Der heutige Innenausbau stammt größtenteils aus der Nachkriegszeit. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs schlug eine Bombe in die Oper ein. Der Kaiserliche Teesalonist allerdings erhalten geblieben und kann heute für private Feste gemietet werden.
Die Teilnehmer der Führung dürfen auf der 1600 Quadratmeter großen BühneTheaterluft schnuppern, erfahren, wie der Kulissenumbau funktioniert und was es mit der elf Meter tiefen Unterbühne auf sich hat, warum dasselbe Werk kaum an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gezeigt wird, welche Bedeutung dem Eisernen Vorhang zukommt, welche der 60 000 bis heute komponierten Opern aufgeführt werden und warum nicht jeder Operndirektor eine Büste im Pausenraum erhält. Es sind die kleinen Details, die den Hausbesuch spannend machen.
Der Opernball
Der weltweit einzigartige Staatsball hat strenge Kleidervorschriften: Frauen müssen ausnahmslos bodenlange Abendkleider tragen, Männer Frack. Die rund 5000 Ballkarten kosten einigermaßen verträgliche 290 Euro, ein Pausensaaltisch kostet pro Person schon zusätzliche 100 bis 200 Euro und eine Loge gibt es ab 11 500 Euro. Um wiederum sehr günstige 25 Euro kann man sich die Proben der Eröffnungszeremonie ansehen.
Besonders interessierte Opernfreunde können sich den „Freunden der Wiener Staatsoper“ anschließen, die immer wieder Opernstars zu Gesprächen in den Gustav-Mahler-Saal einladen oder gemeinsam zum Heurigen gehen. Jene, die am liebsten feinsten Operngenuss am Sofa erleben, haben die Möglichkeit, via Smart-TV-App Übertragungen aus der Wiener Staatsoper auch zu Hause zu genießen. Zu jeder Aufführung wird zudem ein multimediales Programmheft online gestellt.
Wiener Staatsoper:Opernring 2, 1010 Wien. www.wiener-staatsoper.atStaatsoper Live at Home: www.staatsoperlive.com/de/
Weitere Stehplätze in Wiener Konzert- und Opernhäusern:Volksoper, Theater an der Wien, Musikverein, Volkstheater, Burgtheater, Raimundtheater, Ronacher
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IM DUNKELN DURCH DIE KAISERAPPARTEMENTS
Innere Stadt | Hofburg
Die Taschenlampenführung in der Hofburg bietet spezielle Einblicke in das Leben der Kaiserfamilie und wird besonders gerne von Einheimischen besucht.
Die Dame aus dem 19. Jahrhundert läuft in ihrem langen Kleid die prunkvolle Kaiserstiege hinab. „Die Herrschaften sind nicht zu Hause“, ruft sie den Besuchern hektisch zu. Die Herrschaften, das sind Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Es ist das Jahr 1897, Kronprinz Rudolf ist bereits seit acht Jahren tot, seine Mutter Elisabeth wird ihm im September 1898 folgen und Franz Joseph ist schon ein älterer Herr. Die kaiserliche Familie residiert in den Wintermonaten in ihren Privatgemächern der Hofburg. Die weitläufige Anlage in der Innenstadt ist bis 1918 das politische Zentrum der Monarchie. Heute haben der Bundespräsident und andere hochrangige Politiker und Beamte in dem riesigen asymmetrischen Gebäudekomplex ihren Amtssitz. Und von November bis Februar führt jeden Samstagabend eine „Vertraute“ der Kaiserin durch die Kaiserappartements.Heute ist Fanny Feifalik an der Reihe, Elisabeths Friseurin. Die Feifalik war eine wichtige Person am Hof, hing von ihr doch meist die Laune der Kaiserin ab. Die historische Fanny soll ja ein Mädchen von „munterem Witz“ und eine „pikante Erscheinung“ gewesen sein.
