Paula Grogger
DAS
GRIMMINGTOR
Roman
ISBN 9783990402641
© 1984 und 2014 by Styria Premium in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG
Wien · Graz · Klagenfurt
Alle Rechte vorbehalten
Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop
UMSCHLAGGESTALTUNG:
Bruno Wegscheider
BUCHGESTALTUNG:
Strobl, Satz·Grafik·Design
1. DIGITALE AULAGE:
Zeilenwert GmbH 2014
Cover
Titel Paula Grogger DAS GRIMMINGTOR Roman
Impressum ISBN 9783990402641 © 1984 und 2014 by Styria Premium in der Verlagsgruppe Styria GmbH & Co KG Wien · Graz · Klagenfurt Alle Rechte vorbehalten Bücher aus der Verlagsgruppe Styria gibt es in jeder Buchhandlung und im Online-Shop UMSCHLAGGESTALTUNG: Bruno Wegscheider BUCHGESTALTUNG: Strobl, Satz·Grafik·Design 1. DIGITALE AULAGE: Zeilenwert GmbH 2014
Erstes Buch
Alte Chronik
Die Evangelisten
Spaziergang
Wie Abt Gotthard nach Gstatt kam
In der Studi
Die Lehre vom Himmelbett
Der verbotene Dreizipf
Die Wallfahrt bis Maria Grüaberl
Johannes
Das hochnotpeinliche Strafgericht
Der letzte Schutzengel
Zweites Buch
Vier Ähren Traid
Von guten Werken, welche der Vorsicht bedürfen
Advent
Wie Matthäus sein Glück verspielte
Die Kranewetten unter dem Schleier
Der Einaug und der Nepomuk
Von mannigfacher Herzensnot
Der Maitanz
Wie der heilige Nepomuk zum zweitenmal ertrank
Fronleichnam
Das Grimmingtor
Wörterverzeichnis
ERSTES BUCH
Mondhell und blank ist der Himmel. Sterngelber Schein liegt auf den Mauern. Die Dächer glänzen im Rauhreif, und leise Spukschatten haben sich hinter die Zäune gelegt. Aus dem Rauchfang des Torbäcken flattert ein dünnes Wölkchen; beim Schneider brennt die Lampe noch. Es ist so ruhig im Dorf, daß ich fühle, wenn der Hahn auf dem Turme knarrt … wenn die vier Pappelbäume sachte … sachte sich regen. Und der Grimming ragt ganz einsam und groß aus dem Saume blauer Föhren. Vom Stierkar herab schneidet sich ein schmales, tiefes Rinnsal ein, und da läuft im Frühjahr viel Gewässer und Sand nach einer Schneemulde nieder, manchmal auch ein schweres Felsstück. Keine Krüppelföhre mag dort leben, kein Christrösel blüht. Kein Mensch getraut sich recht auf die »Jausengruben«. So heißt sie von alters her; denn genau zur selben Tagesstunde, wann der Felszack drei Schattenfinger auf die Grube wirft, nehmen die Holzknechte aus ihrem Buckelsack das Speckbrot und den Kranewittern.
Es graut mir ein wenig in der blassen, silbrigen Mondnacht, weil ich just daran denke … Wo die Steinwand schroff über der Mulde aufsteigt, ist ein Tor. Und selten kann es ein Mensch erschließen, es sei denn während der Prozession am hohen Fronleichnamstag oder, wie andere wissen wollen, bei der Wandlung zu Peter und Paul.
Einmal gab es einen tollen Jäger, der wagte es. Warum … das wird man nimmer erfahren; allein viele meinen, es geschah, weil er die ehrgeachtete Jungfrau Constantia Sorger, verehelichte Stralzin, so unsäglich liebte. Sie war die Tochter des Knappen Johannes Sorger, welcher nachmals Verweser geworden war. Und war bekannt durch einen wunderschönen Wuchs sowie ihre großen dunkelbraunen Augen und das goldwellige Haar. Die Roßknechte horchten im Vorüberfahren auf ihre laute klingende Stimme. Und ihr weitschichtiger Vetter, der Oberverweser Georg Staudacher, ließ sich’s nicht gereuen, jeden Tag zwei Stunden weit in den Walchengraben zu spazieren, nur um sie anzuschauen. Und der Jager, ach! der Jager lernte schreiben ihr zuliebe. Und das war ein Martyrium.
