Dem Betreiber wird aber die Möglichkeit eingeräumt, feste Gemische abweichend, z. B. als nicht wassergefährdend, einzustufen (§ 10 AwSV). Dieses hat insbesondere in der Bauwirtschaft eine große Bedeutung, denn der gesamte Umgang mit Bodenaushub und Abbruchmaterialien (mineralische Abfälle) fällt darunter. So sind diese festen Gemische nicht wassergefährdend, wenn ihr Einbau bzw. ihre Verwertung/Ablagerung nach anderen Rechtsvorschriften uneingeschränkt möglich ist oder das Gemisch als Z 0- bzw. Z 1.1-Material gem. LAGA eingestuft werden kann.
Bereits bestehende Einstufungen von Stoffen und Gemischen gelten gem. § 66 AwSV weiter.
Hinsichtlich der „Spielregeln“ für die Einstufung sind die Regelungen der bisherigen Verwaltungsvorschrift über die Einstufung und Dokumentation von wassergefährdenden Stoffen übernommen worden. In den Anlagen 1 und 2 der Verordnung ist das detailliert definiert.
Mit dem Anwendungsbereich (§ 1 AwSV) und den Ausnahmen (§ 13 AwSV) werden eindeutige Definitionen eingeführt, in denen die AwSV keine Anwendung findet. Für diese Fälle ist das Wasserrecht außen vor.
1.1.7 Weitere Regelungen
Mit dem § 15 AwSV wurden erstmalig die Technischen Regeln zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (TRwS) rechtsverbindlich eingeführt. Ebenso rechtsverbindlich sind Technische Regeln, die in der Musterliste der technischen Baubestimmungen oder in der Bauregelliste des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) aufgeführt sind sowie DIN-Normen und EN-Normen, allerdings mit der Einschränkung, „soweit sie den Gewässerschutz betreffen“.
Der gesamte Komplex der Sachverständigenorganisationen, Güte- und Überwachungsgemeinschaften und Fachbetriebe spielt weiterhin eine zentrale Rolle bei der ordnungsgemäßen Realisierung der Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, da sie sowohl Anlagenbetreiber als auch Behörden maßgeblich unterstützen und entlasten.
In den Schlussvorschriften sind fünf relevante Bereiche geregelt worden. Diese betreffen:
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die Änderung der Einstufung wassergefährdender Stoffe, |
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die bestehenden, wiederkehrend prüfpflichtigen Anlagen, |
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die bestehenden, nicht wiederkehrend prüfpflichtigen Anlagen, |
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die Prüffristen für bestehende Anlagen, |
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den Einbau von Leichtflüssigkeitsabscheider. |
Besonderes Augenmerk ist hier auf die Überprüfung der Anlagen {Anlagenüberprüfung} zu richten. Bei der ersten Prüfung einer bestehenden, wiederkehrend prüfpflichtigen Anlage nach Inkrafttreten der AwSV hat der Sachverständige festzustellen, ob und inwieweit die bestehende Anlage nicht mit den neuen Anforderungen der Verordnung, die über die bisherigen landesrechtlichen Anforderungen hinausgehen, übereinstimmt. Diese Dokumentation der Abweichungen durch den Sachverständigen ist nur einmal nach Inkrafttreten der Verordnung erforderlich. Für den Betreiber entfaltet die Feststellung einer Abweichung keine direkte Folgewirkung. Sie soll ihn aber über ggf. erforderliche auf ihn zukommende Anpassungsmaßnahmen informieren, um evtl. eine Nachrüstung zu realisieren.
Mit der Vorlage des Prüfberichts bei der Behörde kann diese über mögliche Maßnahmen entscheiden. Sie kann technische oder organisatorische Maßnahmen anordnen, mit denen der Betreiber die festgestellten Abweichungen vollständig zu beheben hat. Diese Maßnahmen können denjenigen entsprechen, die die AwSV vorsieht oder die eine Gleichwertigkeit zu den Vorschriften der Verordnung darstellen. Allerdings gelten die technischen Anforderungen der AwSV bei einer wesentlichen Änderung von Bauteilen oder Sicherheitseinrichtungen sofort. Eine wesentliche Änderung der baulichen Teile oder von Sicherheitseinrichtungen liegt z. B. nicht vor, wenn eine Beschichtung ausgebessert oder ein Stück einer Rohrleitung ausgetauscht wird.
