Stephan Hähnel
Gefundenes Fressen
Morgenstern ermittelt
Ein Berlin-Krimi
Jaron Verlag
Originalausgabe
1. Auflage 2014
© 2014 Jaron Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
www.jaron-verlag.de
Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin. Foto: © iStock
Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
ISBN 9783955522063
Für Edda
Cover
Titel Stephan Hähnel Gefundenes Fressen Morgenstern ermittelt Ein Berlin-Krimi Jaron Verlag
Impressum Originalausgabe 1. Auflage 2014 © 2014 Jaron Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien. www.jaron-verlag.de Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin. Foto: © iStock Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014 ISBN 9783955522063
Widmung Für Edda
Vier Jahre zuvor …
Sonnabend, 7. Juni
Sonntag, 8. Juni
Montag, 9. Juni
Dienstag, 10. Juni
Mittwoch, 11. Juni
Donnerstag, 12. Juni
Freitag, 13. Juni 2014
Sonnabend, 14. Juni
Sonntag, 15. Juni
Montag, 16. Juni
Mittwoch, 18. Juni
Donnerstag, 19. Juni
Sonnabend, 21. Juni
Sonntag, 22. Juni
Mittwoch, 25. Juni
Donnerstag, 26. Juni
Freitag, 27. Juni
Samstag, 28. Juni
Danksagung
Ebenfalls im Jaron Verlag erschienen
Der Mann sah es nicht kommen. Ganz plötzlich erschien das Mädchen zwischen den Baucontainern und stand mitten auf der Straße. Ihre Blicke trafen sich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dennoch brannten sich die entsetzten Augen für immer in seine Erinnerung. Einen Augenblick lang verharrte die Welt in einer nüchternen, hoffnungslosen Klarheit.
Der Aufprall auf die Motorhaube des Mercedes Offroader klang dumpf. Der Mann wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton heraus. Auf der Beifahrerseite beulte sich die Frontscheibe nach innen. Risse durchzogen das Glas. Das Gefühl, in einem Netz gefangen zu sein, ließ ihn erschauern. Später konnte er sich nicht erinnern, ob es noch andere Geräusche gegeben hatte. Nur daran, dass er jene Sekunden wie einen langsam laufenden Film empfunden hatte.
Das Mädchen riss mit dem Gesicht den rechten Scheibenwischer ab und rutschte seitlich über den Kotflügel. Im Rückspiegel konnte er sehen, wie es auf das Straßenpflaster schlug. Der Körper rollte noch einige Meter auf den Steinen entlang, bis er endlich liegen blieb.
Ob es die Angst war, ins Schleudern zu geraten, oder einfach nur der Schock – erst jetzt bremste er langsam, bis er zum Stehen kam.
Benommen stieg der Mann an diesem grauen Novembermorgen aus dem Auto und ging mit schweren Schritten zurück. Das spärliche Licht einer Straßenlaterne beleuchtete den reglosen Körper des Mädchens. Die Beine waren verdreht, das Gesicht blutüberströmt. Ein Teil der Kopfhaut verdeckte das rechte Auge. Dem Mann wurde schlecht. Verzweifelt schaute er sich um. Dunkle Bürogebäude. Verwaiste Parkplätze. Eine Industriestraße, die vom Regen glänzte. Nur ein paar Laternen warfen ihr müdes Licht auf die Bürgersteige.
Der Mann wusste, dass er zu schnell gefahren war. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ließ sich Restalkohol in seinem Blut nachweisen.
Er hätte nicht hier sein dürfen. Die Fremde, mit der er die Nacht verbracht hatte, würde er nie wiedersehen. Ein One-Night-Stand. Ihr Name hatte wie der Titel einer bunten Frauenzeitschrift geklungen. Laura? Linda? Lisa? Niemand meldete sich in einem Seitensprungportal mit seinem richtigen Namen an. Seine Frau dachte, dass er bereits in Hannover sei, wo er heute einen Vortrag für Führungskräfte halten würde.
Tief im Innern glaubte der Mann, dass er keine Chance gehabt hatte, dem Mädchen auszuweichen.
Es war kalt. Für ein derart mieses Wetter war es unpassend gekleidet. Es trug nur eine einfache Sommerjacke. Der Mann schätzte es auf vierzehn Jahre, möglicherweise sogar jünger.
