Im Arbeitsalltag von medizinischem Fachpersonal treten immer wieder medizinische Notfälle auf, die in kürzester Zeit bewältigt werden müssen. Beispielsweise kann medizinisches Fachpersonal im Kollegium Humor nutzen, um Emotionen und Spannungen abzubauen, die durch diese stressige Situation entstanden sind. Weiterhin können Patient*innen, die unter ihrer krankheitsbedingten Situation leiden, Humor nutzen, um mit ihrem negativen Gesundheitszustand positiver umzugehen. Wenn Patient*innen für diese Strategie offen sind, kann medizinisches Fachpersonal diesen Bewältigungsprozess durch gezielte humorvolle Interaktion mit dem/der Patient*in unterstützen (Prehm 2018). Im Klinikkontext oder auch in Hospizen ist der Einsatz von Klinikclowns in der Praxis bereits sehr bekannt und führt dazu, dass Patient*innen auch auf Palliativstationen lächeln und lachen können (Prehm 2018).
Medizinisches Fachpersonal kann Humor auch als Intervention in der Interaktion mit Patient*innen bewusst einsetzen, um eine Beziehung zu Patient*innen oder deren Familienangehörigen aufzubauen. Der Einsatz von Humor im Gesundheitswesen wird von Patient*innen sogar als eine wichtige Eigenschaft von medizinischem Fachpersonal angesehen. Besonders in schwierigen Situationen, wie z.B. bei einem unfreundlichen Patient*innen oder Familienangehörigen, kann der bewusste und gezielte Einsatz von Humor helfen, die Situation aufzulockern (Prehm 2018).
Weiterhin kann die Nutzung von Humor den hohen körperlichen und emotionalen Anforderungen in medizinischen Berufen entgegenwirken. Humor steigert zudem die eigene Resilienz. Besonders im Gesundheitswesen sind der Stresslevel und die Burnout-Quote von medizinischem Fachpersonal sehr hoch (Prehm 2018). Das permanente hohe Stresslevel und die hohe Burnout-Quote können dazu führen, dass medizinisches Fachpersonal hohe Arbeitsunfähigkeitszeiten haben oder sogar verfrüht den Beruf gesundheitsbedingt aufgeben muss. Häufig werden von medizinischem Fachpersonal Überlegungen angestrebt, den Beruf frühzeitig aufzugeben. Besonders auch Nachwuchskräfte im Gesundheitswesen (z.B. Pflegekräfte) denken häufig über einen verfrühten Berufsausstieg nach.
6.2 Bedeutung der Nutzung von Humor für das Gesundheitswesen
Eine humorvolle Haltung und Humor als Interventionsform im Gesundheitswesen zu fördern, können den Umgang mit den hohen emotionalen Anforderungen des Berufs unterstützen, wie z.B. die Betreuung von unfreundlichen und teilweise auch aggressiven Patient*innen oder Familienangehörigen und die ständige Konfrontation mit Krankheit und Tod. Gleichzeitig kann Humor den Umgang der Patient*innen mit ihrer Erkrankung positiv beeinflussen. Das Gute an Humor als Interventionsform ist, dass er erlernbar ist. So ist der Sinn für Humor über die Zeit nicht stabil und gilt durch Trainings als veränderbar. Ein bereits bekanntes Training „The 7 Humor Habits Programm“ zur Steigerung des Sinns für Humor wurde von McGhee (2010) entwickelt. Das Ziel des „The 7 Humor Habits Programm“ ist der Aufbau und die Stärkung von Fähigkeiten, um Humor im Alltag anzuwenden und erleben zu können. Dieses Trainingsprogramm zur Entwicklung und Stärkung des Sinns für Humor ist nicht speziell für das Gesundheitswesen entwickelt, sondern für alle Personen, die vergessen haben, ihren Humor im Alltag zu nutzen und dadurch ihre spielerische Einstellung im Leben verloren haben (McGhee 2010). Aufgrund der hohen Komplexität von bewusstem und zielgerichtetem Einsatz von Humor im Gesundheitswesen sollten jedoch spezielle Trainings für medizinisches Fachpersonal konzipiert werden, die berufsspezifische Situationen, wie z.B. Kommunikation und aktive Kontaktaufnahme mit Patient*innen, berücksichtigen.
