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Der Baumkronenweg in Kopfing
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Wipfelsturm
Ein Holzturm am Baumkronenweg
Da oben ist die Luft ganz anders, sagt man. Und die Rinde der Bäume ist nicht schuppig wie unten, sondern glatt. Nebenan wohnen Vögel. Eindrücke und Ausblicke vom Baumkronenweg in Kopfing.
Der Traum vom Fliegen lebt. Und wenn wir es schon nicht aus eigener Flügelkraft schaffen, so wollen wir wenigstens Aug’ in Aug’ mit den gefiederten Freunden deren wunderbare Perspektive genießen. Und das funktioniert am Baumkronenweg bestens, der sich wie eine chinesische Mauer, allerdings eine hölzerne, durch den Innviertler Wald zieht.
Das Holz dafür wurde gleich vor Ort gefällt. Eine Strecke von 25 Kilometern hätten die benötigten rund 700 Festmeter Bäume aneinander gereiht ergeben. Mitten im Wald entstand eine riesige Baustelle: Mit einem Hochkran wurden die höchsten Türme aufgestellt. 2005, nach einem halben Jahr und harter Arbeit – auch den Winter hindurch –, war der Baumkronenweg im Sauwald schließlich fertig: 40 Plattformen und 17 Türme, die zwischen drei und 22 Meter hoch und durch stabile Holzstege und schwankende Hänge- und Tellerbrücken verbunden sind, säumen den Weg, zweieinhalb Kilometer am Boden, 1.000 spannende Meter in der Luft. Über all das ragt ein Erlebnisturm hinaus, der sagenhafte 40 Meter hoch ist.
Schön langsam wird man in die Baumkronen hinaufgeführt. Und hält oben angekommen angesichts des herrlichen Ausblickes den Atem an: Er reicht weit hinein ins Mühlviertel, nach Bayern und bei schönem Wetter sogar bis in die Tiroler Berge. Und das aus einem grünen Meer aus Wald heraus. Auf den höchsten Türmen bietet sich ein völlig neuer Blickwinkel, man hat das Gefühl, es herrscht ein anderes Klima als unten. Es ist trockener und windiger, die Geräusche sind anders. Hier wohnen Vögel, dort klettern Eichhörnchen flink nach oben, Tiere, die man sonst nur aus der Ferne sieht, lassen sich mit ein wenig Glück aus der Nähe beobachten. Früh am Morgen und am Abend ergreifen die Waldbewohner noch mehr vom Pfad Besitz. Kein Wunder, dass man ursprünglich solche Wege in den Baumkronen der Tropen zu wissenschaftlichen Zwecken gebaut hat.
26 Stationen zu ebener Erde bieten Wissenswertes für Groß und Klein oder einfach nur Unterhaltung: vom Fuchsbau und Gleichgewichtsstationen über die Möglichkeit, Stimmen des Waldes via Waldgrammophon aufzunehmen, bis zur mit 50 Metern längsten Trockenrutsche Österreichs. Nach dem Vorbild englischer Irrgärten wurde ein Labyrinth angelegt, ein großer Spielplatz lädt auf einer Lichtung zum Spielen ein. Im Advent ist die Waldweihnacht mit Kunsthandwerk und kulinarischen Genüssen ein besonders idyllisches Erlebnis.
In den sechs Baumhäusern, Baumhotels genannt, die sich auf Stelzen zehn Meter über dem Boden befinden, kann man das ganze Jahr komfortabel übernachten. Wer sich traut, der nimmt an einer nächtlichen Gruselwanderung durch den Forst teil, die im Winter in Schneeschuhen und mit Fackeln durchgeführt werden.
INFO: Verein Baumkronenweg
Knechtelsdorf 1, 4794 Kopfing
+43 (0) 7763/2289, @ office@baumkronenweg.at
Öffnungszeiten:
Anfang April – Anfang November
www.baumkronenweg.at
Wie die Chinesische Mauer
Die Bucklwehluck’n in St. Thomas
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Die Luck’n heilt den Ruck’n
Der heilbringende Stein von St. Thomas
Rund um den Wallfahrtsort St. Thomas am Blasenstein wimmelt es nur so von mystischen Orten und seltsamen Steinen wie der Bucklwehluck’n. Obendrein gibt’s dort den luftgselcht’n Pfarrer.
