Die Bilder der Natur können sowohl große Herausforderungen darstellen als auch Geborgenheit vermitteln.
Ein (Lebens-) Weg, der plötzlich abbricht
Fallbeispiele – (Lebens-) Weg
Eine ältere Patientin kam mit der Reinemachefrau, die das Klinikzimmer säuberte, ins Gespräch. Als die Reinemachefrau die Schuhe der Patientin wieder ordentlich unter das Bett stellen wollte, meinte die Patientin, die Schuhe würde sie nicht mehr brauchen, ob die Reinemachefrau Interesse an dem Paar Schuhe hätte. Diese versuchte die Patientin zu überreden, dass sie doch bestimmt bald wieder aufstehen könne und dann ihre Schuhe bräuchte. Die Patientin erzählte, dass sie wisse, dass ihr Weg zu Ende sei: Sie habe in der Nacht dort nichts mehr gesehen, nur Licht. Da sei kein Weg mehr, wo man gehen könne. Sie brauche keine Schuhe mehr. Zwei Tage später starb die Patientin.
Einladung zum Gehen
Fallbeispiele – Einladung zum Gehen
Eine 57-jährige Patientin berichtet der Hospizhelferin, dass in der Nacht ihre verstorbene Schwester zu ihr gekommen sei und erzählt hätte, dass sie sich freut, wenn sie bald komme. Der Patientin hatte diese Begegnung Angst gemacht und sie hatte die Hospizhelferin gefragt, ob sie jetzt sterben müsse. Im gemeinsamen Dialog entdeckte die Patientin, dass ihre Schwester ihr im Sterben beistehen würde und sie sich so mit dem Gedanken des Sterbens langsam anfreunden könne.
Eine alte Dame erzählt ihrer Pflegerin, dass ihr Mann sie am Nachmittag wieder besuchen wolle. Der Ehemann war eine Woche zuvor gestorben. Die Pflegerin vermied den realen Tod des Ehemannes erneut zu erwähnen und fragte stattdessen: Freuen Sie sich schon auf den Besuch Ihres Mannes? Die alte Dame bejahte und starb am Nachmittag ruhig.
Eine 38-jährige Patientin hat eine Operation überstanden. Als sie aus der Narkose aufwacht, sieht sie am Ende ihres Bettes den Knochenmann sitzen. Er sagt nichts. Aber die Patientin entdeckt sofort ihre Wut und weist ihn entschieden ab: Geh, ich bin noch nicht dran! Hau ab! Der Knochenmann verschwindet. Die Patientin schläft die nächsten Tage unruhig, aber der Knochenmann erscheint nicht wieder. Die Patientin ist wieder wohlauf, leidet aber daran, dass sie ihre Erfahrung nicht Familie und Freunden mitteilen kann. Sie hat Angst, dass man sie wahrscheinlich für verrückt hält.
Eine junge Mutter liegt im Krankenhaus im Sterben. Sie kämpft gegen die Krankheit, da sie weiter für ihre kleinen Kinder da sein möchte. Eines Nachts ruft sie in Panik ihren Vater an und sagt, man würde sie abholen kommen. Sie sei in großer Gefahr und er müsse kommen, sonst würde sie mitgenommen werden. Der Vater und die ganze Familie bleiben abwechselnd bei der jungen Mutter. Als ihr Vater an ihrem Bett ist, fragt sie, ob sie denn mitgehen müsse. Der Vater sagt, sie dürfe gehen, wenn es so weit sei. Ein paar Stunden später stirbt seine Tochter.
Nachlassende Lebenskraft und stummer Zuschauer (Pastellkreide)
Fallbeispiele – Nachlassende Lebenskraft
Eine Patientin erlebt einen schweren Schwächeanfall. Sie malt später, wie ihre Lebenskraft aus dem Körper geflossen ist. Von außen schaut ein Beobachter zu, bleibt aber untätig. Die sie betreuenden Ärzte und Pfleger waren gegenüber dem Schwächeanfall hilflos gewesen. Auch das Fehlen einer gemeinsamen Sprachebene spiegelt sich in dem Bild der Patientin wider.
Engel
Fallbeispiele – Engel
Eine 44-jährige Zahntechnikerin mit einer schweren chronischen Erkrankung erzählt, dass sie seit vielen Jahren sich beschützt und begleitet fühlt. Sie könne den Beschützer nicht sehen, aber manchmal habe sie das Gefühl beobachtet zu werden und schaue dann zum entsprechenden Hausdach hinauf. Sie fühle sich geborgen und könne sich vorstellen, dass sie von Geistwesen oder Engeln begleitet würde. Wenn sie um Hilfe bittet, spüre sie einen geborgenen Halt an ihrem linken Schulterblatt.