6.3 Zukünftige Relevanz von Humor und praktische Implikationen
Der demografische Wandel erhöht den Druck für Arbeitgeber im Gesundheitswesen drastisch, da eine immer weiter ansteigende Patient*innenzahl unausweichlich ist (Prehm 2018). Um in der Zukunft die steigenden Patient*innenzahlen im Gesundheitswesen bewältigen zu können, muss qualifiziertes medizinisches Fachpersonal gewonnen und gehalten werden. Gerade die bereits jetzt feststellbaren erhöhten Kündigungsraten von medizinischem Fachpersonal (insbesondere von Pflegekräften) können weitreichende Konsequenzen für das Gesundheitswesen haben. Es entstehen nicht nur hohe ökonomische Kosten für Arbeitgeber, sondern auch das Wohlbefinden des aktiven medizinischen Fachpersonals leidet unter einer Personalunterbesetzung. So muss neu eingestelltes medizinisches Fachpersonal unter hohen beruflichen Anforderungen angelernt oder ausgebildet werden. In der Zukunft könnten durch steigende Anforderungen und Belastungen im Gesundheitswesen die Kündigungsraten und Berufsausstiege nochmal drastisch steigen und zu großen Problemen im Gesundheitswesen führen. Daher sollte auch besonders ein Augenmerk auf medizinisches Fachpersonal gelegt werden, das sich am Anfang seines Berufslebens befindet.
Durch Humortrainings kann medizinisches Fachpersonal auf die hohen körperlichen und emotionalen Belastungen ihres Berufs vorbereitet und befähigt werden, gezielt Bewältigungsmaßnahmen anzuwenden.
Humortrainings könnten bereits während der Ausbildung durchgeführt und in das Ausbildungscurriculum verankert werden. Ein aktuelles Projekt der Universität zu Lübeck in Kooperation mit der Alexianer GmbH und der Stiftung „Humor Hilft Heilen“ setzt genau hier an und evaluiert derzeit ein Humortraining für die Pflegeausbildung, das den Einsatz von Humor kontextspezifisch schult – für einen positiveren Umgang mit sich selbst und den Patient*innen ( https://www.ipsy1.uni-luebeck.de/forschung/ag-peifer/projekte.html).
Basierend auf der Lern- und Trainingsforschung sollten Humortrainings im Gesundheitsbereich einen Lernansatz verfolgen, der das Lernen als einen aktiven und integrierenden Prozess mit unmittelbarem Bezug zur Praxis im Gesundheitswesen versteht. So sollten Problemstellungen aus der Praxis in das Humortraining integriert werden, damit diese im Training gemeinsam reflektiert und direkt aus dem Training in die Praxis übertragen werden können. Zudem sollten Humortrainings nicht einmalig durchgeführt werden, sondern wiederholt angeboten werden, sodass Humor im Gesundheitswesen immer wieder als Interventionsform in Erinnerung gerufen wird.
Humor hat wichtige Funktionen im Gesundheitskontext, für Beschäftigte wie auch für Patient*innen. Dazu zählen ein verbesserter Umgang mit Stress und Belastungen, eine Steigerung der Resilienz sowie ein verbesserter Beziehungsaufbau mit Patient*innen und Kolleg*innen. Studien zeigen zudem: Humor ist trainierbar. Dabei ist zu beachten, dass die Trainings einen Praxisbezug haben und regelmäßig aufgefrischt werden sollten. Damit hat das Thema Humor großes Potenzial für den langfristigen Einsatz im Rahmen einer Befähigungs- und Bindungsstrategie im Gesundheitswesen.
Martin RA, Puhlik-Doris P, Larsen G, Gray J, Weir K (2003) Individual Differences in Uses of Humor and their Relation to Psychological Well-being: Development of the Humor Styles Questionnaire. Journal of Research in Personality 37(1), 48–75. DOI: https://doi.org/https://doi.org/10.1016/S0092-6566(02)00534-2
McGhee PE (2010) Humor as Survival Training for a Stressed-Out World: The 7 Humor Habits Program. Author-House Bloomington
Müller L, Ruch W (2011) Humor and Strengths of Character. Journal of Positive Psychology 6(5), 368–376. DOI: https://doi.org/10.1080/17439760.2011.592508
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