Am St. Barbarafest, als sie sechzehn Jahre alt war, führte sie ihr Vater auf den ersten Tanz. Und da ist der Andreas Grogger, insgemein Stralz, auf sie zugeschritten, hat ihr die Hand gedrückt, daß es bitter schmerzte, und hat gesagt:
Etwa: Ich hab dich gern?
O nein!
»Stanzi«, hat er gesagt, »wann meine Schwester ausheirat’ und meine sechs Brüder ein Handwerk haben, wann das Haus leer ist, wöllen wir zwei Hochzeit halten. Eher gehst mir auf keinen Tanzboden mehr. Verstanden?«
Da wurde das liebe Mädchen zunderrot und entgegnete ihm jähzornig:
»Du hast mit mir nit umzuschaffen!«
Aber nach einer halben Stunde ging sie heimlich nach Hause. Und wenn fürder die Roßknechte mit dem Kupfererz vorbeifuhren, hörte sie zu singen auf. Wenn der Oberverweser zwischen den Schmelzöfen sichtbar wurde, so versteckte sie sich. Nur mit dem Jager diskurierte sie manches Mal, weil dieser weit herumpirschte, bis in die Sölktäler und durch den Paß Stein sogar, und weil er in seiner verbissenen Weise allerhand vom Bräutigam Stralz erzählte, was nicht sehr schön … und vielleicht auch nicht erlogen war. Zuletzt schwor er jedesmal:
»Stanzi, der Teufel soll mich holen, wann’s nit wahr ist.«
Dann sah das Mädchen hoffärtig an ihm fürbei und sprach:
»Ich glaub’s schon.«
»Nimm mich!« bat der Jager.
Hierauf wurde ihr Gesicht aschfahl und hart.
»Nein, sag ich!«
Einstens, es war schon in der Dämmerzeit, da pochte der Bursch an die Haustür.
»Stanzi, mach geschwind auf!«
»Was gibt’s denn?« fragte das Mädchen und brannte zitternd ein Kienlicht beim Herdfeuer an. Der Jager aber war ungeduldig und drückte an die Klinke, bis es krachte und der Türhaken weit davonflog.
»Er heirat’ die Bräumeisterwittib von Gröbming.« Die Jungfrau Constantia Sorger rührte sich nicht. Nicht einmal der Span flackerte.
»Mich ziemt, dir ist nit leid?« hub er zu fragen an.
»Nein.«
»Hast nit reden hören? Zwo Köchinnen sind aufgedungen; eine extra für die Prügelkrapfen und die Schnürlkrapfen. Und zwanzig Ellen Seidenzeug hat er kauft beim Hausierer Gottlieb.«
»So.«
»Mich ziemt, dir ist gar nit leid?«
»Geh weiter!« schaffte sie. »Mir brennt das Mus an, wannst nit bald dein Maul haltst.«
»Tu ’s Licht weg!« bat er weich. »Es züngelt schon um deine Fingernägel.«
Das Mädchen rührte sich noch immer nicht. Da riß ihr der Bursche den Span aus der Hand und zertrat ihn. Nur das rote Herdfeuer leuchtete. Und das Mädchen stund so bläßlich und kalt vor ihm, daß er, sein wildes Geblüt zähmend, gar demütig bettelte:
»Stanzi, gelt, du wirst ihn übers Jahr längst vergessen haben. Und du brauchst statt seiner auch keinen Jager nit nehmen, wann dir ein solcher zu gering ist. Das Stift Admont wird noch heuer einen verlieren. Ich schwör, daß ich zu Martini schon ein Schloßherr bin, reicher als wie der Moar von Kunagrin und der Moar im Steinkeller zusamm. Weißt du … wie?«
»Brauch’s nit zu wissen.«
»Stanzi, drüben in Gstatt werden wir hausen. Ich und du. Was wirst du für eine pieksaubere Schloßfrau sein!«
»Ich glaub, der Vater kommt.«
»Wegen meiner kann er wohl kömmen. Aber du lügst.« Der Jager wußte alsdann schier nichts mehr zu reden. Er suchte in seinen Taschen, zog endlich ein Briefbögerl heraus und reichte es mit abgewandtem Gesicht der Stanzi …»Ich hab den Vers für dich geschrieben, liabs Dirndel du. Nit, daß du etwan glaubst, ich hätt den Schulmeister zahlt.«
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