Ein kurzer Moment des Zögerns und dann klettert man hinein in den Spalt. Drinnen ist man erstaunt über die Stille und die glatten Innenflächen des Steines, die Abertausende, die hier schon durchgeschlüpft sind, wohl poliert haben. 40.000 sollen es übrigens jedes Jahr bis heute sein. Ein Stück weiter wird es ziemlich eng, fast muss man sich wie eine Schlange eine Kurve entlang weiterwinden. Nicht umsonst heißt es bei den Blasensteinern: Wer durch die Bucklwehluck’n durchkommt, hat zumindest die Gewähr, dass das Kreuz noch nicht ganz kaputt sein kann. Unter Platzangst sollte man aber besser auch nicht leiden. Noch einmal ducken, sich vorsichtig über den glatten Stein am Ausgang bewegen und dann ist man wieder draußen. Noch in den 1930er Jahren sollen viele Blasensteiner vor jedem Kirchgang durch den Stein gegangen sein.
Und warum tut man sich das an? Zur Erklärung: Wir befinden uns auf dem Blasenstein im Unteren Mühlviertel. Das Berglein (723 m) ist nicht nur weithin sichtbar, es bietet auch eine grandiose Aussicht über das Land: Halb Oberösterreich breitet sich an schönen Tagen vor ihm aus. Das silberne Band der Donau, die Burg Clam, der Dachstein. Der Blasenstein ist aber auch sonst ein besonderer Ort. Hier, genauer gesagt bei der Bucklwehluck’n, sollen sich seit jeher wunderliche Dinge zugetragen haben. Denjenigen nämlich, die durch den Spalt des beeindruckenden Granitfelsens kriechen, verheißt die Kraft der Luck’n Heilung bei Rückenproblemen und Rheuma und den Erlass ihrer Schulden. So schwören heute nicht nur die Bewohner von St. Thomas auf die Steinformation: Viele Besucher kommen von weit her, um einmal durchzukriechen. Für sie ist die Bucklwehluck’n also ein heiliger Ort. Ein Stein-Koloss, fünf Meter hoch, tonnenschwer und mit einem schmalen Durchlass. Auf den ersten Blick unspektakulär, bei genauerem Hinsehen, nein Hin-Spüren, ist da noch etwas: Es scheint, als strahle der Stein. Und tatsächlich haben Wissenschaftler eine leichte Radioaktivität festgestellt – Radonstrahlung. Wird wohl doch was dran sein an den Geschichten …
Der kleine Ort St. Thomas hat noch eine ungeklärte Besonderheit zu bieten: In der frei zugänglichen Unterkirche liegt die Mumie des 1746 im Alter von 37 Jahren verstorbenen Chorherrn und Pfarrvikars von St. Thomas, Franz Xaver Sydler de Rosenegg. Der Körper ist nicht verwest, obwohl er mehr als ein Jahrzehnt unter der Erde ruhte. In der tiefgläubigen Gegend galt die Mumifizierung als Wunder, das bis heute nicht geklärt werden konnte. Gruselig-schaurige Geschichten ranken sich um den Verstorbenen und den Zustand dessen, was er auf Erden hinterließ. Von Gift bis radioaktive Strahlung muss vieles als Erklärung herhalten. An anderer Stelle heißt es, der Chorherr wäre an Epilepsie gestorben, weshalb er auch als Helfer bei dieser Krankheit gilt.
Der Lederne Franzl
Die Überlieferung spricht auch davon, dass der Geistliche an einer ansteckenden Krankheit gelitten und deswegen eine „Medizin auf Leben und Tod“ bekommen habe. Die Tatsache, dass er nicht verwest ist, wurde von den Menschen jedenfalls als Fingerzeig Gottes gewertet.
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