Einige Aualuma streiften ungeniert ihre Röcke ab, stellten sich etwas abseits hin und probierten den Stoff aus. Daß sie dabei hüllenlos dastanden, störte keinen, nur der Seewolf dachte mit leisem Bangen an seine Crew. Wenn die Kerle erst einmal herausgekriegt hatten, wie natürlich sich die Inselschönheiten gaben, dann war bei denen kein Halten mehr.
Aber das würde die Zeit mit sich bringen, überlegte er.
Durch Gesten bedeutete der Papalagi ihnen, zu folgen.
Hasard hätte sich in dieser Wildnis niemals zurechtgefunden, und er mußte seine Meinung über die Insel Otaheite noch einmal gründlich revidieren.
Tahiti war nicht nur groß, es war ein riesiges Felsmassiv mit schroffen Bergen, steil abfallenden Felswänden, undurchdringlichem Regenwald, Wasserfällen und kleineren Seen.
Der Papalagi führte sie einen steilen Pfad hoch, der in gekrümmtem Bogen dem Wasserfall folgte.
Der Alte ging unbekümmert, als wäre er erst zwanzig Jahre alt. Er kannte keine Rast, unermüdlich stieg er weiter.
Wieder nahm sie der tropische Hochwald auf. Einmal blieb der Papalagi stehen und zeigte mit der Hand in die Tiefe. Von einer Lichtung aus sahen sie die „Isabella“, so unvorstellbar klein, daß man sie scheinbar in der hohlen Hand verbergen konnte.
Es gab völlig einsame und verlassene Täler in dieser romantischen Inselwelt. Weiter hinten zeigten sich siebentausend Fuß hohe Berge mit schaurigen Felshängen. Drei der Bergspitzen sahen aus wie das Diadem einer Riesendame. Sie funkelten prachtvoll im hellen Licht der Sonne.
Nach einer Weile sahen sie den großen See.
„Waihiria“, sagte der Alte und nickte dem Seewolf zu.
Seitlich des Waihiria-Sees standen ein paar Hütten, und davor tummelte sich ein unbesorgt scheinendes Völkchen, das ihnen neugierig entgegenlief.
Die drei von der „Isabella“ wurden bestaunt, betastet, und jeder lächelte ihnen zu.
Der Papalagi sprach zu ihnen, schnell, sprudelnd, wie es sonst gar nicht seine Art war, und unterstrich seine Worte mit Gesten und Bewegungen.
Jubel brach los. Ein junges eingeborenes Mädchen mit samtenen, strahlenden Augen, die fröhlich und etwas schelmisch aus einem fast kindlichen Gesicht blickten, ging auf Hasard zu und berührte seine Lippen mit ihrer Hand.
Sie begrüßte auch Siri-Tong und Dan auf die gleiche Weise und sah sie immer wieder staunend an, denn sie wich beträchtlich von dem Inseltyp ab und war ständiger Anlaß zur Neugier.
Vor einem freien Platz bei den Hütten ließen sie sich auf dem Boden nieder.
Zwei Aualuma kamen, Kokosschalen in den Händen, und boten den Kawa an, den Willkommenstrunk, der aus der Kawawurzel bereitet wurde.
Zum Glück kannten weder Hasard noch Dan oder Siri-Tong die Zubereitung, denn die Kawawurzel wurde von den Aualuma einfach gekaut und in einen großen Topf gespuckt.
Angesichts der ungeniert wippenden vielen Brüste verschluckte sich Dan O’Flynn mehrmals, und immer wenn er hustete, begann das Gekicher der Dorfschönen.
Hasard sah interessiert zu, wie zwei ältere Frauen die gleiche Frucht in Scheiben schnitten, die sie bei der hölzernen Statue gefunden hatten. Die Scheiben wurden auf glühendheiße Steine gelegt und von zwei Seiten gebakken.
Der Papalagi wies immer wieder auf die Frucht, zeigte auf Hasard, dann in Richtung der „Isabella“, wieder auf sich, faltete dann die Hände und verbeugte sich. Durch weitere Gesten deutete er an, daß fremde Männer die Frucht mitnehmen wollten, daß die Leute der „Isabella“ das jedoch verhindert hätten.
Hasard begriff sehr schnell.
„Die Brotfrucht“, sagte er, „das Grundnahrungsmittel der Insulaner, das ihre Existenz sichert. Der Duft dieser gebackenen Frucht ist einfach unbeschreiblich.“
„Wirklich wie heißes, frisch gebakkenes Brot“, sagte Siri-Tong. „Nur noch würziger.“
Eine zahnlose Alte plinkerte Hasard vertraulich zu. Ihr faltenreiches Gesicht war von tiefen Runzeln durchzogen, vorn fehlten ihr die Schneidezähne. Sie versuchte, Hasards Blick festzuhalten, und der Seewolf grinste belustigt.
