Beate Alefeld-Gerges - Stefan Sigg
Trauerarbeit
mit Jugendlichen
Junge Menschen begleiten,
bei Abschied, Verlust und Tod
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Ihr Don Bosco Verlag
Trauer, Tod und Sterben ist ein Teil unseres Lebens. Es ist notwendig, dass wir uns dieser großen Herausforderung stellen. In den letzten Jahren hat das Thema Trauer bei Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit erfahren – und das ist gut so! Es wäre zu wünschen, dass wir alle natürlicher und offener mit dem Thema umgehen können und Tod und Sterben nicht erst dann aufnehmen, wenn jemand in unserem Umfeld stirbt. Der Tod gehört zum Leben und das Thema braucht präventiv Raum in unserer Gesellschaft.
Schon Kinder im Kindergarten sollten lernen, was Tod bedeutet. Ein Friedhofsbesuch sollte ein Standardprogramm im Kindergarten sein. Kinder im Alter zwischen fünf bis sechs Jahren sind sehr neugierig und stellen in der Regel völlig unbekümmert Fragen, beispielsweise zu Grabsteinen und allem anderen, das ihnen dort begegnet. Erwachsene müssen keine Bedenken haben, Kinder und Jugendliche mit diesem Thema zu konfrontieren, die offene Herangehensweise der Kinder kann dazu beitragen, dass die Begegnung mit dem Tod selbstverständlich ist, und einen offeneren Umgang fördern.
Man kann beobachten, dass Menschen, die sich mit dem Thema Tod auseinandergesetzt haben, immer die ersten Ansprechpartner sind, für alle, die mit dem Thema Abschied beschäftigt sind, denn Trauer verbindet. Wer Trauer schon einmal selbst erlebt hat, der weiß, dass es gut ist, im Trauerprozess Menschen an seiner Seite zu haben, die zuhören und der Trauer Raum und Ausdruck geben.
In diesem Buch finden Sie viele Anregungen und Impulse zur Trauerarbeit mit Jugendlichen. Neben Informationen zum Trauerprozess in der Jugendphase und den Grundlagen der Trauerbegleitung finden Sie konkrete Methoden und Übungen sowie Impulstexte, die sich z. B. als Einstieg in eine Gesprächsrunde mit Jugendlichen eignen. Zahlreiche Beispiele aus dem Beratungsalltag geben Einblick in den Trauerprozess von jungen Menschen.
Wir haben in unserer langjährigen Erfahrung mit Jugendlichen in der Therapie (Beate Alefeld-Gerges), im Unterricht und in der Jugendarbeit (Stephan Sigg) erlebt, wie kreativ Jugendliche sind, einen Weg durch ihre Trauer zu finden. Wir möchten Sie mit diesem Buch einladen, sich von den Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren mit Jugendlichen gemacht haben, inspirieren zu lassen, um einen eigenen, authentischen Weg der Auseinandersetzung mit Tod, Abschied und Trauer zu finden, und Sie dabei unterstützen, Jugendliche in ihrer Trauer zu begleiten.
Beate Alefeld-Gerges und Stephan Sigg
1. Pubertät und Trauer – eine explosive Mischung
Plötzlich mit dem Tod konfrontiert
Pubertät ist eine Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit
Die Pubertät ist für Jugendliche eine Zeit des Umbruchs und der Unsicherheit. Sie sind keine Kinder mehr, aber noch keine Erwachsenen. Sie möchten sich von den Eltern lösen, suchen ihre eigenen Werte, wollen ihre eigenen Wege gehen und brauchen doch Schutz und Unterstützung. Die Pubertät ist eine Zeit des Ausprobierens. Die Jugendlichen sind auf der Suche nach dem Sinn im Leben, auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt und kämpfen um Positionen, die sie selbst erst finden müssen. Teil dieses Prozesses ist auch, die eigenen Grenzen auszuloten. Autoritäten werden in Frage gestellt.
