Adriana Stern
Pias Labyrinth
roman ariadne 4005
Argument Verlag
roman ariadne
Herausgegeben von Else Laudan
www.argument.de
Deutsche Originalausgabe
Alle Rechte vorbehalten
© Argument Verlag 2003
Eppendorfer Weg 95, 20259 Hamburg
Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020
www.argument.de
Lektorat: Britta Dutke, Iris Konopik, Else Laudan
Satz: Iris Konopik
Umschlaggestaltung: Martin Grundmann
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN 978-3-86754-998-1
Für meinen Sohn Frederik,
dem ich noch so viel mehr erklären möchte
und für Sara R.,
ohne die diese Geschichte wahrscheinlich in einer Schublade verschwunden wäre
Cover
Titel Adriana Stern Pias Labyrinth roman ariadne 4005 Argument Verlag
Impressum roman ariadne Herausgegeben von Else Laudan www.argument.de Deutsche Originalausgabe Alle Rechte vorbehalten © Argument Verlag 2003 Eppendorfer Weg 95, 20259 Hamburg Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020 www.argument.de Lektorat: Britta Dutke, Iris Konopik, Else Laudan Satz: Iris Konopik Umschlaggestaltung: Martin Grundmann E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017 ISBN 978-3-86754-998-1
Widmung Für meinen Sohn Frederik, dem ich noch so viel mehr erklären möchte und für Sara R., ohne die diese Geschichte wahrscheinlich in einer Schublade verschwunden wäre
Zeitsprünge
1. Kapitel - März 1999
2. Kapitel - September 1993
3. Kapitel - Ende März 1999
4. Kapitel - Juni 1999 – September 1998
5. Kapitel - Juni 1999
6. Kapitel - Juni 1999
7. Kapitel - Juni 1999
8. Kapitel - November 1998
9. Kapitel - Anfang Juli 1999
10. Kapitel - Januar 2000
Jazzjahre
1. Kapitel - April 2002
2. Kapitel - März 2000
3. Kapitel - April 2002 – Oktober 2001
4. Kapitel - April 2001
5. Kapitel - April 2002
6. Kapitel - April 2002 – August 2001
7. Kapitel - April 2002
8. Kapitel - April 2002
9. Kapitel - April 2002
Danksagung
Die Autorin
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Zeitsprünge
März 1999
Ein wilder Wolkenhimmel begrüßt Pia, als sie die Stufen vor dem Jugendzentrum hinunterläuft.
All die Jahre war ihr das Zentrum nicht aufgefallen, obwohl sie hier so oft vorbeigegangen ist. Sie hat es erst kurz vor ihrer Psychiatrieeinweisung entdeckt und seit ihrer Rückkehr kommt sie ab und zu her. Sie haben sogar einen Mädchentag, aber meistens findet sie den ziemlich öde. Immer nur reden. Nichts für sie. Heute war es ganz nett eigentlich. Sie sollte vielleicht mal mit den beiden Neuen herkommen. Gemeinsam mit Andrea und Nesè ließe sich der Mädchentag bestimmt aufpeppen.
Die Regeln im Internat sind für sie etwas lockerer geworden. Das Abendessen um sechs nervt aber immer noch genauso wie vor fünf Monaten. Und überhaupt – dieses Internat! Immer noch die gleichen Mädchen, die sie schadenfroh angrinsen. Wenigstens hat sie Schwester Libora nicht mehr im Nacken. Die hat ihr ohne Übertreibung das Leben zur Hölle gemacht, und das vom ersten Tag an. Sechs Jahre ist das schon her.
Völlig in Gedanken versunken hat Pia das Eingangsportal des Internats erreicht. Vielleicht hat sie in den letzten Monaten ein bisschen zu viel erlebt für eine, die vor vier Monaten sechzehn geworden ist?
Zum Glück ist sie seit ihrer Rückkehr in einer neuen Gruppe. Sie ist zwar die Jüngste, aber das ist sie sowieso überall, weil sie in der Grundschule mal eine Klasse übersprungen hat. Sie hofft, ein Jahr früher studieren zu können. Bloß raus aus dem Internat!