Ein 63-jähriger Krebspatient liegt in der Klinik. Er vertraut sich einer Seelsorgerin an. Ein Engel käme wiederholt in sein Zimmer und würde ihn einladen mit ihm zu kommen. Er wolle aber nicht. Die Seelsorgerin unterstützt ihn mit dem Engel zu sprechen. Nach mehreren Tagen und Gesprächen mit dem Engel geht der Patient ruhig mit. Er ist gestorben.
Engel haben traditionell eine große Bedeutung für uns Menschen: Sie sind Boten einer Botschaft, weisen und begleiten uns auf unserem Weg. Engel und Geistwesen vermitteln Geborgenheit, Schutz, Trost und Vertrauen. Ihre Anwesenheit löst weniger Furcht als Ehrfurcht und Achtung aus. Sie begleiten im Leben wie beim Sterben.
Licht sehen
Fallbeispiele – Licht sehen
Viele Menschen haben inzwischen Kenntnis über die Nahtoderlebnisse anderer Menschen. Einige der Nahtoderlebnisse sind sogar kulturübergreifend. Darunter ist z. B. auch die Wahrnehmung, dass der Mensch beim Sterben durch einen Tunnel, eine Röhre oder einen anderen dunklen Raum schreitet und an dessen Ende von einem hellen Licht empfangen wird. Dieses Bild taucht mitunter auch in den Träumen mancher Patienten auf.
Kombination aus verschiedenen Bildern möglich
Fallbeispiele – Kombination verschiedener Bilder
Eine 20-jährige Patientin mit einer chronischen Erkrankung träumte einen Traum, in dem sie allen Menschen begegnete, welche ihr im Leben wichtig waren. Plötzlich brach ein Feuer aus und sie war gemeinsam mit vielen Menschen durch das sich ausbreitende Feuer eingeschlossen. Die meisten Menschen versuchten sich vom Balkon aus zu retten. Einige von ihnen rutschten eine große steinerne Treppenbalustrade herunter. Sie wurden unten von einer kleinen Gruppe Menschen empfangen. Einer aus dieser Gruppe bestimmte nach einer Namensliste, wer von dem Balkon hinabrutschen durfte. Die Patientin selber war überrascht, dass sie rutschen sollte, denn sie war trotz des Feuers nicht auf die Idee gekommen vor diesem zu flüchten. Sie rutschte auf der Balustrade hinab, vorbei an Szenen und Orten ihres Lebens, wurde unten von lieben Menschen empfangen, die sie zu kennen schienen. Als die Patientin zum Balkon zurückblickte, war dieser sehr weit entfernt. Sie spürte Trauer und Mitgefühl für die, die auf dem Balkon zurückbleiben mussten. Als sie sich umblickte, war sie in einem endlos großen in blaugrünes Licht getauchten Park. Sie wurde zu weißen Brunnen geführt und entdeckte, dass sie wieder tanzen konnte. Sie spürte ihre Kräfte wiederkommen und genoss dieses sehr. Aber sie vermisste die Menschen um sich herum und der Traum löste sich auf.
Die Patientin entdeckte insbesondere durch diesen Traum, dass gerade in Zeiten, in denen ihr Körper stark entkräftet war, ihre Träume einen besonderen Symbolgehalt hatten. Mithilfe dieser Art Träume konnte die Patientin sich ein Stück aus der Last einer chronischen Erkrankung herausnehmen (z. B. Abschied von Schmerzen und körperlichen Einschränkungen, das Genießen der neuen körperlichen Kräfte) und gleichzeitig Entscheidungsprozesse wahrnehmen, die für ihr weiteres Leben wichtig waren (z. B. Sehnsucht nach Mitmenschen, Rückkehr ins Leben).
Fallbeispiele – Symbolsprache von Gleichnissen
In der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden kann man bewusst auch Bilderbücher (für Kinder und / oder Erwachsene) mit symbolreicher Sprache anbieten. Auch die symbolreiche Sprache von Gleichnissen (in der Bibel, aber z. B. auch in Form von humorigen Texten aus der jüdischen und islamischen Religion) kann als Anregung zur Entwicklung der eigenen Phantasien dienen. Wie immer gilt auch hier: Als Begleiter bieten wir an, der Betroffene darf wählen.
3. Annehmen und Mitgehen in einem sensiblen Dialog
Um Träume und symbolhafte Wahrnehmungen annehmen und verarbeiten zu können, ist ein Dialogpartner sehr hilfreich:
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