Auf den Galeonen der Engländer hingegen war das Entsetzen absolut echt. Schreie von mehreren Männern erklangen gleichzeitig. Entsetzte Gesichter blickten zum Achterkastell des Schwarzen Schiffes, und üble Flüche erklangen.
Jean Ribault schüttelte nur den Kopf, als er das Unheil herannahen sah. Nichts und niemand bewahrte die achteraus segelnde Galeone noch vor dem Rammstoß.
„Verflucht, lauf doch nicht in mein Schiff hinein!“ rief der Wikinger in höchster Not. Danach verzog er sich hinter das Schanzkleid und wollte sich krank lachen.
Gleich darauf krachte es hart. Der Bugspriet der Galeone bohrte sich scheinbar wie ein gewaltiger Degen in die Bordwand des Schwarzen Seglers, als wollte er darin verschwinden und ein riesiges Loch hinterlassen.
Doch kaum berührte der Bugspriet das schwere und eisenharte Holz, da knirschte es und er verschob sich, wie von gewaltiger Hand achtlos zur Seite gedrückt. Die Bugsprietzurring flog auseinander, die Blinde knickte weg, und das alles hob sich mitsamt der Beting und dem großen Fangnetz bis zur Back hinauf. Zurück blieb ein wüster Trümmerhaufen. Und zu hören war das Schreien der Soldaten und Seeleute, die den Wikinger in allen Tonarten beschimpften und verfluchten.
Der Nordmann jammerte jedoch nicht minder, obwohl sein Schiff nicht die geringste Beschädigung aufwies. Er stand da oben wie ein racheschnaubender Gott und beleidigte nun seinerseits die Soldaten und Seeleute auf die allerübelste Weise und unterstellte ihnen, sie hätten das absichtlich getan, und man würde es ja am besten daran sehen, daß sie es von der anderen Seite ebenfalls versuchten, denn da würde es gleich wieder krachen.
Da krachte es auch gleich noch einmal, obwohl alle Hands eifrig zupackten, um ihr Schiff freizusegeln.
Diesmal war es die kleine Galeone, die durch das erneute Ausweichmanöver an das Heck des Schwarzen Seglers geriet.
Thorfin schrie erneut wie ein Wilder, riß seinen Helm vom Schädel, schmetterte ihn voller Zorn auf die Planken und hob ihn dann wieder auf, um ihn sich überzustülpen.
„Das werdet ihr mir büßen!“ brüllte er. „Das ist Absicht, dafür gibt es keine Entschuldigung, ihr Halunken! Ich werde euch um ein neues Schiff verklagen.“
Jetzt drohten auch noch die beiden gerammten Galeonen, aneinanderzugeraten, doch das konnte gerade noch verhindert werden.
Achteraus des Schwarzen Seglers sah es wie auf einem Hühnerhof aus. Da scharrte und krebste alles durcheinander, da war ein Geschrei, daß man sein eigenes Wort nicht mehr verstand, und da flogen auch schon die ersten Trümmer in die See, die sich vom Bugspriet lösten.
Fäuste wurden geschwungen und gedroht, man würde den Kerlen gleich eins verpassen, und sie sollten endlich einmal ihre Segel richtig setzen, um überhaupt manövrieren zu können.
Thorfin scherte das alles nicht. Er hatte aus dem stolzen Geschwader des Marquess innerhalb kurzer Zeit einen regelrechten Saustall gemacht, auf dem alles drunter und drüber ging.
Der Marquess, der wieder auf dem Achterdeck erschienen war, wurde leichenblaß, als er das sah. Sein Erster Offizier dagegen blickte sehr nachdenklich auf das Schwarze Schiff und wollte nicht glauben, daß es eine Mannschaft gab, die von der Seefahrt rein gar nichts verstand.
„Ein Wahnsinniger“; stammelte der Marquess entgeistert. „So was darf doch gar nicht zur See fahren. Wir werden ihn zum Stoppen auffordern, damit er in den Hafen zurückläuft und den Schaden ersetzt. Sind die Kanonen geladen?“
„Feuerbereit, Marquess.“
„Dann lassen Sie diesem Verrückten einen Schuß vor den Bug setzen.“
„Darf ich bemerken, Sir, daß wir mit ihm nicht einmal auf gleicher Höhe sind? Wir würden nur unsere eigenen Schiffe treffen.“
„Ach, ja, richtig, ich bin ganz durcheinander über diese Unverfrorenheit. Dann laufen wir Backbord an ihm vorbei.“
Das versuchten sie zwar schon die ganze Zeit, doch die Wuhling vor ihnen, Marquess Henry hatte sich natürlich wieder als letzter freigesegelt, war noch zu groß. Sie würden bestenfalls in diesen ungeordneten und wie wild herumkrebsenden Haufen hineinrennen.
