„So ist es“, sagte Old Donegal dumpf, „vor allem gilt das für die Walpurgisnacht. Da reiten sie nicht nur auf Besenstielen, sondern auch auf Ziegen und Böcken zum Blocksberg, wo sie sich mit dem Teufel auf unzüchtige Handlungen einlassen!“
„Erklär das mal näher“, verlangte Carberry wißbegierig.
Old Donegal warf einen Blick nach achtern – und blieb stumm.
Dort stand nämlich Philip Hasard Killigrew, breitbeinig und die Fäuste in die Hüften gestützt. In seinen Augen schimmerte Gletschereis. Old Donegal zog den Kopf ein, drehte sich nach links und marschierte mit pochendem Holzbein zum Vorschiff.
„Wenn’s spannend werden soll, haut er ab“, grollte Carberry hinter ihm her.
Gary stieß ihn an und flüsterte: „Der Kapitän hat mitgehört!“
„Ach du Scheiße“, murmelte Carberry.
„Sollte da eben jemand etwas von Hexen auf Besenstielen und so weiter geschwafelt haben“, rief Hasard, „dann bitte ich das zu vergessen! Es handelt sich wieder mal um die Weisheiten eines Narren, der geistig nicht in der Lage ist, eine Katze von einem Rappen zu unterscheiden. Wenn der Kutscher hier wäre, würde er das vermutlich mit Altersschwachsinn bezeichnen. Aber der Kutscher ist überfällig und mit ihm sechs weitere Arwenacks. Das muß nicht unbedingt Gefahr signalisieren, aber ich möchte das auch nicht bagatellisieren. Ich schlage vor, daß wir noch einen Trupp an Land schicken, um ihn erkunden zu lassen, wo unsere Leute abgeblieben sind. Hat jemand einen anderen Vorschlag?“
Don Juan de Alcazar hob die Hand. „Nur den, daß ich den Trupp übernehme.“
„In Ordnung, Juan“, sagte Hasard. „Wer soll dich begleiten?“
„Der Profos, Ferris und Smoky.“
„Einverstanden. Ihr auch?“ Hasard blickte zu den drei Mannen.
Sie nickten und zeigten klar.
Don Juan sagte nachdenklich: „Unsere sieben Mann waren unbewaffnet. Vielleicht sollten wir das nicht tun.“
Hasard überlegte und schüttelte den Kopf. „Bisher habe ich hier keine ablehnende oder gar feindliche Haltung uns gegenüber erkennen können. Wir haben uns als Engländer vorgestellt und unsere Absicht erklärt, Proviant einzukaufen. Wenn ihr jetzt bewaffnet an Land geht, kann ein anderer Eindruck entstehen, verstehst du?“
„Das schon“, erwiderte Don Juan, „nur ist es eben doch merkwürdig, daß die sieben Mann noch nicht zurückgekehrt sind. Es geht auf den Abend zu. Aber gut, zeigen wir also weiterhin unsere friedlichen Absichten. Mir ist es recht.“ Er blickte zu Carberry, Ferris Tucker und Smoky. „Und ihr? Wollt ihr Waffen mitnehmen?“
Carberry grinste und streichelte mit der Linken seine rechte Pranke. „Ich hab’ meinen Hammer dabei, der genügt mir. Pistolen kann ich nicht leiden, die knallen immer so laut, und dann laß ich sie vor lauter Schreck fallen.“
Ferris Tucker, der rothaarige Riese, erklärte, das ginge ihm genauso wie seinem lieben Freund Ed. Und Smoky verkündete gar, er kriege bei dem Geballere von Pistolen immer Kopf sausen und sei danach noch drei Stunden schwerhörig.
Carberry bestätigte das, erhöhte Smokys Schwerhörigkeit jedoch auf sechs Stunden, die ihm ein wahres Kreuz seien, weil er in dieser Zeit seinem lieben Freund Smoky alles ins Ohr brüllen müsse, und doch verstehe er dann davon nur die Hälfte oder gar nichts.
„Und nach den sechs Stunden bin ich immer ganz heiser“, versicherte der Profos, „so heiser, daß ich was trinken muß, um meine Stimme wieder zu ölen.“
„Vornehmlich mit Milch und Honig, nicht wahr?“ sagte Hasard.
„So ist es, Sir“, erwiderte der Profos mit biederer Miene.
Das war alles mal wieder mehr Dichtung als Wahrheit – vor allem, was die Handhabung von Pistolen betraf, mit denen sie jedes Duell als Sieger bestehen würden. Und daß die Dinger knallten, hatte sie noch nie gekratzt. Nur wollten sie – etwas großspurig – kundtun, daß sie Manns genug seien, die Hölle auch ohne Wasser und Feuerpatsche anzugreifen.
