Ich bin überzeugt, dass die Predigt- und Vortragstätigkeit ohne intensives Studieren und Lesen unmöglich ist. Das ist wohl eine der Schwächen auf heutigen Kanzeln und Rednerpulten: die Vernachlässigung einer fortgesetzten Weiterbildung. Bücher sind großartige Freunde. Immer wenn man sie zur Hand nimmt, haben sie etwas Wertvolles mitzuteilen. Sie klagen nie, zu beschäftigt zu sein, und sind ganz nach Belieben bereit, den Geist mit Nahrung zu versorgen. Wenn man die Bücherregale mancher Priester ansieht, kann man fast das Jahrzehnt oder das Jahr bestimmen, in dem sie geweiht wurden: Einige haben Tanquerey und Wapelhorst in ihrem Bestand, die jüngeren besitzen Bücher über die revolutionären 60er-Jahre, aber es gibt auch jene, die seit Jahrzehnten kein ernst zu nehmendes Buch mehr gekauft haben. Wenn der intellektuelle Vorrat leer ist, wird es schwierig, eine gute Predigt vorzubereiten. Je höher das Gebäude ist, desto mehr Material muss dafür verarbeitet werden. Wenn man ernsthafte Studien betreibt, muss man sich nie Sorgen darüber machen, dass das Material ausgeht.
Nachdem ich ungefähr sechs Jahre lang an der Katholischen Universität von Amerika als Professor tätig gewesen bin, gleichzeitig im überregionalen Radio Sendungen aufgenommen und viele Vorträge im ganzen Land gehalten hatte, bat mich ein sehr guter Freund, der ebenfalls als Professor tätig war – er wurde später als Vertreter des Vatikans Erzbischof in einem anderen Land –, die Radio- und Vortragstätigkeit einzustellen. Folgendes Argument brachte er vor:
»Bei der Geschwindigkeit, mit der du unterwegs bist, gibt es nur eine begrenzte Menge Material, das du verwenden kannst, und dieses wird bald ausgeschöpft sein, und dann wird es keine Einflussmöglichkeiten für dich mehr geben. Ich rate dir daher, dich auf die Lehrtätigkeit an der Universität zu beschränken und diese Aktivitäten außerhalb des Lehrbetriebs aufzugeben.« Ich stellte ihm dieselbe Frage, die der Herr den Pharisäern und Schriftgelehrten gestellt hatte: »Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?« Er antwortete: »Du hast recht. Jemand anders hat mir aufgetragen, dir das zu sagen.« Wir wussten beide, um wen es sich handelte. Wir blieben Freunde bis zu seinem Tod.
Meine Lektüre umfasst Literatur, Wissenschaften, Philosophie und Politik – mit einem Wort alles, was für einen Priester nützlich sein könnte, wenn er unterrichtet oder eine Rede hält oder was als Diskussionsstoff bei Gesprächen mit anderen eingesetzt werden kann. Romane lese ich nie. Als ich am College war, hatte ich große Probleme, sämtliche im Lehrplan vorgeschriebenen Romane zu lesen. Buchbesprechungen von Romanen lese ich jedoch durchaus, ebenso Studien zur Gegenwartsliteratur, die die Trends zusammenfassen. Als ich Jo Mielziner, den berühmten Theaterkünstler, im Glauben unterwies, klingelte ich an einem bestimmten Nachmittag an seiner Haustür und er sagte mir, Humphrey Bogart sei gerade eingetroffen. Jo sagte zu Bogart, ich sei wegen der Unterweisung im Glauben gekommen und er könne, wenn er wolle, mit dabei sein und zuhören. Wenn nicht, könne er auch in ein anderes Zimmer gehen. Bogart sagte: »Warum sollte ich einem Priester zuhören. Ich weiß mehr über die katholische Kirche als jeder Priester.« Ich gab vor, diese Unterhaltung nicht gehört zu haben, aber als ich dann mit einigen anderen den Raum betrat, wurde dort über das Thema Romane diskutiert. Ich gestand, dass ich keinen der Romane, von denen die Rede war, gelesen hatte. »Ob ich das von meinem Vater geerbt habe, weiß ich nicht«, sagte ich, »denn auch er konnte keine Romane lesen.« Humphrey Bogart, der sich gerade mit seinem umfangreichen Wissen über die katholische Kirche gebrüstet hatte, fragte: »War Ihr Vater auch Priester?«
Das wichtigste aller Fachgebiete, das studiert werden muss, ist die Heilige Schrift, und das bedeutet nicht nur, dass man sie liest, sondern es umfasst auch das Studium von Kommentaren. Für praktische Zwecke und für den ausgelasteten Priester fand ich keinen Kommentar so nützlich wie The Daily Study Bible von William Barclay, die in fünfzehn kleinen Bänden erschienen ist. Ich habe festgestellt, dass protestantische Kommentare ebenfalls besonders interessant sind, weil die Protestanten mehr Zeit mit der Bibel verbringen als die meisten von uns. Im Allgemeinen fand ich, dass Arthur W. Pinks dreibändiges Werk Exposition of the Gospel of St. John in spiritueller Hinsicht eines der besten ist.
Da ich auf ein so langes Leben zurückblicke, kann ich mehrere Stileinflüsse feststellen. Den größten Einfluss als Schriftsteller übte G. K. Chesterton aus, der nie ein überflüssiges Wort benutzte, den Wert des Paradoxons als Stilmittel erkannte und Banalitäten vermied. Später kamen die Texte von C. S. Lewis hinzu, der neben Chesterton und Belloc einer der führenden Verteidiger des Christentums in der heutigen Welt wurde. Der Stil von Lewis ist konkret, nüchtern, voller Beispiele, Analogien und Gleichnisse und immer interessant. Auch Malcolm Muggeridge wurde für mich zu einer Inspiration. Er ist immer spritzig, brillant, explosiv und humorvoll. Und ich darf die Poesie nicht vergessen, speziell den Band The Oxford Book of Mystical Verse – und daraus besonders die Gedichte von G. A. Studdert Kennedy und vor allem von Francis Thompson. Über die Jahre hinweg habe ich einen Ordner mit Lieblingsgedichten gefüllt, von denen ich viele auswendig gelernt habe.
16Missionierung bzw. Abwerbung Gläubiger anderer Konfessionen (Anm. d. V.).
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