Eine Angewohnheit, die ich schon im Kindergarten gehabt hatte, war, dass ich immer »JMJ« oben auf die Tafel schrieb. Dies mache ich auch bei jedem Bogen Papier, bevor ich ihn beschreibe – und ich hoffe, dass dies auch eines Tages auf meinem Grabstein eingeprägt sein wird. Als Antwort auf viele Anfragen identifizierte mich das Publikum dann irgendwann über die Worte Jesus , Maria und Josef .
Es gab zahlreiche Lokale, die immer meine Sendung eingestellt hatten, die zur gleichen Zeit wie die Sendung von Milton Berle ausgestrahlt wurde. Das lag teilweise an den vielen Taxifahrern, die sich meine Fernsehsendung gern ansahen und während dieser halben Stunde eine Pause einlegten. Ein Taxifahrer fragte mich einmal: »Haben Sie ein Buch geschrieben?« Ich bejahte. Er sagte: »Wenn ich nicht schon ein Buch hätte, würde ich Ihres kaufen.«
Das Urteil der Zuschauer veränderte sich je nachdem, wie ich auf ihrem Fernsehbildschirm erschien. Als ich einmal als Mitwirkender bei einer Bischofsweihe in Brooklyn zusammen mit einer Reihe anderer Bischöfe in die Kathedrale hineinging, hörte ich eine Frau auf dem Gehweg rufen: »Im Fernsehen sehen Sie aber wirklich besser aus!«
Auf der Bühne hatte ich immer eine große Uhr vor mir, wenn ich sprach. Damit konnte ich meine Zeiteinteilung organisieren. Die Aufnahmezeit meiner Sendung betrug ohne Pause 27 Minuten und 20 Sekunden. Der Trick, rechtzeitig zum Ende zu kommen, ohne zu hetzen und ohne abgeschaltet zu werden, besteht darin, sich für den Abschluss eine präzise Zeit vorzunehmen. Wenn der Abschluss zwei oder drei Minuten dauern sollte, dann beendete ich das Thema, das ich gerade behandelte, früher und begann mit dem Abschluss. Somit gab es nie ein hastiges Abschalten.
Ich bereitete mich ungefähr dreißig Stunden lang auf jede Fernsehsendung vor, was bedeutete, dass ich mit dem Material eine Stunde oder länger hätte sprechen können. Es ist wie beim Atmen: Außerhalb des Körpers ist immer mehr Sauerstoff, als man in der Lunge aufnehmen kann, und ebenso sollte das Wissen, das man zu einem bestimmten Thema hat, immer wesentlich umfangreicher sein als das, was man von sich gibt. Wenn ich den einen oder anderen Punkt vergaß, den ich beabsichtigt hatte zu erwähnen, dann konnte ich dies immer mit etwas aus den gesammelten Informationen ersetzen.
Einen oder zwei Tage vor der Ausstrahlung »probte« ich, wieweit ich mir den Umfang des Themas zu eigen gemacht hatte, indem ich den Vortrag auf Italienisch einem befreundeten italienischen Professor vortrug, außerdem auf Französisch einem Mitarbeiter, der fließend Französisch sprach. Das tat ich nicht, weil ich diese Sprachen besonders gut beherrschte, sondern weil ich gezwungen war, die Begriffe in einer anderen Sprache zu formulieren, und ich wusste, dass mir das helfen würde, geistige Klarheit über das Thema zu erhalten.
Eines Tages begleitete ich eine junge Dame, die Französisch sprach, zu einer Handelsorganisation, von der wir hofften, dass sie die Filme vertreiben würde, die wir von den Missionseinsätzen herstellten. Der Leiter der Organisation war ein französischer Jude und deshalb freute er sich, mit meiner Begleiterin Französisch sprechen zu können. Er fragte sie: »Sehen Sie Bischof Sheen jeden Tag?« – »Ja.« – »Reden Sie mit ihm?« – »Ja.« – »Redet er mit Ihnen?« – »Ja.« – »Hat er Sie gebeten, mich aufzusuchen?« – »Ja.« Dann äußerte er ein Kompliment von höchst fragwürdigem theologischen Gehalt, doch es war wirklich als Kompliment gedacht: »Meine Güte, er ist ein zweiter Jesus!«
Luftwaffenstützpunkt Westover, Massachusetts, Juni 1950 (United States Air Force) .
