unbekannter Teil von Dir selbst, und die Höhlen und Tunnel darin führen Dich weit darüber hinaus.
Gehe behutsam, lerne mit offenem Geist, finde die Schätze in Deiner Tiefe, vergiss das Beste nicht und kehre erfrischt und neu erschaffen zurück. Denn der Grabeshügel ist auch ein schwangerer Bauch und aus der Tiefe kommt ein neuer Mensch zurück. Jung und offenherzig und bereit zu staunen, lernen und zu lachen. Wie neugeboren.
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