„Das auch, denn er ist ein Könner. Passen Sie mal auf, was der uns für Manöver vorführt! Der Mann weiß, was er will. Aber der eigentliche Grund ist – na, der da.“ Dabei zeigte er abfällig mit dem Daumen zu jener Stelle, wo sich die Kammer des Marquess befand.
„Sie haben die ‚Hornet‘ in seinem Namen beschlagnahmen lassen?“ fragte Hall.
Diesmal lächelte der Erste unergründlich.
„Der Ehrenwerte weiß gar nicht, welche und wie viele Befehle er an einem Tag so gibt. Die Aufregung, verstehen Sie? Aber man wird ihm das ganz sicher später verübeln, falls es der alte Herr erfährt, der seinem Söhnchen sowieso nicht grün ist. Er hat nämlich gar nicht das Recht, etwas zu requirieren, er bildet sich das nur ein.“
„Aber, Sir“, sagte Hall erschauernd, „das ist ja fast Meuterei.“
„Da irren Sie sich aber, Mister Hall. Mir wurde ausdrücklich erklärt, ich hätte auch ohne seinen Befehl alles Erforderliche zu veranlassen. Und mehr habe ich nicht getan.“
Mister Hall schluckte nur. Da scheint sich ja einiges anzubahnen, dachte er entsetzt.
Thorfin Njals Stunde war da, als es aufklarte und hell wurde.
Schon als die Musketenschüsse erklangen, da hatte ihn der erste Lachanfall ereilt, denn die Trottel auf den englischen Schiffen konnten doch nicht im Ernst annehmen, sie würden treffen.
Jetzt war er an der Flotte vorbei und wurde von der immer schneller segelnden „Isabella“ überholt, auf der die Seewölfe ebenfalls in schadenfrohes Gelächter ausbrachen, als sie das Wuhling bei dem ehrenwerten Marquess sahen.
Aus dem ganzen Haufen hatte es lediglich die kleinste Galeone geschafft, sich freizusegeln, und sie segelte jetzt frech und auffordernd in ihrem Kielwasser.
Thorfin hockte in seinem „Sesselchen“ auf dem Achterdeck, einer Art hölzerner Riesenthron, in dem drei normale Kerle Platz gehabt hätten, und beobachtete aus wachen Augen alles, was sich so tat.
Er hatte jedem an Bord befohlen, sich so dämlich wie nur möglich zu benehmen, bis er den Befehl widerrief, und so handelten die Kerle auch mit einem wahren Feuereifer. Der Stör zum Beispiel, fand Thorfin, der spielte seine Rolle als schlechter Seemann perfekt. Er tat nicht nur so dämlich, er sah auch so dämlich aus, denn sein ohnehin viel zu langes Gesicht, das ihm den Namen Stör eingebracht hatte, wirkte jetzt noch viel länger.
Der Bootsmann Juan steuerte einen haarsträubenden Kurs, vor dem es jeden ehrlichen Seemann gegraust hätte, und dazu waren bei diesem Wind auch noch die Segel falsch gesetzt, aber doch so, daß Thorfin kein Risiko einging und es gerade noch verantworten konnte.
Die zweite Galeone kam klar, wie der Wikinger bemerkte. Sie schor aus dem Verband und versuchte, aufzusegeln.
„Was ist, wenn sie auf uns das Feuer eröffnen?“ erkundigte sich der Boston-Mann. „Sie haben sich ja immerhin auch nicht gescheut, uns mit Musketen zu beharken.“
„Wenn sie das wagen“, erklärte Thorfin gemütlich, „dann brenne ich diesen Torfkähnen eins auf den Pelz, und wir hauen endgültig ab nach Norden. Ich habe denen schließlich nichts getan, und ein Angegriffener hat das Recht, sich zu verteidigen. Was heißt hier Recht? Er hat die verdammte Pflicht, sich zu wehren.“
„Aber es ist immerhin ein königliches Geschwader“, gab der Boston-Mann zu bedenken.
„Für mich gibt’s keinen König“, erklärte der Riese stur. „Ich bin mein eigener König, und mir hat niemand was zu befehlen. Wenn wir auch nur einen Böller abkriegen, dann antworten wir mit einer ganzen Breitseite, und ich lasse diesen aufgeblasenen Frosch in die Luft fliegen, dieses brustsaugende Muttersöhnchen, dieses windelweiche.“
Er drehte sich und sah den Bootsmann an.