Es dürfte interessant sein, daran zu erinnern, wie sich nach Meinung eines Mannes, der über fünfzig Jahre Erfahrung mit den Medien hat, die Stimmungslage im Land wandelte. Als ich mit den landesweiten Radiosendungen begann, war die Grundstimmung im Land christlich.
Deshalb war die Sendung »Katholische Stunde« mit der Darstellung der christlichen Lehre durchaus populär. Allerdings provozierte sie bei einigen Fanatikern eine heftige Reaktion – einfach nur, weil es sich um den katholischen Glauben handelte. Ein Mann aus Pennsylvania schrieb mir in einem Brief, dass sich zwölf Bücher in seinem Besitz befänden, die bewiesen, dass der Papst der Antichrist sei. Er sei bereit, sie mir zuzusenden, aber ich spreche weiterhin vom »Heiligen Vater« und »Stellvertreter Christi«. – »Ich hatte erwartet, dass Sie sich zum Papst äußern. Was Sie allerdings über den Heiligen Vater und den Stellvertreter Christi sagten, hat mir ziemlich gut gefallen.« Damals gab es nicht viele Briefe, die man als Hassbriefe hätte bezeichnen müssen oder deren Schreiber an einer neurotischen Störung litten.
Als ich mit den landesweit ausgestrahlten Fernsehsendungen auf kommerzieller Basis begann, war ein anderes Vorgehen notwendig. Ich sprach nicht mehr im Namen der Kirche und unter der Trägerschaft ihrer Bischöfe. Die neue Methode musste ökumenischer sein, da die Sendung Katholiken, Protestanten, Juden und alle Menschen guten Willens ansprechen sollte. Es ging nicht mehr um eine unmittelbare Vorstellung der christlichen Lehre, sondern eher um einen vernünftigen Zugang zu dieser Lehre. Es musste ein Thema sein, das dem Publikum vertraut war. Deshalb bewegten sich die Themen in all den Jahren, in denen die Fernsehsendungen aufgenommen und ausgestrahlt wurden, vom Kommunismus über Kunst, Wissenschaft, Humor, Luftfahrt bis hin zum Thema Krieg und so weiter. Ich begann mit etwas, das sowohl den Zuschauern wie auch mir bekannt war, und schritt dann allmählich vom Bekannten zum Unbekannten oder zur Moral und der christlichen Philosophie fort. Es war dieselbe Methode, die unser Herr anwandte, als er eine Prostituierte beim Brunnen traf. Welche Gemeinsamkeit gab es zwischen der göttlichen Reinheit und dieser Frau, die fünf Männer gehabt hatte und jetzt mit einem Mann zusammenlebte, der nicht ihr Ehemann war? Der einzige gemeinsame Nenner war, dass beide gerne das kalte Wasser haben wollten. Davon ausgehend leitete er zum Thema des Wassers des ewigen Lebens über.
Dieselbe Methode wandte der heilige Paulus in Athen an, als der einzige gemeinsame Nenner, den er finden konnte zwischen sich selbst und den Menschen, die entlang der Straßen zur Akropolis ihre Götter aufgestellt hatten, eine Inschrift an einer dieser Statuen war: »Dem unbekannten Gott«. Davon ausgehend entwickelte er die Auffassung des wahren Gottes. Und so versuchte auch ich, das enorm große amerikanische Fernsehpublikum zu erreichen. Und es funktionierte.
In der Zeit meiner Fernsehsendungen stellte ich einen Rückgang an Briefen fest, die von Fanatikern stammten. Allerdings nahm die Anzahl der Schreiben von Menschen zu, die man als neurotisch bezeichnen könnte. Man fragt sich, ob Dr. Alexis Carrel tatsächlich recht hatte, als er sagte: »Es leiden mehr Menschen an Nervenkrankheiten oder nervösen Störungen als an allen anderen Krankheiten zusammengenommen.« Abgesehen von diesem Detail war die Zunahme an Wohlwollen im Land wirklich sehr bemerkenswert. Im Verhältnis zum Bevölkerungsanteil bekam ich die meisten Briefe von Juden, die zweitgrößte Anzahl von Protestanten, die drittgrößte von Katholiken. Ich fühlte mich belohnt, wenn ich auch nur einen Menschen etwas näher zu Gott bringen konnte. Es wäre interessant gewesen, die Hunderttausende von Briefen aufzubewahren, die Menschen in der Prüfung ihres Gewissens und mit ihrer Sehnsucht nach dem Göttlichen geschrieben hatten und die unser Büro erreichten, doch ich hatte das Gefühl, dass ich es den Absendern schuldig war, ihre Briefe zu vernichten.
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