Als sie von Bord gehen wollten, tauchte Old Donegal wieder mittschiffs auf und teilte ganz allgemein mit, daß er nachgedacht habe. Und er rate ihnen in aller Dringlichkeit, Waffen mitzunehmen.
„Wir möchten die Leute von Burgas nicht provozieren, Donegal“, sagte Don Juan.
Der Alte kniff die Augen zusammen und entgegnete: „Dann denke mal darüber nach, was passierte, bevor wir hier einliefen. Hatten wir die Fischer da draußen im Golf etwa provoziert? Doch wohl nicht, wenn ich das richtig sehe. Aber was taten die Kerle? Sie nannten uns stinkende Ratten und Abschaum der Menschheit und wünschten uns die Pest an den Hals. Und einer hätte dem Profos beinahe ein Loch in den Kopf geschossen. Stimmt das, oder stimmt das nicht?“
„Stimmt“, sagte Don Juan. „Und ich schätze, diese Fischer hielten uns für Piraten oder Schnapphähne.“
„Sehr gut!“ lobte Old Donegal. „Und was ist, wenn uns die Leute von Burgas für das gleiche halten, he?“
„Tun sie aber nicht“, sagte Don Juan, „denn Hasard hat dem Hafenkommandanten erklärt, wer wir seien. Es war eine insgesamt freundliche Unterhaltung ohne jeden Mißklang, und der Hafenkommandant empfahl uns sogar den Kaufmann Kymet und schickte uns den kleinen Achmed als Führer.“
„Und wo sind, bitte sehr, unsere Leute?“ fauchte Old Donegal.
Don Juan lächelte. „Um eben das zu ergründen, gehen wir jetzt an Land, Donegal.“
„Ja, unbewaffnet, ihr Idioten!“
„Donegalchen“, säuselte der Profos, „brauchst du ein bißchen Klopferchen auf dein Popöchen?“
„Beklopf dein Affenärschchen doch selbst, du Dummbärtchen!“ polterte Old Donegal. „Am besten mit deinem Hämmerchen!“ Wütend ruckte Old Donegal herum und marschierte wieder zum Vorschiff.
„Jetzt ist er in Braßchen“, sagte Carberry ein bißchen verdattert – dies jedoch hauptsächlich deswegen, weil Old Donegal den Profos-Hammer arg verniedlicht hatte. Dagegen waren „Affenärschchen“ und „Dummbärtchen“ wirklich harmlose Koseworte.
Na, da würde er dem alten Zausel später wohl mal den beachtlichen Unterschied zwischen Hammer und „Hämmerchen“ verklaren müssen.
Daß dieser jedoch mit seiner Einschätzung der Situation – was das Verhalten der Fischer im Golf von Burgas betraf – genau ins Schwarze getroffen hatte, das wurde keinem der Arwenacks klar. Ihnen ging nicht auf, daß man sie für Igor Samoilows Halsabschneider halten mußte, denn sie segelten auf deren Dubas, die an diesen Küsten „bekannt wie ein bunter Hund“ war.
Selim Güngör, der türkische Hafenkommandant von Burgas, war kein ausgesprochen kriegerischer, aber ein sehr listiger Mann. Er hatte sich mit eher weichen Knien und unter Milizbewachung auf den Steg begeben, um irgendwie zu erreichen, daß die russischen Schlagetots nicht über Burgas herfielen.
Zwar hatte ihn deren Freundlichkeit überrascht und wie wüste Strolche hatten sie auch nicht ausgesehen, aber das war Tarnung gewesen. Genauso hatte er ihnen nicht abgenommen, daß sie Proviant einkaufen wollten. Nein, das war ein Trick: sie wollten erfahren, wo es etwas zu erbeuten gab. Natürlich bei einem Kaufmann, wo denn sonst! Da schlug man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, denn außer den Sachwerten pflegte ein Kaufmann auch über Barmittel zu verfügen.
Und so hatte der listige Güngör blitzschnell die Idee gefaßt, den Spieß umzudrehen – nämlich die Gelegenheit beim Schopf zu packen, wenn die Kerle beim Kaufmann Kymet sondierten. Dort würde man sie geschickt überrumpeln und festsetzen, je mehr, desto besser, denn je weniger sich auf der Dubas befanden, desto eher würden sie zur Kapitulation bereit sein. Notfalls konnte man die bereits gefangenen Kerle als Geiseln benutzen, um Samoilow zur Übergabe zu zwingen.
Mehmet Kymet war sofort einverstanden gewesen, die Hauptrolle in diesem Coup zu übernehmen. Er hatte auch allen Grund dazu, denn er sollte ja ausgeplündert werden. Und er war schon ausgeplündert worden – von der Bande des Igor Samoilow! Darum hatte er seinen Küstenhandel einstellen müssen. Die Kerle hatten nämlich seine Handelssegler überfallen und ausgeraubt bis auf den letzten Nagel.
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