Dem Marquess kam jedoch zu Hilfe, daß der Wikinger wieder zu gieren begann, nach Steuerbord diesmal, und so konnten sie auf der anderen Seite endlich vorbei. Doch von da an hatte der Marquess das Interesse an dem Schwarzen Schiff verloren. Er sah, daß die „Isabella“ einen langen Schlag nach Südost segelte und erblickte die erste Chance, doch noch eine Breitseite abfeuern zu können.
Diesmal gab er seine Befehle ganz gewitzt und von der Gier getrieben, diesem Seewolf endgültig eins auszuwischen. Die Leichenblässe in seinem Gesicht wandelte sich langsam in hektische Röte. Jetzt hat der Bastard auch einen Fehler begangen, dachte er, denn nun konnte er ihm zwar nicht mehr den Weg verlegen, ihn aber doch noch so eben vor die Rohre kriegen.
In fast spitzen Winkel segelten sie scheinbar aufeinander zu, doch das sah nur so aus, denn der „Staatsfeind“ ließ augenblicklich anbrassen und ging auf Steuerbordbug.
„Feuer!“ befahl der Marquess daher militärisch knapp. „Danach sofort wieder alle Geschütze laden.“
An Deck brüllten die Rohre auf und zuckten wild und feurig zurück, nachdem sie ihr Maul voller Eisen ausgespien hatten.
„Etwa achtzig Yards zu kurz“, schätzte der Erste, als die Wassersäulen wie staubige Fontänen aus der See stiegen.
Als die Rohre wieder nachgeladen waren, gab es einige Verwirrung bei dem kleinen Geschwader, denn offensichtlich hatte einer der Tölpel auf dem Schwarzen Schiff ebenfalls an einer Kanone herumgefummelt. Mit donnerndem Getöse löste sich ein Schuß, und ein riesiges Ding klatschte so dicht vor eins der Schiffe, daß die aufbrechende Wassersäule das Deck mit einem Schauer von Gischt überschüttete.
Der Donner war kaum verhallt, da gab es eine neue Überraschung. Diesmal duckten sich fast alle, denn keiner konnte sich das seltsame Heulen und Pfeifen erklären, das in der Luft lag.
Da stieg etwas mit nervtötendem Kreischen, Jaulen und Heulen in den Himmel, flitzte da so irrsinnig schnell herum, daß man es gar nicht richtig sah und nur hin und wieder Funken erkennen konnte, die vom Himmel fielen.
Der Marquess ging augenblicklich in Deckung, denn es hörte sich so an, als würde der Himmel über ihnen nach unten stürzen.
Das Heulen erreichte einen mißtönenden Höhepunkt. Dann folgte aus großer Höhe her ein Knall wie das Brüllen einer Breitseite.
Und dann ging tatsächlich die Welt unter, oder der Himmel stürzte ein, wie es alle befürchteten. Farbige Sterne zerplatzten, grüne und rote, blaue und golden schimmernde. In einer mächtigen Wolke verteilten sie sich und flitzten dann unter weiterem explosionsartigem Geknatter nach allen Seiten.
„Das ist das Ende“, sagte jemand laut, „möge der Herr unseren armen Seelen gnädig sein.“
Ein paar Männer sanken betend auf die Planken. Der Marquess hatte das Gefühl, als würde durch seine Adern nicht mehr blaues Blut, sondern nur noch heißes trockenes Pulver rieseln.
Das war wirklich das Ende, dachte er noch, jetzt fiel ihnen allen wahrhaftig der Himmel auf den Kopf. Als er dann einmal hochblickte, war alles ruhig und friedlich, keine Sonne war herabgefallen, und kein Himmel war eingestürzt. Niemand fand eine Erklärung dafür, bis auf den Zweiten Offizier, Mister Hall.
„Es gibt nur eine Erklärung“, sagte er ernst und blaß. „Dieses Schwarze Schiff steht mit dem Teufel im Bunde. Es kann nicht anders sein. Dort scheint Old Nick persönlich an Bord zu sein.“
Ja, das glaubten jetzt die meisten, daß hier Old Nick, wie der Teufel auf den englischen Schiffen genannt wurde, seine Hand im Spiel hatte, denn kein normaler Mensch konnte diesen Höllenausbruch an schrecklichen Farben und entsetzlichem Geheul in den Himmel zaubern.
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