Ich trank.
Eine kleine Frau tauchte aus dem Zimmer auf: gerade Haltung, Schultern zurück, Brust leicht vorgedrückt, halblange Haare, glatt, braun, Zopf. Schlanker Körper in Jogging-Hose und einem zu weiten Pullover mit zu weitem Ausschnitt, der eine nackte Schulter bräunlicher Haut entblößte – unter anderem.
»Willst du etwa im Flur stehen bleiben?«, sagte sie.
Ich kam näher und bemerkte, dass ihre Augen von einem hellen, fast goldenen Braun waren. Etwas Düsteres glitzerte aus ihnen hervor, anthrazitfarben, wie die Haut des Todes. Sie duftete nach sich, unaufdringlich, bezaubernd, fremd. Ich erinnerte mich an Rita, die frühe Rita. Diese hier schätzte ich auf Anfang zwanzig.
In meinem Kopf zogen brennende Nebel auf, wogten, brandeten; während ich vor dieser Frau stand, die gefährlich ist wie ein Puma, eine Schlange. Sieh nur, wie sich ihre Augen weiten. Ich fasste mich glühenden Kopfes an den Hals, denkend: tausche Schlüssel und Konto von mir aus, aber die lass hier.
Du korruptes Schwein, Pierretot.
Ich weiß, ich weiß, aber: diese brennenden Nebel und: wie sie riecht.
Sie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht, stirnrunzelnd.
»Phu«, sagte sie. »Hast du eine Fahne.«
»So eine Zurschaustellung von Reichtum verunsichert mich«, sagte ich. »Und dann trinke ich.«
»Aha.«
»Ist besser als zu schreien. Gesünder.«
»Na, übertreib mal nicht. Komm rein.«
Sie ging mir voraus in dieses Zimmer und ihre Rückseite übertraf alles, was ich bisher von ihr gesehen hatte. Vielleicht wirkte sie so verletzlicher, aber ich musste mir diesen Rücken nackt und diesen heißen Hintern an meinen Lenden vorstellen.
Pierretot, halte dich zurück. Du wirst kontrollierbar. Zeig nicht soviel von deinem Scheusal. Sieh woanders hin: die Wände. Aha. Bilder: Kandinsky, Dessau. Couchtisch, cremefarbene Leder-Sitzgruppe – da ist sie wieder. »Willst du?« Sitzend, Zigs anbietend. Sie lächelt. Zähne zu groß, wie bei einer Kuh. Dickes Melanom links am Hals.
»Für meine Fahne.« Na ja, Pierretot.
Eine genommen: Gauloises, was sonst? Aber Freiheit besitzt man nicht, man erkämpft sie. Sie lehnt sich zurück, sie mustert dich, die Puma-Frau, sie sitzt da und lauert und raucht. Setze dich, Pierretot und erinnere dich, Markwort: Und an die Leser denken. Denk an die Leser, Pierretot, ausatmen, zurücklehnen und an die Leser denken.
»Das ist also der große John P.«, sagte sie.
»Falsch«, sagte ich. »Ich bin Jean Pierretot. John P. ist mein Bruder.«
»So so.«
»Komm schon: wenn du wirklich John P. erwartet hättest, würdest du wohl kaum in solchen Schlabber-Klamotten rumlaufen, eine Schulter nackt. Eher in’ner Ritterrüstung.«
Sie zog an ihrer Zig, die Lider verengend. Ich sah den Funken trotzdem. Sie ist ein Profikiller, dachte ich. Eine Gottesanbeterin. Sie blies den Rauch durch die Nase aus.
»Gut«, sagte ich. »Genug von mir. Wer bist du? Was willst du?«
»Direkt wie ein Schlagring«, sagte sie. »Aber Freita hatte mich schon vor dir gewarnt.«
»Hast du dir wohl nicht zu Herzen genommen, schlecht vorbereitet wie du bist.«
»Sag das nicht.«
Sie stand auf.
»Was trinken?«
Ich stimmte zu und sie verließ das Zimmer. Ich drückte die Gauloise im Aschenbecher aus und drehte mir Eine. Schachtel-Zigs hatten einfach nicht genug Biss für mich. Ich genoss meine Atempause Zug um Zug.
Sie kam mit einer Flasche Wein und einem Stapel Papier unterm Arm zurück. Der Korkenzieher lag neben dem Aschenbecher auf dem Tisch. Sie legte den Stapel Papier vor mich hin mit den Worten:
»Ich heiße übrigens Carline.«
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