Die bestehenden, nicht wiederkehrend prüfpflichtigen Anlagen müssen vom Betreiber nur dann nachgerüstet werden, wenn dies die zuständige Behörde anordnet. Dabei wird die Verantwortung eines Betreibers für einen ordnungsgemäßen Betrieb der Anlage davon nicht berührt. Analog zu den bestehenden, wiederkehrend prüfpflichtigen Anlagen gelten die Anforderungen hinsichtlich Stilllegung oder Beseitigung der Anlage sowie bei der Änderung wesentlicher baulichen Teile oder wesentlicher Sicherheitseinrichtungen auch für die bestehenden, nicht wiederkehrend prüfpflichtigen Anlagen.
Die Prüffristen für bestehende Anlagen richten sich nach den Gefährdungsstufen (§ 39 AwSV) und sind in den Anlagen 5 und 6 AwSV definiert.
Fußnoten:
[1]
Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV)
vom 18.04.2017 (BGBl. I Nr. 22 S. 905)
[2]
Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG – Wasserhaushaltsgesetz) vom 31.07.2009 (BGBl. I Nr. 51 S. 2585); zuletzt geändert 18.07.2017 (BGBl. I Nr. 52 S. 2771)
[3]
Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (VAwS) vom 31.03.2010 (BGBl. I Nr. 14 S. 377)
[4]
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Wasserhaushaltsgesetz über die Einstufung wassergefährdender Stoffe in Wassergefährdungsklassen (VwVwS) vom 17.05.1999 (BAnz. Nr. 98a S. 786)
[5]
H.-P. Lühr, D. Rottgardt: Überlegungen zur Präzisierung des wasserrechtlichen Anlagenbegriffs, Wasser & Boden Heft 5
[6]
Der Titel der 1979 eingeführten „Richtlinie zur Bewertung wassergefährdender Stoffe - Bewertung der Eigenschaften von Stoffen bzw. Stoffgemischen im Hinblick auf technische Maßnahmen zur Abwendung der Gefährdung des Wassers durch Unfälle beim Lagern, Abfüllen, Umschlagen und Befördern“ bringt sehr deutlich zum Ausdruck, dass die Bewertung in Form der WGK nur zur Ableitung von technischen Maßnahmen dient.
[7]
Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Wasserhaushaltsgesetz über die Einstufung wassergefährdender Stoffe in Wassergefährdungsklassen (VwVwS) vom 17.05.1999 (BAnz. Nr. 98a S. 786)
1.2 Anwendungsbereich
1.2.1 Vorbemerkung
Bis zum 01.09.2006 war das Wasserhaushaltsgesetz lediglich ein Rahmengesetz des Bundes. Der so gesetzte Rahmen wurde dann von den Wassergesetzen der Länder weiter ausgefüllt. Dies führte dazu, dass in jedem Bundesland teilweise deutlich abweichende, eigenständige Anforderungen aufgestellt wurden. Diese Anforderungen an Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen leiteten sich vom jeweiligen Landesrecht ab. Gemeinsame Grundlage für die jeweiligen Länder-VAwSen war ursprünglich die Muster-Anlagenverordnung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser vom 08./09.11.1990 (Stand der Fortschreibung: 22./23.03.2001; Muster-VAwS).
Dennoch hat sich im Laufe der Jahre die Situation ergeben, dass die Muster-VAwS nicht in allen Bundesländern einheitlich umgesetzt wurde. Sowohl für die Betreiber von Anlagen in verschiedenen Bundesländern als auch für Unternehmen, die sich mit Planung, Bau, Instandhaltung und -setzung sowie Reinigung solcher Anlagen beschäftigt haben, ergab sich die Situation, dass es mit X Bundesländern auch X unterschiedliche Verordnungen für Anlagen zu wassergefährdenden Stoffen (VAwS) gab. Bei der Planung von Arbeiten stellte sich dann in aller Regel als Erstes folgende Frage: „In welchem Bundesland steht die Anlage eigentlich?“
Durch die Grundgesetzänderung zum 01.09.2006 wurde nunmehr auch der Bereich „Wasserhaushalt“ Teil der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 32 GG). Die Bundesregierung kann seitdem auf diesem Gebiet Vollregelungen treffen. Diese Kompetenz ist durch das Gesetz zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.07.2009 (BGBl. I, S. 2585) ausgefüllt worden. Das neue Wasserhaushaltsgesetz hat damit zugleich die Grundlage für entsprechende konkretisierende Regelungen des Bundes auf Verordnungsebene geschaffen.
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