Konflikte häufen sich, ich bin zu ungeduldig, verspannt, kann meine Vorstellungen nicht loslassen. Dabei ist das Meer ein guter Lehrer: ständig in Veränderung, zwingt es uns immer neu, uns seinem Rhythmus anzupassen und unsere kleinen menschlichen Pläne seinem großen Atem unterzuordnen.
Die Kinder dagegen sind zufrieden: Sie schwimmen begeistert im warmen Wasser, tauchen nach Muscheln, sammeln Kokosnüsse am Strand, rudern mit dem Beiboot zu einer neben uns ankernden amerikanischen Yacht, und können nach nur drei Wochen Englisch. Beneidenswert. Jedes Mal, wenn wir eine Inselgruppe hinter uns lassen, weinen sie bittere Tränen zum Abschied, denn fast überall haben sie rasch Freunde unter den einheimischen Kindern gefunden. Aber schon nach wenigen Tagen weicht die Trauer der Vorfreude auf ein neues Land, einen neuen Kontinent.
In Neuseeland haben wir zum ersten Mal auf der Reise Heimweh. Alles ist so europäisch, und wir realisieren: von hier aus geht es in jede Richtung zurück. Sollen wir bleiben`? Wir fühlen deutlich unsere eigenen Wurzeln, und, obwohl wir uns hier endlich einmal gut verständigen können, haben wir Sehnsucht nach unserer alten Heimat. Wir machen Kassensturz und beschließen, noch im selben Jahr zurück nach Deutschland zu segeln.
Über Australien, Indonesien, Thailand und das Rote Meer geht es in weniger als einem Jahr zurück nach Europa. Aber dann macht uns der Wind wieder einen Strich durch die Rechnung: von Ägypten kommend, wollen wir rasch nach Gibraltar segeln, als es immer mehr aufbrist. Der Wind kommt von vorne, nimmt Sturmstärke an. Wir geben auf und laufen die türkische Küste an. Dort finden wir eine winzige griechische Insel, noch 120 Kilometer östlich von Rhodos gelegen, Kastellorizo. 200 Menschen, kaum Autos, viele Fischer, Handwerker, Künstler. Und eine Schule. Nach nur drei Tagen habe ich einen Job als Tischler. Die Kinder gehen in die griechische Dorfschule. Carola lernt von den alten Fischern die Kräuter der Insel kennen. Fast werden wir heimisch. Aber die Zukunft wird in Deutschland gemacht, und nachdem wir gesehen haben, wie verheerend die Auswirkungen des westlichen Lebensstils im Pazifik und in Asien sind, wo ganze Inselreiche im Müll der sogenannten »Zivilisation« ersticken, fühlen wir uns verantwortlich und wollen uns nicht in unserem griechischen Paradies verstecken.
Carola fliegt allein nach Deutschland auf Erkundungstour. Dann ist mein Schwiegervater am Telefon: Carola liegt auf der Intensivstation. Die Ärzte wissen nicht, ob sie die Nacht überleben wird. Was als kleiner ambulanter Eingriff in einem vermeintlich sicheren Bremer Krankenhaus geplant war, wird (durch den Fehler eines Arztes?) zu einer lebensgefährlichen Verletzung der Aorta mit zweimaliger Notoperation. Nach Stunden gelingt es endlich, die Blutung zu stoppen. Sie überlebt, aber an eine Rückkehr auf unsere Insel ohne Arzt und Krankenhaus ist nicht zu denken. Worauf wir so traumwandlerisch sicher die letzten fünf Jahre verzichten konnten, das brauchen wir jetzt ausgerechnet in Deutschland: Gute medizinische Versorgung vor Ort.
Nach einem Jahr ist Carola soweit wieder hergestellt, dass ich unser Boot aus Griechenland zurücksegeln kann. Es wird die schwerste Etappe der Reise. Kurz vor Bremen kreuze ich allein unseren alten Kurs. Dankbarkeit mischt sich in meine wehmütigen Erinnerungen. Dankbarkeit für die Schönheit der Welt. Und Dankbarkeit für meine mutige Frau. Ohne sie würde ich immer noch in unserer Bremer Wohnung sitzen und von der großen Freiheit träumen.
