Im Umgang miteinander ist es wichtig zu wissen, dass „Mensch“ Mädchen (besonders süß mit Gugaschecken = Sommersprossen im Gesicht) meint, Diandl auch Tracht. Der Hussinand ist ein Mühlviertler und steht für Overall. Und Earl ist kein englischer Lord, sondern ebenso wie der Losa das Ohr. Wenn sich der Oberösterreicher afpudelt und an Gizi kriagt (jähzornig wird), weil er pflanzt (gefoppt) wird, dann regt er sich auf, eine Unklarheit schnapst (diskutiert) man sich in Ruhe aus, damit der Bahö (Krawall) nicht zu groß wird, man keinen Puza (Verweis, Tadel) kriegt und es keine Dedschn (Ohrfeige) gibt, die womöglich einen Düwö (Beule) hinterlässt und alles zum Plazn oder Flenna (Weinen) wird. Zurück bleibt man schließlich oft dadodat (erschüttert).
Vorsicht ist auch mit einmal mehr und einmal weniger harmlosen Schimpfwörtern geboten: Blunzn (Blutwurst) meint abfällig ein Weiberleut, Funsn eine eingebildete Zeitgenossin, Bosnigl einen boshaften Menschen, Krauderer einen alten, klapprigen und Noarndattl einen närrischen Mann. Der Gscheidwaschl weiß alles besser und ist recht gschafti (geschäftig), der Haftlmacher (aufmerksamer Mensch) macht um alles ein Gschisdigschasdi (Umstände). Am besten nähert man sich zitzalweis (in kleinen Schritten) an und lässt sich auch nicht von siemseidenen (schmeichlerischen, heuchlerischen) Zeitgenossen einwickeln.
Und damit wir nicht ganz wiaflad (schwindlig) werden, hören wir an dieser Stelle auf und widmen uns im Folgenden dem, was ein Oberösterreicher oder einer, der sich hier auskennen will, getan haben muss.
Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern viel Vergnügen bei der Lektüre und vor allem viel Freude an den unabdingbaren Erlebnissen, die ich Ihnen hier vorstellen darf.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich im Sinne der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet habe (auch und vor allem im Titel dieses Buches). Dennoch sind freilich Vertreter beiderlei Geschlechts angesprochen.
Linz, im Sommer 2014 Melanie Wagenhofer
Der Bartbinder in Offensee
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Haarspaltereien
Gamsbartträger
Ein paar Kilometer außerhalb von Ebensee, in der Abgeschiedenheit eines idyllischen Bergsees, an den sich einst Kaiserin Elisabeth gerne zurückgezogen hat, ließ sich auch ein begnadeter Handwerker nieder: der Lahnsteiner Bertl. Ein Besuch beim Bartbinder am Offensee in Ebensee.
Wo andere ausflippen täten, dabei werde ich ruhig“, erklärt der Bertl. Stunden-, manchmal tagelang ordnet er die Gamshaare feinsäuberlich millimetergenau nach ihrer Länge, dann bindet er die gleich langen mit seiner eigenen Technik zusammen, um dann aus den Büscheln, die aus jeweils 100 bis 150 Haaren bestehen, den „Bacht“ zu erzeugen. Die kürzeren innen, die längeren rundherum. 20.000 bis 25.000 Haare zieren einen prächtigen großen Gamsbart, ein Kunstwerk, das in 30 bis 60 Stunden Arbeitszeit entsteht. 22 Zentimeter ist die Grenze, die die Natur der Länge des traditionellen Hutschmuckes gesetzt hat. Der Bertl ist einer von ganz wenigen, die dieses Handwerk in Österreich noch hauptberuflich betreiben.
