Am bekanntesten ist er jedoch wegen seines Wirkens in den Medien, besonders im Fernsehen. Noch vor Mutter Angelica, Pat Robertson und Joel Osteen war Bischof Fulton Sheen in den Medien präsent. In seinem magentafarbenen Cape und mit seinem Pileolus auf dem Kopf war er ein medialer Wegbereiter, dessen Einschaltquoten der Zuschauer oft sogar Milton Berle und Frank Sinatra übertrafen. Mehr als fünfzig Jahre lang wandelte er anspruchsvolle Theologie in die Sprache der Massen um, indem er das Radio und dann das Fernsehen dazu benutzte, die Botschaft der Hoffnung zu den Menschen aller Glaubensrichtungen und zu jenen, die gar nichts glaubten, zu bringen.
Ich erinnere mich, dass ich vor ungefähr sechzehn Jahren einen geistlichen Rat benötigte. Ein priesterlicher Freund, der wusste, dass ich für das Fernsehen arbeitete, schlug mir vor: »Geh und triff eine Vereinbarung mit Erzbischof Sheen.« Ich folgte seinem Rat. Eines Nachmittags kniete ich vor der Krypta in der St.-Patrick’s-Kathedrale in New York und versprach dem Erzbischof, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun würde, um seine Sendung wieder ins Fernsehen zu bringen, wenn er bei Gott für mich Fürsprache einlegte. Sheen reagierte auf meine inständige Bitte. Ich benötigte jedoch mehrere Jahre, um meinen Teil der Vereinbarung einzulösen. Während ich dies schreibe, wird Sheens Sendereihe »Life is Worth Living« jeden Freitagabend nach meiner eigenen Fernsehsendung auf EWTN ausgestrahlt.
Es kann heute eine etwas irritierende Erfahrung sein, sich die Wiederholungen anzusehen. Die dem 19. Jahrhundert angeglichenen Gesten, die dramatischen stimmlichen Crescendi , und dieses weit geöffnete Cape spiegeln nicht den Naturalismus wider, den wir inzwischen von den Menschen erwarten, die im Fernsehen auftreten. Wenn man jedoch über das Äußerliche hinwegsieht und sich auf die Botschaft konzentriert, stößt man auf viele Schätze.
Diese Autobiografie sollte Bischof Sheens letzter Schatz werden. Sie ist der Überblick über den Werdegang eines Apostels und zugleich eine Geschichte der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Als Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils kritisierte Sheen mit scharfen Worten, dass es nicht gelang, die Konzilsdokumente angemessen zu interpretieren. Und er stellte eine der überzeugendsten und vernünftigsten Erklärungen zum Zölibat (mit Bezug auf Gandhi und Dag Hammarskjöld) vor, die man je zu lesen bekam.
Der Professor in Sheen konnte nicht umhin, mittels seiner Autobiografie auch zu lehren, sodass Sie, während Sie ihn als Mensch näher kennenlernen, auch Erkenntnisse über das Wesen der Eucharistie, des Papsttums und der Gottesmutter vermittelt bekommen. Inbegriffen sind auch lustige und berührende Erinnerungen aus seinem langen Leben. Was das Buch allerdings wirklich einzigartig macht, sind die nachdenklichen persönlichen Offenbarungen – die geistlichen, im Leiden erfahrenen Lektionen.
Das Buch entstand während einer Phase, in welcher Sheen schlimme körperliche Leiden erdulden musste. Ab dem Jahr 1977 musste er sich einer Reihe von Operationen unterziehen, die ihn schwächten und sogar das Predigen erschwerten. Er muss gewusst haben, dass dies sein letztes Werk sein würde, denn man spürt eine Dringlichkeit auf diesen Seiten, einen Eifer, diese Lektionen weiterzugeben, vor allem an jene, die von Leid betroffen sind und hierin ein geistiges Geschenk finden können. Die letzten Kapitel knistern von demselben Eifer, von derselben Entschlossenheit wie sie aus seinen letzten Predigten aus den späten 70er-Jahren zu entnehmen sind: Sie sind prophetisch, leidenschaftlich und frei von einem verklärten Blick auf die Vergangenheit.