„Juan!“ brüllte er mit seiner Donnerstimme. „Du segelst immer genau nach meinem Daumen. Auf alles andere brauchst du nicht zu achten. Wenn der nach Backbord zeigt, dann legst du das Ruder nach Backbord, oder umgekehrt.“
„Alles klar“, sagte der Bootsmann grinsend, denn sie alle empfanden eine direkt niederträchtige Schadenfreude und wollten es dem brustsaugenden Muttersöhnchen einmal zeigen, wie Thorfin sagte.
Die kleinste Galeone war schnell und wendig, obwohl sie etwas plump wirkte. Aber sie holte langsam auf. Dem Wikinger entging auch das nicht, und er hielt den Daumen nach Steuerbord, weil das Schiffchen da aufzusegeln begann.
„Eiliger Drache über den Wassern“ ging aus dem Kurs und gierte weiter dem Land zu. Das aufsegelnde Schiff war gezwungen, ebenfalls auszuweichen, wenn es in den riesigen Segler nicht hineinlaufen wollte. An dem würde es sich alle Planken knacken, das war sicher. Der Schwarze Segler hingegen war aus einer Art Eisenholz gebaut, hart und unverwüstlich, und er vertrug eine ganze Menge. Bei einer Kollision wurde nur ein ganz unbeträchtlicher Schaden entstehen.
Achteraus nahmen die Kerle ein Segel weg, es blieb ihnen nichts anderes übrig. Thorfin drehte sich um und linste grinsend durch den Kieker, damit ihm ja auch nichts entging.
„Was schreit der Kerl da achteraus?“ fragte er.
„Wir seien verfluchte Ratten und Nachttopfsegler!“ rief Juan.
„Da hat er recht“, sagte Thorfin trocken. „Genauso sieht es auch aus.“
Sein riesiger Daumen bewegte sich zur anderen Seite, und so gierten sie den vor Wut berstenden Engländern immer wieder vor dem Bug hin und her, bis das Gebrüll achteraus lauter und wilder wurde.
Thorfin hörte andächtig zu, wie sie ihn verfluchten, beschimpften und dauernd brüllten, daß nicht mal ein Torfschipper seinen Kahn so lausig segeln würde.
Hin und wieder ertönte Thorfins wildes Gelächter und das der anderen Wikinger, die sich an dem Schauspiel ergötzten. Dann richtete er den Blick wieder auf die „Isabella“ und sah ihr bewundernd nach. Keiner der Engländer würde sie einholen, sie schafften nicht einmal die halbe Geschwindigkeit, aber Thorfin wollte ihnen noch ein wenig im Weg sein und so lange herumkrebsen, bis sie sich grün und blau über ihn ärgerten.
Einer nach dem anderen hatte sich jetzt freigesegelt und nahm die sinnlose Verfolgung auf. Und weil der Wikinger schlecht und falsch besegelt war, rückte die Meute langsam, aber unaufhaltsam näher heran.
Immer wieder gierte das Schiff hin und her. Thorfin lachte sich über die Ausweichmanöver der anderen krank, stand schließlich auf und stellte sich ganz achtern aufs Deck. Von dort sah er grimmig dem im Kielwasser herumgurkenden Geschwader zu.
„Könnt ihr nicht aufpassen, ihr Idioten!“ schrie er mit Donnerstimme. „Ihr beschädigt mir ja mein schönes Schiff.“
Auf der einen Galeone waren die Leute direkt verblüfft. Die meisten der Männer hatten den Wikinger noch nie gesehen, und als sie jetzt den behelmten Schädel und den wilden, rötlichgrauen Bart sahen und diese gewaltige Stimme vernahmen, da zuckten sie unwillkürlich zurück.
„He, du Helmträger!“ brüllte einer. „Du fährst wohl das erste Mal zur See, was? Trimm mal deine Segel richtig und bring uns mit deinen gewagten Manövern nicht in Gefahr. Wenn du schon so langsam segelst, dann laß uns in dem engen Fahrwasser wenigstens vorbei!“
Thorfin stützte seine mächtigen Arme auf.
„Ich kann segeln, wie ich will, verdammt! Und bei diesem Wetter, da segelt man eben mit Bramsegeln, ihr Tranköppe!“
„Ihr seid ja alle besoffen!“ rief ein anderer.
„Gut, gut, wie ihr wollt!“ schrie der Wikinger zurück. „Dann weichen wir eben aus!“
Als der Daumen sich ganz nach auswärts spreizte, da legte der Bootsmann Hartruder, und „Eiliger Drache“ schwang herum. Er schwang nur viel zu hart herum, und weil niemand die Segel nachtrimmte – sie standen alle da und glotzten die Galeonen an – krängte das Schiff leicht über.
Die Gesichter von Thorfins Männern schienen entsetzt und verwundert, aber das war nur gespieltes Entsetzen.
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