Gesellschaftlicher Höhepunkt 1905 war sicherlich die Berufung Georg von Hütterotts als Abgeordneter in das Herrenhaus. Seinem Wirken als Politiker ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Ausgelassen wurde aber die Möglichkeit, die Silberhochzeit des Ehepaares zu feiern. Weder in Triest, noch auf S. Andrea fand eine entsprechende Festlichkeit statt. Vielleicht lag es an den noch nicht beendeten Bauarbeiten oder der fehlenden Einrichtung. An diesem Tag hielt sich die Familie auf der Insel auf und wurde von Maries Schwester Clara, ihrem Sohn Alex und dem Schwager Walter Benecke besucht. In den Briefen der Mutter Louise Keyl ist der Unmut über den Ausfall der Feier zur Feier der Silberhochzeit mehrfach dokumentiert. Dafür tauchen aber auch regelmäßig Berichte über Hochzeiten in Frankfurt auf. Die Großmutter scheint immer indirekt darauf hinzuweisen, dass es an der Zeit ist, Hanna zu verheiraten. Da das Thema nie direkt angesprochen wird, dürfte es sich um einen heiklen Punkt gehandelt haben.
Pula,April, Mary Pott, Mizzi und Lola Minutillo
1906
Blatt–36
In diesem Jahr beginnt das Buch nicht mit einer Eintragung zum Winter in Triest. Der Reigen der Gäste beginnt mit der Erzherzogin Maria Josepha und als Begleiterin Carla Attems, die bereits erwähnt wurde. Sie wird vermutlich zu dieser Zeit ihren Dienst als Oberhofmeisterin bei der Erzherzogin Maria Josepha aufgenommen haben.
Der militärische Höhepunkt der Insel scheint am 2. August dieses Jahres erreicht zu sein, indem Admiral Rudolf Graf Montecuccoli der Insel einen offiziellen Besuch abstattet. Er bringt sogar seine Bordkapelle mit, die den ganzen Abend im Säulenhof musiziert. Das ist das einzige Mal, dass eine musikalische Unterhaltung auf S. Andrea erwähnt wird. Die Militärkapelle ist somit die Vorgängerin der nachfolgenden zahlreichen Bands, die für die Unterhaltung der Touristen sorgen. In den letzten Jahren ist diese Tradition auf einen einzelnen Musiker zusammengeschrumpft. Ich muss aber erwähnen, dass diese Einmannkapelle (Franjo) eine sehr gute Leistung erbringt. Der Admiral war einer der größten Förderer des Schiffsneubaus für die Marine und daher für Georg von Hütterott geschäftlich äußerst wichtig.
Anstelle der fehlenden Einleitung sind dafür vier Wetterbeobachtungen eingetragen. Im November wird die Insel verlassen, und Hanna reist mit ihrer Großmutter (Keyl) nach Frankfurt.
Einem Brief des Advokaten Alvise Rismondo ist zu entnehmen, dass Georg in Rovinj, oder Umgebung, fünf Ölmühlen betrieben hat. Im Jahre 1906 wurden 391 Liter gekeltert und zu einem durchschnittlichen Preise verkauft (worauf Rismondo extra hinweist!). Die landwirtschaftliche Verwaltung des Besitzes scheint demnach ausschließlich von Rovinj aus vorgenommen worden zu sein. Georg beteiligt sich auch mit einer größeren Spende für die Figur der Hl. Euphemia auf dem Altar der Pfarrkirche. Anlass für diese Spende war der Tod des Dr. Matteo Campitelli, des Direktors der Tabakfabrik. Aber auch in die Planungen für die erste Wasserleitung der Stadt war Georg eingebunden.
Aus diesem Jahr liegt auch ein umfangreicher Schriftwechsel mit der Firma „Carl Geyling´s Erben für Glasmalerei“ vor. Georg von Hütterott bestellt ein Glasfenster für die Kapelle und schreibt die Gestaltung genau vor: „eine segnende Madonna, darunter links mein Wappen, rechts die Inschrift Hanna v. Hütterott“. Vermutlich ist dieses Kapellenfenster eine Vorbereitung auf die geplante Verehelichung mit einem Mitglied des Hauses Habsburg. Die Hütterotts waren von Hause aus Calvinisten und nahmen auch in der Triestiner Kirchengemeinde gehobene Funktionen wahr. Eine Madonnendarstellung mit Familienwappen wäre daher schwer vorstellbar. Hätte die vom Kaiser angeblich untersagte Heirat stattgefunden, müsste nach Habsburger Hausgesetz Hanna zum Katholizismus konvertiert haben. Die gewünschte Fenstergestaltung wäre logisch. Über den Verbleib des Fensters ist nichts bekannt, angeblich wurde es 1950 von dem damaligen Direktor des Hotels an einen Slowenen verschenkt.
