Stephan Wahl… reiß die Himmel auf
Stephan Wahl
… reiß die Himmel auf
Meditationen zu Advent und Weihnachten
Vorwort Vorwort Bei allem Zimtduft, den Kerzen, dem Tannenbaum und all den herrlich unnotwendig-romantischen Accessoires, mit denen wir in Deutschland jedes Jahr traditionell Weihnachten feiern (den Autor eingeschlossen), muss ich doch auch jedes Jahr an das Wort eines schreibenden Kollegen und Freundes denken, Wilhelm Bruners, der einmal vom „heruntergekommenen Gott“ sprach. Das stimmt im doppelten Sinne. Gott steigt herab, das ist das eine; aber wo er ankommt, das ist das andere. Er kommt durch die Seitentür, nicht durchs Hauptportal, ohne göttliche Privilegien und wird Mensch mit allem Drum und Dran, mit Wiege und Gestilltwerden, mit Laufen-Lernen und Pubertätsstress, mit Kopfschmerzen und Grippe, persönlichen Freundschaften und Familienzoff. Mit Lachen und Weinen … Nach dreißig Jahren dann sagen, was zu sagen war, was gesagt werden musste: das Evangelium. An Weihnachten bedenken wir diesen Anfang, für den der Stall ein Symbol ist. Gott nimmt seine Menschwerdung zutiefst ernst, legt sie nicht wie ein leichtes Gewand um, sondern lebt sie bis zur letzten Konsequenz. Krippe und Kreuz sind aus dem gleichen harten Holz. Die folgenden Texte sollen nicht die heitere Weihnachtsfreude verderben, sondern Impulse zum Nachdenken geben. Vielleicht hilft der eine oder andere, die Adventszeit bewusst als eine Zeit der Vorbereitung und persönlichen Einkehr zu gestalten – soweit es möglich ist. Ob die Texte nun mahnen, provozieren, sich einen heiteren Blick erlauben oder ins Gebet führen, immer sind sie durchtränkt von der bleibenden Freude über den im wahrsten Sinne zu uns „heruntergekommenen Gott“, dessen Menschwerdung in Jesus Christus wir mit großer Freude in jedem Jahr feiern. Das kleine Buch möchte ich all den vielen unterschiedlichen Menschen widmen, denen ich in den jetzt 25 Jahren meines priesterlichen Dienstes begegnen durfte und die auf ihre Weise durch ihr Leben von der Vielfalt des Menschseins und der damit verbundenen unendlichen Phantasie Gottes erzählen. Trier, im Juli 2013 Stephan Wahl
… reiß die Himmel auf ... reiß die Himmel auf O Heiland, reiß die Himmel auf … So singen wir im Advent. So sehnen wir uns. Herr, es ist deine Kirche, die nach dir ruft, wir werden weniger. Nur wenn du es willst wird dein Name genannt bleiben, nur wenn du es willst werden unsere Altäre nicht gestürzt, nur wenn du es willst, tragen wir weiter, was wir empfangen haben. Wecke die Sehnsucht nach dir und lass deine Stimme hören. Ruf Menschen auf deine Seite, reiß sie aus ihren Gleisen, wirf ihre Pläne über den Haufen und kämpfe eifersüchtig um sie. Ich weiß, es ist schwerer als früher. Reiß die Himmel auf und gib uns Kraft leise und laut, stark und schwach, klar und empfindsam deine Botschaft zu verkünden. Wider alle Götter und Götzen, wider alle Kälte und Berechnung wider alle Grenzen und Zwänge. Gib uns tollkühnen Mut, von deiner Größe zu reden und: von deiner Barmherzigkeit. Damit die Menschen Menschen werden. In deiner Welt.