»Hey, Pia, haste schon gehört, heute kommt ’ne Neue. Die sieht genauso bescheuert aus wie du. Zum Glück kommt sie in deine Gruppe.«
»Du bist immer so wahnsinnig nett, Walburga. Davon kann einem richtig schlecht werden«, erwidert Pia und lässt die andere stehen. Sie möchte am liebsten sofort in die Regenstraße ziehen, ihren Traum vom Umzug in eine Jugendwohngemeinschaft endlich wahr werden lassen. Die Mädchen in der Regenstraße sind bestimmt anders drauf als die im Internat, das sieht man ihnen schon an. Hoffentlich muss sie die Zwölfte nicht wiederholen. Dann kann sie ihre Umzugspläne nämlich erst mal ad acta legen. Sie hat sich schon so oft vorgenommen, die Mädchen der Regenstraße zu besuchen, aber getraut hat sie sich bis heute nicht.
Schwester Grisaldis sagt, in die Regenstraße kommt sie vorerst nicht. Die Direktorin hat sowieso eine Menge gesagt, als Pia vor drei Wochen zurückgekehrt ist.
»So, Pia, du hast also entschieden, wieder zu uns zu kommen.«
Pia fühlt sich vor Schwester Grisaldis immer wie ein Wurm. Ihr Schreibtisch ist riesig und schwarz. Sie thront dahinter auf einem erhöhten Sessel und starrt von oben auf die Schülerinnen herab, die zu ihr müssen, wenn sie etwas angestellt haben. Ausbruch aus der Psychiatrie und vier Monate Trebe reichen dicke, um dahin zitiert zu werden.
»Ich möchte wissen, wie du dir dein Leben hier vorstellst. Zeit genug, dir darüber Gedanken zu machen, hattest du ja wohl.«
»Schwester Grisaldis, ich …« Krampfhaft versucht Pia, einen klugen Gedanken auszusprechen. Klug in ihren Augen auf jeden Fall. Aber allein schon, wie sie Pia ansieht, macht logisches Denken unmöglich.
»Ich höre, und ich habe weiß Gott nicht den ganzen Tag Zeit.« Ungeduldig trommelt die Direktorin mit ihren Fingern auf die Schreibtischplatte.
»Ja, ich habe mir Gedanken gemacht, ich meine, wo ich doch entschieden habe zurückzukommen.«
»Weiter, Fräulein Drews. Ich warte.« Die Schwester beugt sich vor.
»Ich halte es in der Gruppe von Schwester Libora einfach nicht aus. Wirklich, sie hasst mich, und das war von Anfang an so. Immer, wenn etwas passiert ist, hat sie mich dafür verantwortlich gemacht. Und die anderen Mädchen waren immer die Engel.«
»Pia, mir scheint, du hast nicht allzu viel begriffen. Meinst du vielleicht, uns ist es leicht gefallen, dich in die Psychiatrie überweisen zu lassen? Was immer die anderen Mädchen gemacht haben, du warst es, die sich hat voll laufen lassen und die sich mit Jungen herumgetrieben hat.«
Pia will schreien, aber in diesem Augenblick erhebt sich die Direktorin.
»Und es ist vollkommen gleichgültig, was die anderen Mädchen dazu beigetragen haben, denn du allein trägst die Verantwortung für dein Handeln. Du allein, hast du das verstanden?«
Absolut hoffnungslos, denkt Pia. Es hat einfach keinen Sinn. Auch sie glaubt nur den anderen.
»Sieh mich bitte an, wenn wir miteinander sprechen. Und hör mir jetzt ganz genau zu.« Die Schwester klingt fast freundlich und Pia horcht auf. Sie nickt vorsichtig. »Ich kenne dich seit mehr als fünf Jahren. Anfangs haben wir uns alle sehr große Sorgen um dich gemacht. Dann habe ich festgestellt, was für ein außergewöhnliches Mädchen du bist. Lange dachte ich, dass ein Mädchen wie du nicht in dieses Internat gehört.«
Pia sieht sie schnell an. Was meint die Direktorin damit? Ihre Stimme klingt so positiv, aber was sie sagt, ist wohl alles andere als das!
»Du bist außergewöhnlich intelligent und hast einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Bei allen möglichen Aktionen hast du viel für die Mädchen riskiert. Du hast in Kauf genommen, dich damit nicht nur bei Schwester Libora unbeliebt zu machen. Ist es nicht so, dass du dir mit deinem Einsatz für die Mädchen ihre Zuwendung erkaufen willst, uns Erwachsenen sowieso nicht traust und dir – in deiner Sprache ausgedrückt – scheißegal ist, was wir von dir denken? Ich möchte, dass du mir ehrlich antwortest, denn ich bin auch ehrlich zu dir gewesen.«
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