Langsam verging der Nachmittag. Die Kellnerin, mit ihrem flinken Mundwerk, erzählte es einem jeden, der durchs Vorhaus kam, daß die Frau Mutter den bösen Humor hab, und so getraute sich weder die Veitkramerin noch die Buglmüllerin oder sonst ein Weib zur Stralzin in den Heimgarten. Und das Regengeriesel am Fenster, das verglimmende Erlscheit und die vielen dicken Fliegen blieben ihre einzige Gesellschaft.
Dann … auf einmal krachte die Küchentür, und darin sich bückend, stapfte der Matthäus daher. Seine Augen waren noch klein und verschlafen; er pfiff eins, und das liebe närrische Glück tanzte wieder einmal darnach, ohne daß er’s wußte. Wär er nämlich beim ersten Ansturm gekommen, hätte er – sicher wie das Amen im Gebet – eine Dachtel erfangen. Nun aber blitzte nur noch schwach das letzte Wetterleuchten, und seine Mutter sagte fast sänftlich:
»Zeit ist’s, daß du heimkömmst.«
Der Bub gähnte, und die Stralzin meinte noch milder:
»Daß du auch nit gescheiter bist.«
Matthäus wollte sonach den Mund auftun und entgegnen: Was wird die Frau Muatter greinen wegen so einem Tröpferl Bier.
Aber es ist doch ein wundersam Ding, daß die Reden der Bauern sind wie die Wege. Die winden sich auch an Wiesenrand, an Bach und Berghang zu einer Keusche hinauf, zur andern hinunter. Und nur deswegen, weil die Leut so unendlich viel Zeit haben, und weil ihnen jedes Büschel Gras zu kostbar und jede Krume Ackererde zu heilig ist, als daß sie kreuz und quer darüberführen. Ja … daß die Reden sind wie die Wege … immer bedächtig an Saum und Baum vorbei. Denn öfter als ein Langsamer was versäumet, hat ein Eilender sich vergaloppiert.
Also der Matthäus wollte schon Antwort geben, als die Stralzin nahe herzutrat und sagte:
»Schau, ich mag’s nit leiden, daß du gar so zu der Rögerl haltst.«
Der Bub bekam ein recht dummes, erstauntes Gesicht. Sie hielt solches für Verstellung und wurde bös.
»Du!« sprach sie mit erhobenem Zeigefinger. »Bald ich euch zwei noch mal im Dreizipf oben sehen sollt, nachher wirst was erleben.«
Nun war er ganz baff. Er frug sich … wann … wann er im Obstgarten gewest. Und er gähnte, daß die Stralzin bis in den Hals, nein, beinahe bis ins Herz hinabsah. Dann setzte er sein Hütel auf und ging.
Er ging stockstumm in den Hof hinaus, und wie er immerfort verwundert hin und her studierte, trat Markus mit aufgestreiftem Hemdärmel aus dem Stall und sagte:
»Die Glockkuah hat sich blaht.«
Und Lukas schoß eilfertig an ihm vorbei, mit seiner hellen Stimm die Mutter rufend. Sie kam. Und nach und nach folgte ihr das ganze Hausgesind. Und alle standen sie um die arme Bergscheckin, welche sich überfressen hatte und sich mit gequollenem Leib im Miste wälzte und die vier Beine in Krämpfen von sich stieß.
Die paar Rinder, so zu dieser Jahreszeit daheim waren, schoben plärrend die breiten Kiefer, peitschten mit dem Schwanz die Bremsen ab und wetzten an der Kette. Die Säu hinter dem Verschlag grunzten in wahrem Höllspektakel zusammen. Und vom Heuboden schaute mit grünen Glaspupillen die Katz und achtete wohl der Schmerzen.
Oh, die Tiere sind nicht stumpf!
Ging Markus nur einen Schritt hintan, wie kläglich und bang glotzte das Kühel ihm nach. Fühlte sich in seiner Todesangst noch mehr verlassen. Der Bub ließ auch vorab niemand zuhelfen. Wie jedoch sein Kneten und Reiben nichts nutzte, rief er endlich das Viehmensch. Das räumte eben das fette Grünfutter aus den Trögen und murrte:
»So hat mich das Unglück auf keinem Platz nit verfolgt. Aber die Schuld därft man eher den Mannsleuten geben, was jedes Frühjahr so viel Dung verprassen, daß der Klee schon von der Wurzel aus fäulen und gären muß.«
»Es war gescheiter, wann die Scheckin das Maul offen hätt, statt deiner!« sagte Markus. Und den Knechten schaffte er, die Kuh zu halten, daß sie nicht mehr strampfen könne. Er selbst zwängte ihren Schädel zwischen die gespreizten Knie und packte die Hörner mit einem zähen Griff. So brachten ihr Lukas und Rögerl doch die Kiefer voneinander. Und Mutter Stralzin stopfte ein ergiebiges Quantum Rauchtabak und Kohlöl in den Schlund.
Sintemal sich aber der Zustand verschlechterte und das Tier selbst mit Gewalt nicht auf die Füße zu bringen war, schickte Frau Constantia zum Kurschmied; und Markus zählte indieweil schon die Rippen ab, die Stell suchend, wo nach seiner Ansicht mußte angestochen werden.
Plötzlich … stand eine im Tor, von niemand gerufen, von niemand gewünscht, die verschriene Mutter des Bäckenhansei. Gleich machte die Dirn ein heimliches Kreuz. Die Knechte drehten ihr den Buckel, und Matthäus, der bislang beim schwingenden Tor gelehnt und die Hände in den Hosensack gesteckt hatte, ermunterte sich aus seinem Schlafdusel und sagte grob:
»Brauchen dich nit! Kömmt eh der Zedler.«
Sie überhörte es. Schob sich ungebeten durch Herrenleut und Hausgesind und hielt der Kuh ein Salz für die Nase, das ähnlich wie Balsaminen roch. Und rücklings gehend, lockte sie das kranke Tier damit in den Hof. Alsdann gab sie das Wunderbröckel dem Markus und wispelte:
»Alleweil kreuzweis muaßt sie zarren. Und im Wegmittel laß sie schmecken und lecken beim Kern. Bald er gar ischt, schrumpft ihr das Wampel ein wie eine krowotische Leinwand.«
Und ehe ein Mensch danken konnte, sprach sie selber:
»Vergelt’s Gott! Und geseng’s Gott.«
Auf der Straße aber wandte sie sich noch einmal mißtrauisch zurück. Nahm hiebei wahr, daß Markus ernsthaft ihren Rat befolgte, während Matthäus groß und kommod am Stalltor lehnte und eins pfiff.
»Ja, ja, die Geschwistert«, sagte sie unheimlich lachend.
»Eins fallt auf die Ofenbank. Und das ander kriegt eine Himmelbettstatt völlig geschenkt … über Nacht wird’s zum Tauschen. Schmecks Kropfeter!«
Bei diesem Wort dachte Matthäus wie von ungefähr ans Tafelzimmer; an das Geheimnis mit der Rögerl und insbesonders an die lateinische Instruktion, welche er versprochen und nicht gehalten hatte.
Dies war eigentlich keine genügende Antwort auf mancherlei verzwickte Rätsel. Aber es war doch eine Antwort. Und da er weder zu Gründlichkeit noch Grübelei neigte, gab er sich damit zufrieden.
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