Arten der Kontrollen
Regelkontrolle {Regelkontrolle}
Die Regelkontrolle findet in der Form einer Sichtkontrolle {Sichtkontrolle} statt. Hierbei handelt es sich um eine äußere Besichtigung, die der Gesundheits- und Zustandsprüfung des Baums zur Feststellung seiner Stand- und Bruchsicherheit dient. Sie stellt die erste Stufe der Baumkontrolle dar. Auch wenn es in erster Linie eine bloße Inaugenscheinnahme des Baums ist, hat sich das Mitführen einfacher Werkzeuge, wie z. B. eines Schonhammers, Sondierstabs oder einer Taschenlampe, bewährt. So kann bereits im Rahmen der Sichtkontrolle der eine oder andere nicht sicher einordenbare Defekt vollständig geklärt werden. Die Sichtkontrolle erfolgt grundsätzlich vom Boden aus. Bei sehr hohen Bäumen bietet sich die Zuhilfenahme eines Fernglases an. Eine Kontrolle aus einem fahrenden Fahrzeug genügt nicht. Der Baum ist nach Möglichkeit von allen Seiten fußläufig zu prüfen. Dabei sollte er zunächst aus größerer Entfernung betrachtet werden, dann aus der Nähe. Bei der Kontrolle von flächigen Baumbeständen gelten die gleichen fachlichen Ansprüche wie bei der Kontrolle von Einzelbäumen [3].
An Standorten, an denen Regelkontrollen tatsächlich nicht oder nur mit unzumutbarem Aufwand durchführbar sind (z. B. Steilhanglagen, extremer Unterwuchs), kann nach den Baumkontrollrichtlinien (2020) [4]im Einzelfall eine Sichtkontrolle aus angemessener Distanz ausreichen.
Bei der Regelkontrolle ist das Augenmerk darauf zu richten, ob verdächtige Umstände erkennbar sind, die nach der Erfahrung auf eine besondere Gefährdung durch den Baum hindeuten. Die optische Kontrolle erfasst die Teilbereiche Krone, Stamm, Wurzeln und das Baumumfeld.
Klassische Schadensindizien sind im Sommer v. a. welkes Laub und absterbende dürre Äste. Zu achten ist generell auf Pilzbefall, Faullöcher an Ästen und am Stamm, Verfärbungen, äußere Verletzungen, schlechter Allgemeinzustand, ungünstige Stellung, V-förmige Zwiesel usw. Im Sommer können Bäume aufgrund von Hitze oder Wassermangel ein lichtes Kronenbild oder Kronenverfärbungen aufweisen. Die Ursache hierfür kann aber auch in größeren Baumaßnahmen mit Aufgrabungen im Wurzelbereich liegen. Der Stammfuß ist ebenfalls zu untersuchen, wobei ggf. Moos, abgestorbene Rinde und Gras zu entfernen sind. Hierfür bietet sich die Kontrolle im Sommer an, da dies im Winter bei geschlossener Schneedecke nicht durchführbar ist. Damit der Kontrolleur nichts übersieht, empfiehlt sich die Verwendung einer Checkliste [5], anhand derer die einzelnen relevanten Punkte abgearbeitet werden können. Bei Straßen sind zudem die Freihaltung des Lichtraumprofils sowie die Sichtbarkeit von Verkehrszeichen wichtig.
Die bei einer Sichtkontrolle erkannten Mängel (insbesondere Totholz) müssen je nach Gefährdungslage sofort oder umgehend bzw. in einem angemessenen Zeitraum beseitigt werden.
Nach dem BGH [6]gehört ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken. Die Verkehrssicherungspflicht verlangt es insoweit nicht, gesunde, nur naturbedingt vergleichsweise bruchgefährdetere Baumarten an Straßen oder Parkplätzen zu beseitigen oder zumindest sämtliche in den öffentlichen Verkehrsraum hineinragenden Baumteile abzuschneiden. Gehören mithin die Folgen eines natürlichen Astbruchs grundsätzlich zum allgemeinen Lebensrisiko, bedarf es auch keiner niederschwelligeren Maßnahmen, wie der Absperrung des Luftraums unter solchen Bäumen oder der Aufstellung von Warnschildern.