Seine Augen füllten sich mit Tränen. Die Hände zitterten. Mit Mühe gelang es ihm, seinen Atem zu beruhigen. Noch nie hatte er sich so einsam gefühlt wie in diesem Moment. Er musste an seine Frau denken und an die Kinder. Er liebte sie. Wie gern wäre er jetzt bei ihnen gewesen.
Langsam, wie ein beginnender Kopfschmerz, griff eine Idee nach ihm, so selbstverständlich, dass er sich nicht einmal darüber wunderte. Niemand hat dich gesehen. Was hindert dich daran, einfach wegzufahren?
Sofort schämte er sich des Gedankens, spürte jedoch gleichzeitig eine gewisse Erleichterung. Es war ein tragischer Unfall. Warum sollte sein Leben aus der Bahn geworfen werden? Wegen der Laune eines Zufalls?
Kraftlos ging der Mann zu seinem Wagen zurück. Auf halber Strecke nahm er den abgerissenen Scheibenwischer auf und wickelte das blutverschmierte Ende notdürftig in ein Papiertaschentuch. Er würde den Wischer verschwinden lassen. Die Stoßstange und der Kühlergrill waren stark in Mitleidenschaft gezogen, die Motorhaube war an mehreren Stellen eingebeult, die Frontscheibe hinüber. Das musste alles ausgetauscht werden.
Er stieg ein und verriegelte die Tür. Durch die Risse in der Scheibe ließ sich die Straße gerade noch erkennen. Nachdenklich schaute er auf die Uhr, konzentrierte sich und schätzte, wie viel Zeit ihm blieb, den Wagen zu tauschen.
Er kannte jemanden, der sich des Schadens annehmen würde, ohne Fragen zu stellen. Dieser Jemand besaß eine Werkstatt und arbeitete auf eigene Rechnung. Ein paar Tage musste der Mann wahrscheinlich einplanen, bis alle Bauteile beschafft waren und der Mercedes neuen Lack bekommen hatte.
Wenn ein Ersatzwagen frei war, sprach nichts dagegen, dass er den Vortrag in Hannover pünktlich beginnen konnte. Prüfend blickte der Mann in den Rückspiegel, blinkte vorschriftsmäßig und fuhr langsam los.
Der Regen würde alle Spuren verwischen. Der Mann sah nicht mehr, dass der rechte Daumen des Mädchens in jenem Moment fast unmerklich zu zucken begann.
Die warme Juniluft schmeckte seit Tagen abgestanden. In den Cafés und Restaurants in Prenzlauer Berg saßen in den späten Nachmittagsstunden Touristen und Kiezbewohner einvernehmlich nebeneinander. Einige blätterten Zeitungen durch oder lasen ein Buch. Andere studierten einen Stadtplan oder tauschten Belanglosigkeiten aus. Die meisten kühlten ihr Inneres mit allerlei Getränken, seien sie nun alkoholischer oder gesünderer Natur. Wer Hunger verspürte, begnügte sich mit leichter Kost, zumeist einem üppigen, gesundheitsfördernden Salat. Dazu gab es experimentelle Brotsorten. Selten bestellte ein Gast ein Gericht, das einen Magen angemessen füllte.
Niemand nahm Notiz von dem Elfjährigen, der bei dieser Hitze viel zu schnell mit dem Fahrrad durch die Schwedter Straße in Richtung Mauerpark fuhr. Der Junge schwitzte nicht nur wegen der hohen Temperaturen, sondern auch vor Aufregung, führte er doch bei einem imaginären Radrennen. Es war ein Spiel. Sein Spiel. Später einmal wollte er der berühmteste Radrennfahrer aller Zeiten werden.
Mit einem Zwischenspurt war es ihm gelungen, sich vom Hauptfeld abzusetzen. Auch wenn er die Verfolger nicht sah, wusste er, dass ihm nur ein kleiner Vorsprung blieb. Bis zur Ziellinie oberhalb des Hundeauslaufplatzes im Mauerpark war es nur noch ein kurzes Stück. Nicht schwach werden!, dachte der Junge. Heute ist dein Tag. Du wirst der Champion!
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