Die Chroniken der drei Kriege S. A. Lee Die Chroniken der drei Kriege Band 4 Kinder der Schatten High Fantasy www.xoxo-verlag.de
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Der Plan
Der Hinterhalt
Fort
Aufbruch
Treppen und Stollen
Der Pfad
Die Abtrünnigen
Der Amodros
Die Nacht des Rìzhar
Schatten und Feuer
Zurück
Epilog: Erwachen
Anhang:
S. A. Lee
Die Chroniken der drei Kriege
Band 4
Kinder der Schatten
High Fantasy
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Laurae, deliciis meis
Für Laura, meine Herzensfreude
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Der Plan
Aracanon, Hauptstadt Nardéz, Frühwinter im Jahr 1098 des zweiten Zyklus
In den langen Jahren seines Lebens hatte Stilicho, Ordensvorsteher von Nardéz, eines gelernt: Menschen mochten wachsame Augen haben, wenn es darum ging, den eigenen Besitz zu mehren oder ihre Nachbarn zu denunzieren – für die wirklich wichtigen Dinge jedoch waren sie blind. Das war nur gut, denn umso bereitwilliger fielen sie auf die Täuschung herein, die ihn und die Seinen bereits seit einigen Monden zuverlässig schützte.
Und das, obwohl sie mitten unter ihnen lebten und Raubzüge zu Ehren ihres Gottes veranstalteten. Der junge Großfürst hatte in einem Anfall plötzlicher – und zugegeben unerwarteter – Erleuchtung den Urheber der nächtlichen Untaten ausfindig gemacht und den schwarzen Orden geächtet … Doch auch er hatte die geheime Tür im Tempel nicht gefunden, die verborgenen Stufen unter dem Altar, die tief hinab ins Erdreich führten, wo Stilicho gemeinsam mit seinen Ordensgeschwistern ungestört seinen Dienst für den Einen Gott verrichtete. Der magische Schutzschild, den er und seine Brüder um die Eingänge gewoben hatten, verbarg sie vor feindlichen Blicken. Mit jedem Opfer, das sie darbrachten, war dieser Schutz stärker geworden, sodass sie mittlerweile für Uneingeweihte praktisch unaufspürbar waren. Und bald würde ihre Macht vollkommen sein.
Der Alte streckte die Hand aus, um die Krähe zu sich zu locken, die sich durch einen der geheimen Luftschächte hinabgeschwungen hatte. Krächzend und flatternd ließ sie sich auf seinen gebeugten alten Fingern nieder, wobei ihre Krallen tief in die papierene Haut schnitten. Davon gänzlich unbeeindruckt, streichelte Stilicho ihr Gefieder und sprach leise auf sie ein, in einer Sprache, die nur den Mitgliedern des Ordens verständlich war und jedem, der sie hörte, ein Schaudern verursachte. Das Tier hörte ihm aufmerksam zu, dann, wie auf ein geheimes Zeichen hin, verharrte es regungslos, eines der schwarzen Augen auf ihn gerichtet. Der Ordensvorsteher verstummte und starrte zurück, ebenso lidschlaglos wie die Krähe. Eine scheinbare Ewigkeit verharrten sie so, dann ließ Stilicho ein leises, keckerndes Lachen hören, das seinen gebrechlichen alten Körper schüttelte, sodass die Krähe bedrohlich schwankte. Sie ließ ein entrüstetes Krächzen hören und blies ihr Gefieder auf, doch der Mann ignorierte es.
»Sie ist hier«, wisperte er in die Dunkelheit des Stollens hinein. »Sie ist hier!«
Aufgeregt humpelte er los, wobei sich der Vogel zornig kreischend von seiner Hand erhob und in die Finsternis verschwand.
Ächzend kämpfte sich der Alte die Gänge entlang, bis er zu einer winzigen, versteckten Kammer gelangte. Er betrat den Raum, in dem sich nichts weiter befand als ein steinerner Opfertisch – eine kleinere Ausgabe desjenigen, der in den oberirdischen Räumlichkeiten des Tempels für die Zeremonien benutzt wurde.
Ein hoher, rechteckiger Spiegel war darauf drapiert, das einzige Zeichen von Luxus, das es in den ansonsten feuchten und heruntergekommenen Gängen gab. Unter hastigen, pfeifenden Atemzügen kniete der alte Mann sich hin und hob eine kleine, verkrustete Opferschale vom Tisch. Ächzend schüttelte er die Ärmel seiner Robe nach hinten, sodass die dürren, fleischlosen Unterarme sichtbar wurden; sie waren mit Narben übersät. Mit einem Glühen in den milchigen Augen zog er einen kurzen, gebogenen Dolch aus seinem Gürtel und drückte die scharfe Klinge in das Narbengewirr. Einen Augenblick später quoll Blut hervor, das der Alte sofort mit zittriger Hand in der Opferschale auffing. Dann begann er mit geschlossenen Augen vor und zurück zu wippen, wobei er leise Gesänge murmelte, die unheimlich in dem kleinen Raum widerhallten.
Als er die Augen wieder öffnete, war die spiegelnde Fläche vor ihm schwarz. Ein Mann blickte ihn aus dem Spiegel heraus an, der dieselben Gewänder trug wie er, dessen Gesicht jedoch etwa vierzig Jahre jünger war und im Vergleich zu Stilichos glühender Begeisterung geradezu tot wirkte.
»Oberster«, keuchte der Alte mit einer mühseligen Verbeugung, »Oberster, ein Wunder ist geschehen! Das Gefäß ist hier!«
Einen Moment lang rührte sich das Gesicht im Spiegel nicht; es sah aus, als wären seine Züge in Stein gehauen. Dann jedoch lächelte der Mann und zeigte ungewöhnlich lange Vorderzähne.
»Der Dunkle ist wahrhaftig mit uns. Ich fürchtete schon, wir hätten sie durch die Nachlässigkeit der Brüder in Uvonagh verloren. Doch wie immer leitet Er das Schicksal in die Bahnen, die uns gewogen sind. Ich werde die übrigen Ordensvorsteher informieren, dass sie die Suche abbrechen können. Sie sollen so viele unserer Brüder wie möglich in die Hauptstadt des Westens schicken.«
»Oberster, das ist äußerst gefährlich«, wandte der alte Mann vorsichtig ein. »Der Großfürst von Aracanon lässt alle Zugänge zur Stadt überwachen – er weiß von unseren Bestrebungen hier und müht sich, uns aufzuhalten. Seit Wochen sind wir gezwungen, im Untergrund zu bleiben …«
» … und das ist allein deine Schuld!«, entgegnete der andere kalt. »Wenn du die, die dir anvertraut worden sind, zu mehr Umsicht angehalten hättest, wäre unser Zweck verborgen geblieben! Nun sind die Ungläubigen gewarnt und werden auf jeden Fremdling mit Argwohn reagieren! Deshalb wirst du dafür sorgen, dass unsere Geschwister gefahrlos in die Stadt hineinkommen.«
Das Gesicht des Alten wurde eine Spur blasser, doch er neigte gehorsam den Kopf.
»Wo ist das Gefäß jetzt?«, fragte der Mann im Spiegel.
Ein seltsames Zucken huschte über Stilichos faltiges Gesicht. »Im Palast, mein Oberster. Der Großfürst hat sie unter seinen persönlichen Schutz gestellt – es scheint, als wäre sie zusammen mit einer anderen Frau und einem Mann in die Stadt gekommen, die mit dem Großfürsten vertraut sind …«
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