freiberufliche Tätigkeit
Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG übt eine freiberufliche Tätigkeit jeder aus, der selbständig eine wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, einen sog. Katalogberuf oder einen ähnlichen Beruf ausübt. Die für einen Gewerbebetrieb geltenden positiven Voraussetzungen gelten auch für die selbständige Arbeit (H 15.6 „Allgemeines“ EStH). Zu beachten ist hierbei jedoch, dass auch eine vorübergehende Tätigkeit nach § 18 Abs. 2 EStG zu selbständigen Einkünften führen kann.
Problematisch ist in Prüfung und Praxis oftmals die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit. Prüfungsprobleme dürften jedoch regelmäßig mittels des ABC in H 15.6 EStH gelöst werden können.
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Hilfskräfte
Es ist zwar nicht erforderlich, dass der Berufsträger die gesamte Tätigkeit, die für seinen Beruf bestimmend ist, selbst leistet. Er kann sich hierbei durchaus fachlich vorgebildeter Hilfskräfte bedienen. Es ist jedoch nötig, dass der Berufsträger leitend und eigenverantwortlich tätig ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Lässt sich der Freiberufler während einer vorübergehenden Erkrankung oder Ähnlichem vertreten, ist dies unschädlich (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG).
Beispiel
Z betrieb bis zu seinem Tod am 17. 5. 2018 eine Arztpraxis. Nach dessen Tod führt die Ehefrau des Z, selbst als Arzthelferin in der Praxis tätig, die Praxis mithilfe eines Arztvertreters fort. Am 10. 2. 2019 gibt sie die Praxis auf.
Da der Frau von Z selbst die berufliche Qualifikation zur Führung der Praxis fehlt und die Qualifikation an sich nicht vererbt werden kann, liegen bei Frau Z sowohl in 2018 als auch in 2019 Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor (H 15.6 „Mithilfe . . .“ EStH).
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Personengesellschaft
Freiberufler können ihre Tätigkeit selbstverständlich auch in Form einer Personengesellschaft ausüben. Hierbei ist jedoch notwendig, dass alle Gesellschafter freiberuflich tätig sind. Ist die Gesellschaft teilweise gewerblich tätig, liegen insgesamt gewerbliche Einkünfte vor (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG). Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, in welchem Umfang die gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird (sog. Abfärbeeffekt). Ausgenommen sind hierbei nach Ansicht des BFH3) nur Tätigkeiten von ganz untergeordneter Bedeutung (im Urteilsfall: 1,25 % der Gesamtumsätze).
Beispiel
Ein Rechtsanwalt, ein Wirtschaftsprüfer und ein Steuerbe$rater schließen sich zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammen, um ihren Mandanten eine umfassende steuerliche und rechtliche Beratung anbieten zu können.
Da alle Angehörigen der Gesellschaft einen Katalogberuf i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausüben, erzielt die GbR Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
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Testamentsvollstreckung
Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind auch die Vergütungen für Testamentsvollstreckung, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Aufsichtsrat
Der Begriff des Aufsichtsrats umfasst sämtliche Arten der Überwachung der Geschäftsleitung, wie beispielsweise die Tätigkeit von Aufsichtsräten, Verwaltungsräten, Medien- und Rundfunkräten.4)
Beispiel
Friederike Fritz ist Arbeitnehmerin der Friedrich AG in München. Im Aufsichtsrat dieser AG ist F als Arbeitnehmervertreterin tätig. Am 30. 4. 2019 erhält sie die Aufsichtsratsvergütung für 2018 i. H. von 8.000 €.
Die Aufsichtsratsvergütungen fallen unter die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG). Folglich ist keine Lohnsteuer einzubehalten.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG muss F die Einkünfte in 2019 versteuern (Zuflussprinzip).