Eingehende Untersuchung {Untersuchung, eingehende}
Werden bei der Regelkontrolle keine Anzeichen für eine Gefährdung durch den Baum festgestellt, besteht kein weiterer Handlungsbedarf. Wenn dagegen Schadensindizien vorhanden sind, muss festgelegt werden, was weiter zu veranlassen ist. Ist zweifelhaft, ob die erkannten Mängel die Verkehrssicherheit beeinträchtigen oder besteht eine Unsicherheit hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen, ist ggf. eine eingehende fachliche Untersuchung des Baums erforderlich (sog. eingehende Untersuchung, vgl. FLL-Baumuntersuchungsrichtlinien). Diese weitergehenden Maßnahmen stellen die zweite Stufe der Baumkontrolle dar und müssen von eigenen oder externen besonders qualifizierten Fachleuten (Baumpfleger, Baumsachverständige) durchgeführt werden. Unter Umständen reicht aber auch eine weitere Sichtkontrolle z. B. mittels Hubsteiger aus, um das Ausmaß des Schadens besser beurteilen zu können.
Häufigkeit der Kontrollen
Regelkontrolle {Regelkontrolle, Häufigkeit}
Nach der bislang überwiegenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung [7]ist bei Straßenbäumen eine zweimalige Regelkontrolle im Jahr erforderlich. Diese sollen einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand erfolgen. So können am besten alle möglichen Schäden erkannt werden. Welke Blätter sind nur während der Vegetationsperiode erkennbar, dagegen sind Faullöcher an Ästen oder am Stamm besser im unbelaubten Zustand festzustellen.
Die generelle Forderung der Rechtsprechung nach einer zweimaligen Kontrolle im Jahr wird von Baumfachleuten überwiegend abgelehnt [8]. Dem folgend stellte der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit einem privaten Grenzbaum fest, dass sich die gebotene Häufigkeit der Baumkontrollen nicht verallgemeinern lasse, sondern vom Alter und dem Zustand des Baums sowie seinem Standort abhänge [9].
Die Baumkontrollrichtlinien enthalten im Abschnitt 5.2.3 ebenfalls differenzierte Regel-Kontrollintervalle, abhängig vom Alter des Baums, von seinem Zustand und seinem Standort und der damit einhergehenden berechtigten Sicherungserwartungen des Verkehrs. Danach werden selbst ältere, stärker geschädigte Bäume an stärker frequentierten Straßen nur einmal im Jahr kontrolliert. Die Standardkontrolle bei gesunden oder nur leicht geschädigten Bäumen mittleren Alters, die an stärker frequentierten Straßen oder in belebten Grünanlagen stehen, findet alle zwei Jahre statt. Im Laufe von drei aufeinanderfolgenden Regelkontrollen soll die Kontrolle mindestens einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand durchgeführt werden.
Neuere Urteile halten die starre zweimalige Kontrolle im Jahr mittlerweile für überholt und gehen davon aus, dass die Baumkontrollrichtlinien die Regeln der Technik auf dem derzeitigen Stand wiedergeben. [10]Nach dem OLG Dresden und dem OLG Brandenburg [11]können sich Sicherungspflichtige hinsichtlich der Baumkontrollintervalle an den Baumkontrollrichtlinien orientieren. Sie seien von der obergerichtlichen Rechtsprechung als Orientierungshilfe anerkannt. Allerdings hat sich diese Ansicht noch nicht bei allen Gerichten durchgesetzt. [12]
Wer den Baumkontrollrichtlinien folgen möchte, muss als Erstes seinen Baumbestand ermitteln und eine Grunderfassung zur Festlegung der Kontrollintervalle durchführen. Hierfür bietet sich i. d. R. die Einrichtung eines Baumkatasters an. Wegen der Gefahr von Fehleinstufungen sollte die Festlegung der Regel-Kontrollintervalle nur von entsprechend qualifizierten Fachleuten vorgenommen werden.
Zusatzkontrolle {Zusatzkontrolle}
Zusätzliche Sichtkontrollen sind nach besonderen Witterungsereignissen (z. B. Sturm, Eisregen, starker Schneefall) sowie bei Schadensfällen (z. B. Anfahrschaden, Wurzelschaden durch Bauarbeiten, Aufgrabungen) nötig.
Methoden der Baumkontrolle
Die Regelkontrolle erfolgt generell als Sichtkontrolle. Im Rahmen dieser Sichtkontrolle findet vielfach die von Mattheck begründete VTA-Methode [13](Visual Tree Assessment = visuelle Baumbeurteilung oder qualifizierte Sichtkontrolle) Anwendung. Sie stellt vorrangig auf das mechanisch gesteuerte Wachstum der Bäume mit seinen natürlichen Gesetzmäßigkeiten ab und zeigt zudem, auf welche Weise die Bäume bemüht sind, ihre Schäden zu reparieren. Die Defektsymptome der Bäume, wie z. B. Fäule, Risse usw., werden dabei als Warnsignale in der Körpersprache der Bäume begriffen. Die Rechtsprechung hat z. T. ausdrücklich die VTA-Methode als sachgerechte Methode anerkannt. [14]Sie ist allerdings in der baumfachlichen Literatur nicht unumstritten. [15]
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