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MULTIMEDIALE ZEITREISE IM KLOSTERGEWÖLBE
Innere Stadt | Time Travel
Ungefähr zwölf Meter unter der Straße werden in der Wiener Innenstadt 2000 Jahre Stadtgeschichte mit modernsten Mitteln zum Leben erweckt.
Millionen von Jahren fliegt die Zeitmaschine zurück, bis der gewaltige Tritt eines Dinosauriers uns rasant in das Römerlager Vindobona und dann weiter ins mittelalterliche Wien befördert. Die Schwänze der Tiere streifen unsere Füße. Wir rasen mit ihnen durch den Stephansdom, der gerade erbaut wird, bis zu seinem höchsten Punkt. Der Fahrtwind bläst uns ins Gesicht. Dann Kanonenschüsse, die Sitze zittern von den virtuellen Detonationen. Wir befinden uns im Jahr 1683. Aus der Vogelperspektive sehen wir, wie die Stadt von den Türken belagert wird. Kurz darauf landen wir wieder im Hier und Jetzt. Schade, es hätte ewig so weitergehen können. Keine Frage, das 5D-Kino ist das Highlight der Multimediashow „Time Travel“.Eigentlich gibt es nur eines zu bemängeln: Der Film ist viel zu kurz.
Ungefähr zwölf Meter unter der Straße im ehemaligen Weinkeller des Salvatorianerklosters St. Michaelin der Wiener Innenstadt wird seit dem Sommer 2012 in fünfzig Minuten ein Auszug aus zweitausend Jahren Stadtgeschichte geboten. Dabei geht es hauptsächlich um Animation und Unterhaltung, weniger um historische Präzision. Empfangen werden die Besucher im Gewölbe von sakralem Chorgesang und bekannten österreichischen „Nationalhelden“. Die Figuren auf den Gemälden bewegen sich und können sprechen, wie man es aus Harry Potters Zauberschule kennt. Da mokiert sich Maria Theresia über Sigmund Freuds Raucherei, dort plänkelt Sisi mit Wolfgang Amadeus Mozart.
Zur Audienz am Habsburgerhof
Nach den atemberaubenden Spezialeffekten der Kinovorführung laden die bedeutendsten Kaiser der Habsburgermonarchie zur Audienz. Maximilian I., auch bekannt unter dem Beinamen „der letzte Ritter“, Maria Theresia und Franz Joseph I. samt Ehefrau Sisi treten im nächsten Raum als lebensgroße und animierte Puppen vor ihre Untertanen. In zum Teil nasalem Wienerisch tauschen sich die vier Hochwohlgeborenen über habsburgische Siege, Niederlagen, die Heiratspolitik und deren Folgen aus. Maria Theresia bemerkt, „dass sich die Habsburger alle so ähnlich sehen“. Franz Joseph, der ja bekanntlich mit seiner Kusine verheiratet war, nimmt es gelassen: „Ein bisserl Schwund ist halt immer dabei.“
Die Erlebnisreise führt weiter ins Reich der Musik. Plastikausgaben von Johann Strauß Sohn und Wolfgang Amadeus Mozart diskutieren über die Bedeutung ihrer Musik, danach lädt der Wiener Kongress zum Walzertanzen auf ein Drehkarussell.
In den nächsten Stationen folgen Österreichs dunkelste Jahre: Kaiser Franz Joseph liegt aufgebahrt in einem Sarg, dahinter laufen die Originalbilder seiner Beerdigung im Kriegsjahr 1916. Danach werden die Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs in einem nachgebauten Bunker simuliert. Der Boden vibriert unter den Beinen, Bomben schlagen ein, Sirenen heulen, ein nationalsozialistischer „Volksempfänger“ rauscht im Hintergrund. Während des Krieges war das Salvatorianerkloster ein Zufluchtsort bei Bombenangriffen. Die Kapitulation des Deutschen Reichs, die Nachkriegsjahre und die Unterzeichnung des Staatsvertrags lösen das Unbehagen rasch auf.
Time Travel schließt klassisch wienerisch. Wir fliegen mit einem virtuellen Fiaker über die Dächer der modernen Stadt, schweben über die Hofburg, den Stephansdom, Schloss Schönbrunn und den Prater. Wien präsentiert sich wie die herausgeputzte Diva, die es heute ist: voll imperialer Pracht und Schönheit.
