Eintauchen in die Geschichte
Mitten in Brixens Altstadt, zwischen barockem Dom und Priesterseminar versteckt gelegen, befindet sich die ehemalige Dechantei, wo sich einst das Leben der Brixner Domherren abspielte. Mit dem neuen Wirtshaus „Decantei“ soll ein kleines Stück der Geschichte weiterleben. Nur sind es nicht mehr die hohen Herren, die hier Bier und herzhafte Speisen genießen, sondern jeder ist willkommen.
„Einfach nur ein Wirtshaus, ohne Schnickschnack“ sollte es werden, ein Gasthaus, in dem sich der Alltag vergessen lässt. Das war die Idee des Besitzers der Alten Dechantei. Geselligkeit, Bodenständigkeit und Leidenschaft zu verkörpern, dabei die Tradition der Südtiroler Stuben mit dem Zeitgeist zu verbinden, das war die Aufgabe an pedevilla architects aus Bruneck.
Zur Straße hin ließen die Architekten die Fassaden der „Decantei“ nahezu unverändert. Lediglich die ausgetauschten Fenster- und Türelemente machen auf das Neue aufmerksam. Öffnet man diese, so wird man eingenommen von der Magie der alten Gemäuer, deren bauliche Anfänge bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen und die sich mit den modernen Akzenten zu einer außergewöhnlichen Atmosphäre verweben. Um dies zu erzielen, gaben die Architekten dem Gebäude zunächst seinen ursprünglichen Charakter zurück. Eingebaute Räume und Oberflächen der letzten Jahre wurden zurückgebaut, historisch wertvolle Elemente erhalten oder wiederhergestellt, bereits vorhandene und zugemauerte Öffnungen im Sinne des Denkmalschutzes freigelegt. Die Geschichte soll für die Gäste von heute wieder erlebbar werden.
Im Inneren ist die „Decantei“ der historischen Struktur entsprechend in kleine Räume gegliedert. Von der Straße kommend betritt man die Bar, im hinteren Teil des Raumes liegt der Durchgang zu den aufeinanderfolgenden Gaststuben, die durch Abtrennungen und unterschiedliche Deckenstrukturen einzelne Bereiche bilden. Eine umlaufende Wandtäfelung in allen Räumen fasst die Zeitschichten optisch zusammen. Um die komplexe Altersstruktur des historischen Gebäudes für den Gast erlebbar zu machen, weisen Jahreszahlen aus Messing auf diese Zeitschichten hin. Von der Bar und von den Stuben aus setzt sich die Raumfolge nach außen fort: Der mittelalterliche Schattenhof auf der einen und der Sonnengarten auf der anderen Seite runden das Ensemble ab. Materialien und Oberflächen verbinden alles, aufs äußerste reduziert schaffen sie ein einzigartiges Ambiente und lassen die Tradition wiederaufleben. Heimisches Lärchenholz, händisch geglätteter Kalkfeinputz und handgefertigte Elemente aus Messing – Ausdruck lokaler Handwerkskunst.
Armin Pedevilla, Alexander Pedevilla
PROJEKTDETAILS
INNENARCHITEKTUR
pedevilla architects, Bruneck/Südtirol
GASTRONOMIE
Decantei - Das Wirtshaus
FERTIGSTELLUNG
Mai 2019
GESAMTFLÄCHE
800 m 2
GASTRAUM
431 m 2
ARBEITSFLÄCHE
165 m 2
PERSONEN IM SERVICE
1 Empfang + 2 Bartender + 7 Kellner
ANZAHL SITZPLÄTZE
90 innen, 120 außen
STANDORT
Hartwiggasse 5
39042 Brixen, Südtirol (I)
www.decantei.it
LAUDATIO VON
VERONIKA KAMMERER
Man kann gar nicht anders, als sich auf den ersten Blick in die spannungsvolle Atmosphäre dieses romantischen Industrielokals zu verlieben. Mit großer Eleganz setzt die Architektin Martha Chen Nunes den wertvollen baulichen Bestand dieser Werkshalle in Szene und arrangiert dazu perfekt abgestimmte Elemente. Der Raum bleibt in seiner ganzen Schönheit erlebbar und wird von stilvollem Mobiliar in warmer Materialität und Farbigkeit komplettiert. Das große Pfauenornament am Ende des Raums spiegelt sowohl das Konzept der Architektur als auch das der Gastronomie wider. Julia Komp, Deutschlands jüngste Sterneköchin, verwöhnt ihre Gäste mit einem kontrastreichen Mix aus exotisch-orientalischer und bodenständiger Küche, während das innenarchitektonische Gestaltungskonzept die Gegensätze von industrieller Lässigkeit und sinnlicher Eleganz zelebriert.
Dass das wundervolle und rundum gelungene Restaurant „Lokschuppen“ im August 2020 in Betrieb gehen konnte, gleicht beinahe der Lösung des Gordischen Knotens. Sollte die wunderschöne Industriehalle anfangs nur für ein Interimsgastspiel der Sterneköchin genutzt werden, wandelte sich der „Lokschuppen“ schließlich zur finalen Location. Ständige Umplanungen und Änderungen forderten der Architektin großen Einsatz, viel Idealismus und Geduld ab. Erschwerend kamen noch eine extrem kurze Planungs- und Bauzeit, das sehr sportliche Budget und zu guter Letzt der Corona-Lockdown hinzu, der die beiden Frauen sehr viel Energie kostete. Aber all diese Hürden konnten das Duo nicht stoppen, und seit diesem Sommer genießen die Gäste des „Lokschuppen“ die stimmungsvolle Atmosphäre dieses in jeder Hinsicht geglückten Restaurants in vollen Zügen.
Angekommen in der Heimat. Nach einem Jahr Weltreise auf der Suche nach Geschmäckern und Aromen, begleitet der Blick auf den Kölner Dom nun Julia Komp und ihre Gäste in „Lindgens Lokschuppen“.
1
Mit kleinem Budget galt es, in einem alten Lokschuppen die Sterne zum Funkeln zu bringen. Überarbeitetes Mobiliar fügt sich zusammen mit Thonet-und CooperStühlen zu einem stimmigen Bild, Beleuchtung aus dem Bestand wird durch Lampenhighlights von Boliaergänzt.
2
Auch im Außenbereich bleibt die alte Industriehalle erkennbar.
3
Die orientalischen Lampen an der Empfangs- und Loungetheke verraten den Gästen beim Eintritt, in welche Lieblingsländer von Julia Komp die kulinarische Reise gehen wird.
4
In den warmen Monaten bleibt das große Hallentor geöffnet, die Terrasse und der Innenraum verbinden sich zu einem Ganzen.
Wandgestaltung: Coordonné Edo goldTapete | Sitzmöbel: Thonet 107Stuhl, Eichholtz Cooper Dining Chair, Bolia Grace| Theke: CoolCompact, Hagola| Beleuchtung: Bolia KirePendelleuchten | Gedeck/Geschirr: RAKGeschirr, Mepra InoxGedeck, Riedel PerformanceGlasware | Küchenausstattung: Vorwerk Thermomix, KitchenAid, MKN, Rational, WessamatEiswürfelmaschine, HeicaEismaschine | Kühltechnik: CoolCompactGetränke-/Gefrier-/Kühlschränke, HagolaTheken, LiebherrWeinkühlschränke, ViessmannKühlhaus | Spültechnik: Meico| Lüftungstechnik: Wolf, Haas & Reuten| Kassensystem: Sam4s, NCR Orderman
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