Heidelberg. Wissenschaftler, Dichter und Denker. Der Blick vom Philosophenweg auf die andere Seite des Neckars, auf die historische Altstadt am Fuße des Schlossbergs. In den engen Gassen auf den Spuren der Romantik. Die älteste Universitätsstadt Deutschlands kann aber auch anders! Denn flussabwärts hat die Industrialisierung ihre Spuren hinterlassen. Und so erhebt sich der ehemalige Bahnwasserturm als Industriedenkmal zwischen den Bahngleisen – der „TANKTURM“.
30 Meter ragt er zwischen den Gleisen in die Höhe, der quadratische Wasserturm mit seinem Zeltdach, wenige Kilometer westlich vor Heidelbergs Hauptbahnhof. Mit seinen zwei Seitenflügeln für Werkstätten entstand das Bauwerk in den Zwanzigerjahren als Betonkonstruktion mit Ziegelfassade. Nachdem hier bis 1972 Dampflokomotiven mit Wasser betankt wurden – 333 Kubikmeter Speicherkapazität in den oberen Geschossen bei 27 Meter Wasserspiegelhöhe – legte man das Gebäude in den Achtzigerjahren still und stellte es unter Denkmalschutz. Rund zehn Jahre hatten die Architekten Stefan Loebner, Armin Schäfer und Stephan Weber von ihrem damaligen Büro aus den Turm im Blick. 2014 schließlich kauften sie das Bauwerk, um das Industriedenkmal in ein Kultur- und Veranstaltungszentrum zu verwandeln.
Mit sensiblen Eingriffen in die Substanz konnten die Architekten die markante Kubatur und die Außenhülle nahezu unberührt lassen. Neben ihren eigenen Büroräumen im Ostflügel beherbergt das Gebäude nun Proberäume sowie anmietbare Seminar- und Veranstaltungsräume.
Wo einst Eisen lagerte und die Trafostation untergebracht war, verbirgt sich ein kleines Juwel: Über Mittag lädt der „TANKTURM“ in seine kulinarische Kantine, die „Ladestation“. Denn gemeinsam zu essen halten die Eigentümer „für eine zentrale Kultur- und Sozialbefähigung, die es zu pflegen gilt“. So sind Nutzer des Gebäudes wie auch Gäste aus der Umgebung willkommen, sich nicht nur an den Kreationen des Küchenchefs Jens Hoehne zu stärken, sondern auch durch Austausch und gegenseitige Inspiration hier im Untergeschoss.
Von der Galerie mit der Küchenstation gelangt man über wenige Stufen hinab in den fast 4 Meter hohen Gastraum. Dieser überzeugt durch seine warme und besondere Atmosphäre, die die historischen Stampfbetonwände mit ihrer Materialität und Farbigkeit schaffen. Wenige, in dunklem Ton gehaltene konstruktive und technische Elemente stehen in ausgewogenem Kontrast zu den rauen Oberflächen der historischen Wände. Im Dialog mit den glatten Betonflächen des Lichthofs reagieren sie auf das einfallende Tageslicht und die Stimmung hier zwischen den Gleisen.