Time Travel macht Lust auf die Highlights von Wien. Und jede Menge Spaß – Erwachsenen und Kindern gleichermaßen. Die schlechte Nachricht für die Kinder: Den Geschichtsunterricht erspart es euch nicht.
Time Travel:Habsburgergasse 10 A, 1010 Wien
Täglich 10 – 20 Uhr, Showstart alle 20 Minuten, Dauer: ca. 50 Minuten.
Eintritt: Erwachsene 18 €, Kinder/Jugendliche 14 €.
www.timetravel-vienna.at
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GRÄFIN KRACH GEBORENE MANDEL
Innere Stadt | K. u. K. Hofzuckerbäcker Demel
Der Autor Friedrich Torberg setzte der K. u. K. Hofzuckerbäckerei Demel in seinem Buch Tante Jolesch ein literarisches Denkmal: „Der Demel ist mehr als eine Institution. Eine Legende.“ Eine, die bis heute zu Gaumenschmeicheleien und Ausflügen in die Geschichte des süßen Wien einlädt.
„Haben schon gewählt?“, fragt die Demelinerin. Sie ignoriert keinesfalls Grammatikregeln, sondern spricht das „Demel-Deutsch“ mit seiner charakteristischen Mischung aus Majestätsplural und Höflichkeitsform. Die förmliche Anrede und die „Demelinerinnen”, das ausschließlich weibliche Bedienpersonal, sind nur zwei der vielen Traditionen, die von den wechselnden Besitzern seit der Gründung des Hauses im Jahr 1786 beibehalten wurden: von August Dehne, der die Zuckerbäckerei 1857 an seinen Gesellen Christoph Demel verkaufte, von Anna Demel, die bis 1956 täglich an der Kassa thronte, und vom Künstler Friedrich Ludwig Berzeviczy-Pallavicini. Eine Zeit lang besaß Udo Proksch die Institution, seit 2002 ist die Hofzuckerbäckerei Teil des Nobelcaterers DO & CO.
Seitdem wacht Dietmar Muthenthaler über die Demel’sche Backtradition und die klassischen Rezepte von Dobos-, Fächer- und Annatorte – und der „Demel’s Sachertorte“. Diese ist neben der „Original Sacher-Torte“ des Hotels Sacher eines der kulinarischen Wahrzeichen der Stadt. Während dieses sein Tortenrezept wie ein Staatsgeheimnis hütet, geht der Demel ganz offen damit um. „Geheim ist unser Sacher-Torten-Rezept gar nicht: Die Torte besteht im Wesentlichen aus einer Sandmasse, die zu gleichen Teilen aus Mehl, Zucker, Schokolade und Eiern besteht“, so Muthenthaler. „Wir verraten bloß nicht, welche Schokolade wir verwenden.“
In Demels Schaubäckerei kann man allmorgendlich zusehen, wie bis zu 300 Eduard-Sacher-Torten glaciert werden, wie die Annatorte mit Pariser Creme gefüllt und mit feinem Nougat umhüllt wird. Von Hand und mit viel Geduld werden täglich vierzig Sorten Teegebäck gebacken. Natürlich wird auch der Teig für die Strudel von Hand gezogen, wie es sich gehört: bis er so dünn ist, dass man durch ihn Zeitung lesen könnte.
Kunstvolle Auslage und süßes Museum
Eine Besonderheit des Demel ist aber auch die Nähe zur Kunst. Das Zuckerbäckerhandwerk ist hier Kunsthandwerk im wahrsten Sinne des Wortes: Bereits unter Anna Demel hatte es eine Zusammenarbeit mit der Wiener Werkstätte gegeben, die die Verpackungen gestaltete. Der Künstler und spätere Besitzer Berzeviczy-Pallavicini führte diese Tradition fort und etablierte die künstlerische Schaufenstergestaltung,für die der Demel heute berühmt ist. Zuckerfiguren wie die „Gräfin Krach geborene Mandel“ oder ein übergroßes Fabergé-Ei werden kreiert, die den Originalen in Sachen Kunstfertigkeit zur Ehre gereichen. Immerhin achtmal pro Jahr werden die Auslagen neu dekoriert, Muthenthaler erarbeitet dafür mit seinem Team neue zuckersüße Figuren.
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