1. Dezember 1. DEZEMBER Advents-Gebet Deine Botschaft, Herr, überwindet alle Grenzen. Dein Stern gibt die Richtung an. Du führst mich aus meiner Enge ins Weite, brichst meine Zelte ab, lockst mich und verführst mich zum Leben, wie du es verstehst. Ich bin dir kostbarer als alles, was ich dir geben könnte. Mein Weihrauch verflüchtigt sich vor dir, meine Kerzen überstrahlst du mit deinem Licht, kein Gold, kein Edelstein wiegt deine Güte auf. Du kennst mich besser als ich mich selbst und trotzdem bleibst du und hältst mich aus. Auch wenn du mir Wüsten nicht ersparst, nicht dein hartnäckiges Schweigen und auch nicht mein Ringen und Zweifeln. Meine Schritte lenkst du nicht, lässt mein Stolpern zu, meine Umwege. Du gibst mir Freiheit. Auch die, zu scheitern. Du meinst es ernst. Deine Wegweiser sind nicht plakativ, nicht aufdringlich und doch gut zu erkennen, wenn ich denn will. Es sind so viele. Sie zu finden liegt an mir, besonders in dieser Zeit hin zum großen Fest deiner Geburt im Menschen, dein unübersehbares Zeichen. Nichts trennt mehr Botschaft und Bote, mehr als alle bemühten Propheten wolltest du leben, was du seit jeher verkündest. Du bist dein Wort. Von Krippe bis Kreuz. Stärke mich und verlass mich nicht. Erinnere mich immer wieder an deine Weisungen, deine heilende Tat, deine geheimnisvolle Nähe. Halte durch, Gott. Mit mir, auf dem Weg, der der meinige ist. |
Advents-Gebet 1. DEZEMBER Advents-Gebet Deine Botschaft, Herr, überwindet alle Grenzen. Dein Stern gibt die Richtung an. Du führst mich aus meiner Enge ins Weite, brichst meine Zelte ab, lockst mich und verführst mich zum Leben, wie du es verstehst. Ich bin dir kostbarer als alles, was ich dir geben könnte. Mein Weihrauch verflüchtigt sich vor dir, meine Kerzen überstrahlst du mit deinem Licht, kein Gold, kein Edelstein wiegt deine Güte auf. Du kennst mich besser als ich mich selbst und trotzdem bleibst du und hältst mich aus. Auch wenn du mir Wüsten nicht ersparst, nicht dein hartnäckiges Schweigen und auch nicht mein Ringen und Zweifeln. Meine Schritte lenkst du nicht, lässt mein Stolpern zu, meine Umwege. Du gibst mir Freiheit. Auch die, zu scheitern. Du meinst es ernst. Deine Wegweiser sind nicht plakativ, nicht aufdringlich und doch gut zu erkennen, wenn ich denn will. Es sind so viele. Sie zu finden liegt an mir, besonders in dieser Zeit hin zum großen Fest deiner Geburt im Menschen, dein unübersehbares Zeichen. Nichts trennt mehr Botschaft und Bote, mehr als alle bemühten Propheten wolltest du leben, was du seit jeher verkündest. Du bist dein Wort. Von Krippe bis Kreuz. Stärke mich und verlass mich nicht. Erinnere mich immer wieder an deine Weisungen, deine heilende Tat, deine geheimnisvolle Nähe. Halte durch, Gott. Mit mir, auf dem Weg, der der meinige ist. |
2. Dezember 2. DEZEMBER Aber sie sind da, die Bilder, wir haben versucht, uns loszureißen, aber sie haben uns nicht losgelassen Gottvergessene, gottverlassene Welt. Die Welt gleitet durch unsere Hände. Bomben fliegen, Flüchtlinge fallen auf ihrem Weg, wie Wasser gleitet das durch unsere Finger. Menschen, zerstört durch Hass und Einsamkeit. Gott hat uns die Welt in die Hände gegeben und sie ist uns in die Hände gefallen. Tänze vor goldenen Börsenkälbern, Militärgeschäfte seit dem 11. September mit gutem Gewissen. Spionage unter „Freunden“, keiner traut keinem. „In diese Welt, diese verrückte Herberge kommt Christus ohne Einladung“, lese ich in einem Fax aus Israel. Wird Mensch. Hilf uns, Herr, denn unser Glaube ist klein, hilf, Herr, denn unsere Phantasie reicht nicht weit genug. Unsere Hände sind zu geballt, unsere Herzen sind zu verfettet, unsere Augen sind zu verheult. Hilf uns zu sein, wer wir sein sollen. Fahr uns in die Knochen, geh uns unter die Haut! |
… unter die Haut 2. DEZEMBER Aber sie sind da, die Bilder, wir haben versucht, uns loszureißen, aber sie haben uns nicht losgelassen Gottvergessene, gottverlassene Welt. Die Welt gleitet durch unsere Hände. Bomben fliegen, Flüchtlinge fallen auf ihrem Weg, wie Wasser gleitet das durch unsere Finger. Menschen, zerstört durch Hass und Einsamkeit. Gott hat uns die Welt in die Hände gegeben und sie ist uns in die Hände gefallen. Tänze vor goldenen Börsenkälbern, Militärgeschäfte seit dem 11. September mit gutem Gewissen. Spionage unter „Freunden“, keiner traut keinem. „In diese Welt, diese verrückte Herberge kommt Christus ohne Einladung“, lese ich in einem Fax aus Israel. Wird Mensch. Hilf uns, Herr, denn unser Glaube ist klein, hilf, Herr, denn unsere Phantasie reicht nicht weit genug. Unsere Hände sind zu geballt, unsere Herzen sind zu verfettet, unsere Augen sind zu verheult. Hilf uns zu sein, wer wir sein sollen. Fahr uns in die Knochen, geh uns unter die Haut! |
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