Auch für viele Eltern ist diese Zeit von großer Unsicherheit geprägt: Viele machen sich darüber Sorgen, wie die Pubertät ihre Kinder verändert. Wie damit umgehen? Wie darauf reagieren? Eine Studie der Universität Tübingen (2016) zeigt, dass Eltern die Veränderungen in der Persönlichkeit ihrer Töchter und Söhne als viel tiefgreifender beurteilen als diese selbst. Laut Studie fanden die Eltern oft, ihre Kinder seien verschlossener als früher, während die Kinder selbst überzeugt waren, offener geworden zu sein. Es scheint, als müssten sich heute vor allem die Eltern von ihren Kindern abnabeln und nicht mehr umgekehrt die Kinder von den Eltern.
Die Welt ist unberechenbar
Jugendliche in der heutigen Zeit erleben nicht nur die Unsicherheit der Pubertät, die es seit jeher gab, die auch schon Jugendliche vor vierzig oder fünfzig Jahren beschäftigte. Sie wachsen zusätzlich mit einem ständigen Gefühl der Krise auf, sie kennen die Welt gar nicht anders als im Krisenzustand: Menschen auf der Flucht, Krieg, Terror …
Eine weitere Unsicherheit betrifft ihr unmittelbares Umfeld: Das Zuhause ist für viele nicht mehr eine „sichere Burg“. Selbst wenn Jugendliche aus sogenannten geordneten Verhältnissen kommen, haben sie in ihrem Umfeld erlebt, wie sich Eltern trennen oder sie sich in Patchworkfamilien neu arrangieren müssen. Fast ein Drittel kennt heute die klassische Familie nicht mehr aus eigener Erfahrung, ihre Eltern haben nie zusammengelebt oder sich früh getrennt, es gibt Halb- oder Stiefgeschwister, klassische Patchworkfamilien (Studie Rheingold Salon, Köln, o.J.).
Der Leistungsdruck verursacht psychosomatische Beschwerden
Auf der anderen Seite gibt es aber heute auch viele Jugendliche, die überbehütet aufwachsen und unter großem Leistungsdruck stehen. Die Zukunftspläne von Jugendlichen sind hoch gesteckt. „Heute will ein Mädchen nicht nur Jura studieren, sondern eine weltweit bekannte Menschenrechtlerin werden.“ (Studie Rheingold Salon, Köln, o.J.) In der Rheingold-Studie wurden vor zwanzig Jahren Jugendliche befragt, ob sie berühmt werden wollen: Damals waren es 14 %, heute sind es 30 %. Die Ansprüche der Jugendlichen an sich selbst sind enorm gestiegen, was einen großen Druck verursacht. Viele Jugendliche wurden schon im Alter von fünf Jahren eingeschult, allein der Wechsel in die weiterführende Schulen ist oft mit einer großen Belastung verbunden, die Voraussetzungen für das Abitur sollen optimal sein. Eltern setzen sich regelmäßig über die Empfehlungen der Lehrer hinweg: Ihr Kind soll unbedingt auf das Gymnasium! Heute ist es keine Seltenheit mehr, dass schon 17-Jährige ihr Studium beginnen.
Angesichts der von ihnen erwarteten Leistungen und Ziele ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr Jugendliche an psychosomatischen Beschwerden leiden: Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Alpträume, Kopf- und Bauchschmerzen, ständige Abgeschlagenheit, schwaches Immunsystem, Konzentrationsschwäche.
Der Tod lässt die Welt einstürzen
Wenn Jugendliche dann noch einen nahestehenden Menschen durch Tod verlieren, sind sie oft nicht mehr in der Lage, den Herausforderungen gerecht zu werden. Der Tod einer wichtigen Person verändert die Vorstellung von der Zukunft radikal. Die Beziehungen, die Rollen und die Familienstruktur eines jungen Menschen ändern sich oft schlagartig. Die Jugendlichen aber unterschätzen sich hier oft: Im Allgemeinen denken sie von sich selbst, „gegen den Tod oder gegen Verletzungen immun zu sein“ und nicht so schnell aus der Bahn geworfen zu werden. Wenn jedoch ein Elternteil, ein Geschwister oder ein Freund stirbt, machen sie völlig unerwartet und unvorbereitet die Erfahrung, dass die Welt einstürzt und nichts mehr ist, wie es einmal war.
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