Es existiert auch aus 1906 wieder ein umfangreicher Bestand an Briefen, die überwiegend von der Mutter Louise Keyl aus Frankfurt stammen. Bei dem Inhalt der Schreiben handelt es sich hauptsächlich um die Erörterung familiärer Ereignisse. Am interessantesten ist die Suche nach einer geeigneten Erzieherin für Barbelis, die sich fast über das ganze Jahr erstreckt. Dieses sind wohl die ersten Hinweise, dass es sich bei Barbelis um einen etwas schwierigen Charakter handelte. Gefunden wurde schließlich ein gewisses Fräulein Katharina Tilsner, der Barbelis eine lebenslange Anhänglichkeit bewahrte, wie späterer Schriftverkehr belegt. Die Dame war später als Prinzenerzieherin im Hause der Fürsten zu Wied tätig und entwickelte sich zu einer strammen Nationalsozialistin. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ihre Erziehung auch einen Gewissen Einfluss in dieser Richtung auf Barbelis ausübte.
Barbelies und Frl. Tilsner auf der Terrasse der Villa Adele
Dalmatienreise,Oktober, an Bord der „Gödöllö“, Curt Netto, Alex Kessler
1907
Blatt 37–39
Dieses Jahr beginnt mit einer zur Hälfte freien Seite. Vermutlich sollte hier der Bericht über den Winter in Triest stehen. Es ist rätselhaft, warum die Seite nicht ausgefüllt wurde, da weitere Berichte folgen und auch 1908 das Gästebuch mit dem Winterrückblick beginnt.
Georg von Hütterott macht in Begleitung von Arthur Krupp und Paul von Schoeller eine 12-tägige Autofahrt durch Tirol. Für uns ist das heute nichts Außergewöhnliches, aber zur damaligen Zeit war eine so lange Autoreise, besonders im Gebirge, ein größeres Abenteuer als eine Seereise mit eigener Yacht. Paul von Schoeller und Arthur Krupp waren Geschäftspartner im Bereich des Maschinenbaus, und über diese Verbindung bestand Kontakt zum Stabilimento Tecnico Triestino. Hanna und Marie von Hütterott verbrachten diese Zeit in dem Jagdrevier der Familie Krupp in der Walster, an der Grenze zwischen Niederösterreich und der Steiermark. Margarete Krupp, die Ehefrau von Arthur, hatte im Jahre vorher anlässlich ihrer silbernen Hochzeit als Geschenk für ihren Mann dort große landschaftliche Veränderungen vorgenommen.
Nach der Familienchronik war Georg Hütterott im Jahre 1879 mit 27 Jahren aufgrund seiner überragenden Leistungen als junger erfolgreicher Handelsherr zum ersten japanischen Konsul in Europa ernannt worden. Die Fernostreise 1883/84 könnte demnach auch eine konsularische Reise gewesen sein, da Kontakte mit Hofbeamten des Kaisers belegt sind. Der japanische Militärattaché ist mehrmals auf der Insel zu Gast. Im September besucht ein japanischer Flottenverband Triest, und von Hütterotts Anwesenheit ist natürlich notwendig. Erstmalig wird dabei eine gesellschaftliche Aktivität in Triest erwähnt, nämlich ein Dinner und eine Abendgesellschaft, zu der auch die Töchter eingeladen sind.
Ende des Monats fährt Georg von Hütterott zum Stapellauf eines rumänischen Kriegsschiffes, welches der Stabilimento Tecnico Triestino in Galatz baute. Voller Stolz wird im Gästebuch vermerkt, dass die Familie von König Carol I. anwesend war, und alles sehr befriedigend verlaufen ist.
Am 7. Oktober findet der schon traditionelle Besuch von Erzherzog Karl Stefan statt (der aus seiner Familie nur seine Tochter Eleonora mitbringt), dieses Mal aber in Begleitung der bayerischen Verwandtschaft: Prinzessin Maria Theresia mit ihren Töchtern.
Am 3. November (sehr spät) wird das letzte Seebad genommen, und am 9. November findet bei ganz schlechtem Wetter die Rückreise nach Triest statt.
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