„Gemeinsames Essen und Machen ist eine zentrale Kultur- und Sozialbefähigung, die es zu pflegen gilt. Mit seinem multifunktionalen und unkonventionellen Konzept bietet der ‚Tankturm‘ dafür einen zeitgemäßen und attraktiven Lebensort.“
ARMIN SCHÄFER + STEFAN LOEBNER + SEPHAN WEBER, AAG LOEBNERSCHÄFERWEBER
Armin Schäfer, Stefan Loebner, Stephan Weber
PROJEKTDETAILS
INNENARCHITEKTUR
AAg LoebnerSchäferWeber
Freie Architekten GmbH, Heidelberg
GASTRONOMIE
TANKTURM Gastwirtschaft
FERTIGSTELLUNG
Dezember 2015
GESAMTFLÄCHE
960 m 2
GASTRAUM
63 m 2
ARBEITSFLÄCHE
40 m 2
PERSONEN IM SERVICE
1
ANZAHL SITZPLÄTZE
50
STANDORT
Eppelheimer Str. 46
69115 Heidelberg (D)
www.tankturm.de/gastwirtschaft/
Die Auszeichnungen
LAUDATIO VON
ANNE PETERSEN
Die Idee von „Ferien in der eigenen Stadt“ ist immer charmant, auch wenn sie in den Monaten der Corona-Krise eine ganz neue Bedeutung bekommen hat. Das „Gül Restoran“ ist eine Oase mitten in Zürich. Versteckt in einem Hinterhof bietet es seinen Gästen eine kleine Reise in die Heimat seiner türkischstämmigen Betreiberin Elif Oskan. Und genau das war auch die Aufgabe für Architektin Deborah Suter und Interior-Designer David Suter. Wie viel Spaß dieser Ausflug ins Morgenland den beiden Gestaltern gemacht haben muss, sieht man dem Ergebnis an. „Gül Restoran“ ist ein Restaurant, das – genau wie der gesamte Markenauftritt des „Güls“ – sehr viel Humor und Fröhlichkeit ausstrahlt. Im Zentrum des offenen, hellen Gastraumes steht der Holzkohlegrill Ocakbasi, traditionelle bunte Iznik-Fliesen mit wunderschönen Mustern zieren selbst die Küche. Dies ist genau die richtige Prise Folklore, die das Design des Restaurants brauchte. Gepaart mit der nüchternen Möblierung in Weiß, Grau und Mintgrün entstand ein absolut moderner, zeitgemäßer Ort. Die Gäste wissen sofort, wo die Reise hingeht, auch wenn sie tatsächlich nur endlich einmal wieder essen gehen möchten.
Getrocknete Auberginen und Paprika, von der Decke hängend, lassen die Gäste gedanklich auf die Gewürzmärkte Istanbuls reisen, während das Lichtspiel der Crystal Pendelleuchtendes türkischen Herstellers Dr. Lightan die funkelnden Lichter der Stadt erinnert.
1
Die von den Architekten entworfenen Holzbänke bilden als Verkleidung der Säulen auch Sitzinseln im Raum.
2
Der warme Kupferton im Küchenbereich zusammen mit dem zarten Mintgrün der Theke geben den farbenfrohen Mustern der Iznik-Fliesenaus einer kleinen Manufaktur in Istanbul den angemessenen Raum zum Strahlen.
3
Einst als Pferdestallung für den „Tellhof“ gebaut, erinnern die großen Fensterfronten des heutigen Gastraums an die Nutzung des Hofgebäudes als Werkstatt im letzten Jahrhundert.
4
Von allen Plätzen im Gastraum aus lässt sich das lebhafte Treiben rund um den Ocakbasi-Holzkohlegrill in der Küche beobachten.
Wandgestaltung: DoldWandfarbe | Textilien: ELITIS PrivateVorhang | Sitzmöbel/Tische: Entwurf suter plus GmbH SIA, Ausführung Hee Swiss Design | Beleuchtung: Dr. Light Istanbul, Crystal Ceiling| Gedeck/Geschirr: DkristalVaso/Sella Pinta, SpiegelauWeingläser, SeraxTeller/Schalen | Küchenausstattung: Holzofen und Kohlegrill geplant durch suter plus GmbH SIA, Alig Grossküchen AGKüche | Kühltechnik: Baumgartner Kühlanlagen AGKühlzelle, Alig Grossküchen AGKühlschubladen | Lüftungstechnik: Planung Grisoni Klima Lüftung GmbH, Ausführung Hauser & Schwerzmann Haustechnik AG| Sanitäranlagen: Laufen CompactWC, Villeroy & Boch O.NovoWaschbecken, VolaArmatur | Kassensystem: Lightspeed
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