Ben Hadamovsky
Das Buch zur Reise: »Mit allen Wassern gewaschen”
unter www.hadamovsky.de
Interview mit dem Wiener Lehrerpaar Evi Strahser und Wolfgang Wirtl, die mit ihrem Katamaran »Sleipnir2« in drei Jahren die Welt umsegelten
© Alexander Reeh
Frau Strahser, Herr Wirtl, Sie haben das gewagt, wovon viele nur träumen: eine Weltumsegelung. Was hat Sie gemeinsam zu diesem Abenteuer bewogen? Gab es ein ausschlaggebendes Erlebnis?
Wir sind beide immer schon sehr reiselustig gewesen und haben bereits, bevor wir einander kennengelernt haben, weite Reisen in exotische Gebiete unternommen. Gemeinsam haben wir dann mit dem Rucksack einige exotische Länder bereist. Was uns außerdem verbindet, ist die Liebe zum Meer und zum Leben auf dem Wasser.
Eigentlich gab es kein ausschlaggebendes Erlebnis, an dem der Entschluss zu unserer Weltumsegelung gefasst wurde, es war eher ein langsamer Prozess.
Als Lehrer hat man die Möglichkeit eines Sabbatical-Jahres und diese Auszeit wollten wir uns beide einmal gönnen, um zu reisen – in welcher Form wussten wir anfangs allerdings noch nicht. Wir haben mit Freunden immer wieder Segelboote für ein bis zwei Wochen gechartert, was uns schlussendlich auf die Idee brachte, dass man mit dem eigenen Schiff eine längere Reise unternehmen könnte.
2001 haben wir unseren Katamaran »Sleipnir 2« in England gekauft und sind 2002 zu einer einjährigen Segelreise in die Karibik und wieder zurück, einer sogenannten Atlantikrunde, gestartet. Bereits vor Abschluss dieser Reise stand der Entschluss fest, wieder aufbrechen zu wollen, beim nächsten Mal allerdings für eine längere Zeit.
Wie lange hat die Zeitspanne von Ihrem definitiven Entschluss bis zum Antritt der Reise gedauert?
Im Sommer 2003 sind wir von unserer ersten Segelreise zurückgekommen. Es stand sofort fest, dass wir einen Zeitraum von vier Jahren benötigen, um entsprechend Geld zu verdienen und den Kat nach den erworbenen Erfahrungen ein wenig umzurüsten.
Sie waren ziemlich genau drei Jahre unterwegs. Wie lässt sich eine solche doch lange Auszeit mit dem Beruf vereinbaren?
Da wir beide Lehrer an einer allgemeinbildenden höheren Schule sind, war es möglich, ein Sabbatical-Jahr und danach zwei unbezahlte Freijahre – in denen wir weder krankenversichert waren, noch ein Gehalt bezogen haben – zu nehmen.
Wir haben beim Sabbatical-Jahr die Dreijahres-Variante gewählt – das heißt, wir haben zwei Jahre vor Antritt der Reise voll gearbeitet, aber nur 66% verdient, dafür haben wir im ersten Jahr unserer Weltumsegelung ebenfalls 66% Gehalt bekommen und waren auch krankenversichert.
Unsere Arbeitsplätze an den jeweiligen Schulen waren Gott sei Dank gesichert, mit unseren Direktoren gab es vor Reiseantritt ausführliche Gespräche.
Und in dieser Zeit den Kontakt aufrecht zu erhalten mit den Menschen und der Familie zu Hause, war sicher auch nicht ganz einfach? Wie haben Sie das geschafft?
Wir hatten an Bord eine Kurzwellenanlage mit Pactor, eine Art Modem, wodurch wir Emails empfangen und verschicken konnten, außerdem haben wir damit auch Wetterinformationen bekommen. Die Amateurfunklizenz hat uns diesbezüglich ein breites Spektrum an Möglichkeiten geboten. Internet hatten wir an Bord allerdings nicht.
An manchen Ankerplätzen gibt es mittlerweile Internetzugang über WLAN, was sehr praktisch ist, da man im Cockpit sitzend surfen kann, ohne sein Schiff verlassen zu müssen. An solchen Orten konnten wir unserer Familie und unseren Freunden ausgiebig mailen und manchmal – wenn der Empfang gut war – sogar skypen. Wir haben uns dafür eine sehr starke externe Antenne zugelegt. Hier war es uns auch möglich, unserem Webmaster Fotos etc. zu schicken, um unsere Website upzudaten. Durch die Website haben wir die Reise ausführlich dokumentiert und hatten zeitweise mehr als 200 Besucher täglich. Außerdem haben wir des Öfteren auch Internetcafés besucht und in manchen Ländern, in denen wir uns länger aufhielten, SIM-Karten für unsere Handys gekauft.
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