„Die hat es auf dich abgesehen, Sir“, sagte Dan frech. „Mit der wird der Inselkäptn dich später verheiraten.“
„Male bloß nicht den Teufel an die Wand“, sagte Hasard entsetzt.
„Doch, so sind hier die Sitten“, behauptete Dan.
Daß die runzelige Alte den Seewolf ganz besonders gern mochte, bewies sie wenig später, als die heißen Brotfrüchte verteilt wurden.
Der Seewolf erhielt die dicksten Scheiben, und die Alte hockte sich zu seinen Füßen auf den Boden und ermunterte ihn durch Gesten zum Essen.
Dan grinste unverschämt, und immer wenn die Alte dicht bei Hasard war, lachten die Aualuma und riefen laut: „Isa ele ma le lo matun!“, was soviel hieß wie, die Alte solle sich schämen.
Hasard ließ sich nicht weiter stören. Er biß kräftig in die geröstete Scheibe Brotfrucht und war von dem angenehmen und aromatischen Geschmack mehr als überrascht.
„Das schmeckt noch besser, als es riecht“, stellte er bewundernd fest. „Kein Wunder, daß die Dons so gierig darauf sind. Wir werden jedenfalls alles tun, was in unseren Kräften steht, den Insulanern diese Frucht zu erhalten.“
„Und die Dons zur Hölle zu schikken, wenn sie hier noch einmal aufkreuzen“, murmelte Dan, dem es sichtlich schmeckte und der sich so wohl fühlte wie schon lange nicht mehr.
Sie wurden verwöhnt und regelrecht gehätschelt. Die Blicke waren eindeutige Bewunderung, von den Aualuma aber auch zärtliches Verlangen.
Eifersucht schien es auf dieser Insel nicht zu geben, stellte Siri-Tong verblüfft fest, denn es störte keinen der jungen Burschen, wenn eine Aualuma ungeniert flirtete.
Nach dem Essen, es hatte noch Tomaten, Zitrusfrüchte, Ananas, Kokosmilch, Maniok und Bananen gegeben, versuchte Hasard dem Papalagi zu erklären, daß ihre Hütten ihnen wieder zur Verfügung ständen und sie keine Angst mehr haben sollten.
Es dauerte lange, bis der Papalagi begriff, und es wurden viele Gesten gewechselt und einige Irrtümer ausgeräumt.
Dann erst hatte der Stammesälteste verstanden, und er teilte es nun seinerseits den anderen mit.
Hasard deutete durch ermüdende und sich ständig wiederholende Gesten an, daß sie alle Fremden, die die Insel anliefen, sofort vertreiben würden.
Auch das begriff der Papalagi. Jetzt brachte er Hasard mühevoll bei, daß am heutigen Tage bei Sonnenuntergang ein großes Fest zu Ehren der Fremden gefeiert werden würde und alle dazu erscheinen müßten. Die Aualuma würden tanzen.
„Aualuma, upa-upa“, sagte der Alte und winkte mit dem gekrümmten Zeigefinger eine Inselschönheit herbei, die sich auf ein Wort von ihm in den Hüften zu wiegen begann.
Es war ein frivol angedeuteter Tanz, der sich upa-upa nannte und an Eindeutigkeit nicht viel zu wünschen übrigließ. Jedenfalls konnte sich Hasard deutlich vorstellen, daß es beim Strandfest noch viel frivoler werden konnte.
Nun, dann muß ich die Meute eben von der Kette lassen, dachte er beklommen. Aber schließlich hatte er ja auch keine frommen Betbrüder und Asketen an Bord, sondern richtige Männer.
Diese Insulaner waren jedenfalls ohne Falsch, sie waren von der Last der Arbeit befreit und genossen sorglos die Früchte, die die Natur ihnen in verschwenderischer Pracht tausendfältig bot. Daß diese Polynesierinnen frei von jeder europäischen Moralvorstellung waren, erschütterte den Seewolf nicht im geringsten. Es sprach nur für sie selbst und ihre Freiheit, und er war sicher, daß sie jedem ihre Gunst schenkten, der sie darum bat, und darum brauchte bestimmt keiner zweimal zu bitten.
Im Geiste sah er das grinsende Narbengesicht Carberrys vor sich, wenn der von der Offenherzigkeit der Inselschönen erfuhr. Und die anderen seiner Crew brauchte er sich gar nicht erst vorzustellen, da genügte schon Dans Gesicht, denn das sprach Bände.
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