„Gnädige Frau, weiß denn Ihr Mann, dass Sie Hosen tragen?“, fragt Fanny Feifalik mit gespieltem Entsetzen eine Besucherin. „Bei Hof trägt man doch ein langes Schleppkleid und Frack. Zum Kaiser darf jeder kommen, aber er muss sein bestes Gewand anziehen.“ Die Fanny aus dem Jahr 2015 trägt die dunklen Haare hochgesteckt und ein langes Kleid, das vorne mit Bordüren und hinten mit einer großen Masche verziert ist. Sie lehrt den unstandesgemäß angezogenen Fremden noch rasch den Hofknicks und die Verbeugung, man weiß ja nie, wer einem in der nächtlichen Hofburg begegnet. „Nun dürfen Sie Ihre Kerzen einschalten, dann zeige ich Ihnen die Räume der Herrschaften.“ Die Hofburg wurde erst im Jahr 1891 elektrifiziert. Heute Abend bleibt das elektrische Licht ausgeschaltet, die Besucher haben Taschenlampen mitgebracht, die als einzige Lichtquelle dienen werden. Zwei Dutzend Taschenlampen gehen an. Fanny Feifalik öffnet eine Tür und geht vor – zurück in die Vergangenheit.
Unten links: Turnzimmer der Kaiserin,
unten rechts: Fanny Feifalik
Fünfzig Zentimeter Taillenumfang
Wir leuchten in Vitrinen mit ausgestellten Kleidungsstücken der Kaiserin. Ein Morgenmantel aus weißem Leinen mit Spitzenbesatz, ein Bademantel mit Bordüre, ein Tageskleid und ein Hermelinensemble, schwarze Halbschuhe mit goldenen Schnallen. Und ein Taillengürtel. „Da passt ja nicht einmal mein Fuß durch“, flüstert eine (schlanke) Besucherin. Nur unglaubliche fünfzig Zentimeter Umfang hatte die Taille von Elisabeth auch noch nach der Geburt ihrer vier Kinder.
Fanny führt die Gruppe in das Audienzzimmer des Kaisers.Hier hielt Franz Joseph zwei Mal pro Woche allgemeine Audienzen, die jedem Bürger der Monarchie zugänglich waren. Wie Fanny schon erwähnt hat, mussten Audienznehmer in ihrem schönsten Gewand erscheinen.
„Man darf mit dem Kaiser nur zwei bis drei Minuten reden und ihm nie den Rücken zudrehen“, erklärt Fanny und trippelt rückwärts mit einer leichten Verbeugung in Richtung Ausgangstür. Sie richtet sich wieder auf und zeigt auf ein Bild, das den jungen Franz Joseph in einer Galauniform zeigt. „Er war so ein schöner Mann“, schwärmt sie. „Heute ist er ja schon etwas älter. Aber Frau Schratt kümmert sich ja gut um ihn.“ Die Beziehung des Kaisers zu der Schauspielerin Katharina Schratt war tatsächlich schon damals kein Geheimnis, war sie doch von Elisabeth persönlich eingefädelt worden. „Die Kaiserin ist froh, dass sich jemand um ihren Gemahl kümmert. Wir sind ja meistens auf Reisen.“ Wir passieren das Konferenzzimmermit den kriegsverherrlichenden Bildern an der Wand und gelangen in das private Arbeitszimmer des Kaisers.„Um vier sitzt er schon am Schreibtisch“, erzählt die Feifalik. Hier frühstückte der Monarch und gönnte sich im Anschluss meistens eine Zigarre. Am Schreibtisch stehen noch seine Kaminuhr, ein großes rotes Feuerzeug und zahlreiche Familienporträts. Während der Arbeit hatte der Kaiser ein Bild seiner Frau im Blickfeld, auf dem ihre langen Haare vor der Brust verschlungen sind. Es ist eines der drei berühmten Winterhalter-Gemälde. Ein zweites an der Wand gegenüber zeigt die Kaiserin mit offenem Haar in einem Nachtkleid. „Dieses Bild darf eigentlich nur der Kaiser sehen“, sagt Fanny.
Viel Tragisches weiß sie auch vom Hofleben zu berichten. Sie erzählt von Kronprinz Rudolfs harter Erziehung, seinen Affären, der Kokainsucht und den Depressionen der Kaiserin. Im spartanisch eingerichteten Schlafzimmer des Kaisers ist es Zeit für eine kurzweilige Anekdote. Da gab es diesen stets betrunkenen Diener, der Franz Joseph jeden Morgen um halb vier in der Früh in einer transportablen Kautschukbadewanne badete. Weil der Badewaschl keine Lust hatte, um diese unchristliche Zeit aufzustehen, ging er gar nicht ins Bett, sondern schlug sich die Nächte bei einem Heurigen um die Ohren. Eines Morgens musste der Kaiser den Angetrunkenen stützen, damit dieser nicht in das Badewasser kippte. „Der Diener wurde aber nicht entlassen, sondern in die Stallungen versetzt“, weiß Fanny.
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