Allein das letzte Kapitel des Buches – »Die drei Phasen meines Lebens« – ist seinen Preis wert. Darin bekennt der Bischof sich aufrichtig zu seiner Eitelkeit, zu seiner Neigung zu den »Annehmlichkeiten des Lebens«, und er schreibt: »Ich musste durch Prüfungen gehen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche, bevor ich den ganzen Sinn meines Lebens verstehen konnte. Es reichte nicht, Priester zu sein; man musste auch Opfer sein.« Am Ende wurde Fulton Sheen zu einem Opfer. Teile des Buches, die Sie im Folgenden lesen werden, wurden mündlich von seinem Krankenbett aus diktiert, während er ein Kruzifix umklammerte. Seine letzte Meditation über das Kreuz, mit welcher das Buch endet, ist besonders bewegend.
Wie alle bedeutenden Biografien bietet uns dieses Buch die Chance, über unser eigenes Leben nachzudenken, indem wir uns an ihn erinnern, der uns vorausgegangen ist. In Sheens Fall leuchten sein Leben und Beispiel heute heller auf als bei seinem Tod vor fast dreißig Jahren. 2
In der Mitte dieses Buches denkt Sheen über einige Fragen nach, die wir alle erwägen sollten: »Habe ich der Kirche wirklich so gut gedient, wie ich es hätte tun sollen? Habe ich die vielen Talente genutzt, die der Herr mir gegeben hat? Habe ich Feuer auf die Erde geworfen, wie der Herr es mir aufgetragen hat?« Ich glaube, dass wir all diese Fragen, was Fulton Sheen betrifft, bejahen können. Wenige Bischöfe und auch wenige Laien haben ihre Sache über eine so lange Zeit so gut gemacht und mit einem solchen Elan ausgeführt. Und die Geschichte geht weiter.
Der Antrag auf Sheens Seligsprechung 3liegt im Vatikan vor, und das ist völlig angemessen. Die Medien brauchen dringend einen Schutzpatron (vor allem die Produzenten der Realityshows und die Nachrichtenredaktionen), und unsere Kultur muss daran erinnert werden, dass die Heiligkeit und nicht die Sensationsgier überlebt. Im Unterschied zu vielen hier erwähnten bekannten Namen, die im Laufe der Geschichte in Vergessenheit gerieten (etwa Clare Boothe Luce, Heywood Broun und George Gobel), bleibt die Erinnerung an Sheen lebendig – nicht wegen seines Ruhms in den Medien, sondern wegen der Zeitlosigkeit der Wahrheit, die er vortrug, und wegen der Leidenschaft, mit der er dabei vorging. In diesem Tongefäß ist in der Tat ein Schatz zu finden: der Schatz überzeitlicher Wahrheit, vermittelt von einem echten Apostel.
Raymond Arroyo
Aschermittwoch 2008
Northern Virginia
1»Das Leben ist lebenswert« (Anm. d. V.).
2Fulton Sheen starb am 9. Dezember 1979 (Anm. d. V.).
3Papst Franziskus hatte die Seligsprechung von Fulton Sheen auf den 21. Dezember 2019 festgesetzt. Sie wurde jedoch auf Bitten einiger Mitglieder der amerikanischen Bischofskonferenz auf unbestimmte Zeit verschoben (Anm. d. V.).
1. Es hängt alles davon ab, wie man es betrachtet
Wenn ein Bericht über ein Leben abgefasst wird, gibt es drei verschiedene Blickwinkel, aus denen man dieses Leben jeweils in einem anderen Licht sieht. Es gibt das Leben:
1. wie ich es sehe
2. wie andere es sehen
3. wie Gott es sieht
Gleich zu Beginn möchte ich feststellen, dass dies nicht meine eigentliche Autobiografie ist. Diese wurde vielmehr vor einundzwanzig Jahrhunderten verfasst, in drei Sprachen veröffentlicht und verkündet und jedem Angehörigen des westlichen Kulturkreises zugänglich gemacht.
Carlyle hatte nicht recht, als er sagte: »Es gibt kein Menschenleben, das getreu aufgezeichnet worden wäre.« Mein Leben durchaus! Die Tinte war Blut, das Pergament war Haut, die Feder war ein Speer. Das Buch besteht aus über achtzig Kapiteln, jedes steht für ein Jahr meines Lebens. Obwohl ich es jeden Tag aufschlage, lese ich nie dasselbe. Je öfter ich von seinen Seiten aufblicke, desto dringender empfinde ich das Bedürfnis, meine eigene Autobiografie zu verfassen, damit alle sehen können, was ich sie sehen lassen möchte. Je öfter ich jedoch meinen Blick darauf richte, desto deutlicher sehe ich, dass alles Wertvolle in meinem Leben ein vom Himmel empfangenes Geschenk war. Warum also sollte ich mich dessen rühmen?
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