Eigentlich hat er ja Zimmermann gelernt, der Bertl. Doch weil sich sein Großvater, ein Jäger, dereinst über seinen Bartbinder geärgert hat, dachte sich der Enkel, das müsse doch anders, besser, zu machen sein. Und versuchte sich an des Großvaters Gamsbärten. Nahm sie auseinander, setzte sie wieder zusammen. „Guate Nacht!“, war die Reaktion des Großvaters. „Lass des guat sein, Bua. Wie sollst du, mit deinen großen Händen, so was Feines zusammenbringen!“ Doch der Bertl ließ sich nicht abbringen und ging, als er nach einer Weile anstand, zum Pilz Fritz nach Hallstatt – damals „der beste Bartbinder im Salzkammergut“ –, um von ihm zu lernen. „Eine Stunde habe ich ihm zugeschaut!“, erinnert sich der Bertl. Das habe genügt. Ein paar Monate später traten Lehrmeister und Schüler zur Gamsbartolympiade an. Und – und das sei ihm noch heute direkt peinlich – der Bertl gewann, der Pilz Fritz wurde „nur“ Zweiter. „Eine solche Gabe zu besitzen ist ein Gottesgeschenk“, sagt der Bertl ehrfürchtig.
Bertl Lahnsteiner an seinem Arbeitsplatz
Mittlerweile bindet der Ebenseer seit 1990 Gamsbartbärte, zehn Jahre als Hobby, danach hauptberuflich. Und das vorwiegend in „Lohnarbeit“, wie er sagt. Denn die meisten kommen mit der Ware, quasi ihrem „Jagderlebnis“, zu ihm, um sich daraus den Schmuck für ihren Trachtenhut machen zu lassen. Gerade in seiner Gegend trägt man ihn noch, den Deckel mit dem Gamsbart, steckt sich die Trophäe noch an den Hut. „Der Kaiser Franz Joseph hat ihn damals populär gemacht“, erzählt der Bertl. Der Jäger trage ihn im Salzkammergut gerade gestellt, die Damen ziere er in schräger Position. Wochentags das kleine Dachs- oder Hirschbartl am Jagahuat, am Sonntag der Hut mit dem großen Geflecht von der Gams. Aber: Zu groß dürfe er nicht sein, um nicht in den Geruch der Protzerei zu kommen. So handhabt’s auch der Bertl selber: Er ist zwar kein Jäger, dafür aber ein „Trachtler“ und trägt immer nur einen dezenten, kleinen Bart am Hut. Und da gibt es auch keine Sentimentalitäten: Die großen Bärte, mit denen er bei einer der Olympiaden aufs Stockerl kam, hat er längst zu Geld gemacht, die Pokale bleiben ohnehin als Erinnerung. Bis zu mehrere Tausend Euro kann so eine Zier aus Gamshaaren, die wertvollste aus Tierhaaren, kosten, der sehr beständige Dachsbart ist für ein paar 100 Euro zu haben. Faustregel: Je länger die Haare sind, umso teurer wird der Bart. „Gamsböcke sollten nach Weihnachten geschossen werden, dann sind die Haare am längsten“, erklärt der Bertl. In seiner Gegend hätten von 100 Gämsen nur fünf die für den Bart geeigneten Haare, die Granhaare, die als schmaler Streifen am Rücken der Tiere wachsen.
Bertls Kundschaft kommt aber nicht nur aus der Gegend. Jäger aus aller Herren Länder, von Kanada bis Australien, haben schon bei ihm bestellt. Und so kamen ihm neben den üblichen Haarspendern wie Gams, Hirsch, Dachs oder Wildschwein auch schon Haare von Antilope, Elch, Karibu und anderen exotischen Tieren zwischen die Finger. „Ich habe schon die wildesten Sachen gemacht, sogar die Schweifhaare vom Flusspferd waren dabei“, erinnert er sich. Und die Schnauzhaare von 300 Hasen für einen einzigen Bart.
Auch altersschwache Mähnen kuriert der Bartkundige und er garantiert, dass seine Gamsbärte zehn Jahre wie neu bleiben. Vorausgesetzt, man setzt sie nicht zu viel Nässe aus und pflegt sie seiner Anleitung entsprechend: Nach dem Tragen nimmt man den Gamsbart vom Hut und hängt ihn kopfüber in einen Raum, wo er keinem Licht ausgesetzt ist, damit er nicht austrocknet. Einen Tag, bevor man ihn wieder tragen will, dreht man ihn um, damit er rechtzeitig zum Ausgehen wieder seine ganze Pracht entfalten kann.
INFO: Bartbinder Bertl Lahnsteiner
Offensee 69, 4802 Ebensee
+43 (0) 6133/86 26
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