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Veräußerungsgewinne
Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit zählt auch der Gewinn, der bei der Veräußerung oder Aufgabe von Vermögen, das der Einkunftserzielung nach § 18 EStG dient, entsteht (§ 18 Abs. 3 EStG). Voraussetzung für einen begünstigten Veräußerungsvorgang ist, dass insbesondere der gesamte Mandanten- bzw. Patientenstamm auf den Erwerber übergeht und der Veräußerer die freiberufliche Tätigkeit nicht mehr ausübt. Geschieht dies jedoch in geringem Umfang, ist dies unschädlich (H 18.3 „Veräußerung – 1. Einzelunternehmen Buchst. a)“ EStH).
Beispiel
A und B betreiben zusammen eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform der GbR. Sie sind zu gleichen Teilen an der Personengesellschaft beteiligt. A möchte sich aus der GbR aus Altersgründen zum Teil zurückziehen und veräußert aus diesem Grund an B die Hälfte seines Gesellschaftsanteils. A hält somit nach diesem Vorgang 25 % und B 75 % der Anteile.
Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 i. V. mit § 16 Abs. 1 Satz 2 EStG liegen im vorliegenden Fall wegen des nur teilweisen Verkaufs des Mitunternehmeranteils laufende Einkünfte vor.
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Betriebseinnahmen
- Betriebsausgaben
= Gewinn
Bei den Gewinneinkunftsarten ermitteln sich die Einkünfte aus der Differenz zwischen den Betriebseinnahmen und den Betriebsausgaben. Eine Definition der Betriebseinnahmen existiert im EStG nicht, wogegen die Betriebsausgaben in § 4 Abs. 4 EStG definiert sind. Hiernach sind Betriebsausgaben Aufwendungen, die betrieblich veranlasst sind. Dagegen sind Aufwendungen für private Zwecke als Kosten der Lebensführung nicht abzugsfähig (§ 12 Nr. 1 EStG).34
Einnahmen
- Werbungskosten
= Überschuss
Bei den Überschusseinkunftsarten werden die Einkünfte als Differenz zwischen den Einnahmen und den Werbungskosten ermittelt. So zählen beispielsweise zum Arbeitslohn alle Einnahmen – in Geld oder Geldeswert (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) – die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 2 Abs. 1 LStDV).
Der allgemeine Werbungskostenbegriff ist § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu entnehmen:
„Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“
Dem Steuerpflichtigen müssen also tatsächliche Aufwendungen erwachsen, es muss folglich eine tatsächliche „Entreicherung“ stattfinden. 5)Ersparte Ausgaben sind damit keine Werbungskosten. Werden Aufwendungen des Steuerpflichtigen durch den Arbeitgeber oder einen anderen Dritten steuerfrei erstattet (z. B. Umzugs- oder Reisekosten), liegen insoweit keine Werbungskosten vor.
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Subsidiarität
Bei der Ermittlung der Einkünfte ist das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. Dieses regelt die Zuordnung von Einkünften zu einer bestimmten Einkunftsart, wenn mehrere Einkunftsarten für die Erfassung in Frage kommen.
Gemäß § 20 Abs. 8 EStG haben beispielsweise die Gewinneinkünfte sowie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Vorrang vor den Einkünften aus Kapitalvermögen. So gehören Kapitalerträge aus betrieblichen Guthaben oder Beteiligungen zu den Gewinneinkünften.
Beispiel
Der Gewerbetreibende G hält in seinem Betriebsvermögen diverse Aktien. Die anfallenden Dividenden werden aufgrund der Regelung des § 20 Abs. 8 EStG im Rahmen der gewerblichen Einkünfte erfasst.
36Ein anderes Beispiel für die Subsidiarität ist Folgendes: Guthabenzinsen aus einem Bausparvertrag, die in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einem der Einkunftserzielungsabsicht dienenden Grundstück stehen, zählen zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (H 21.2 „Einnahmen“ 2. Spiegelstrich EStH). Zinsen, die aus der Anlage einer Instandhaltungsrücklage erzielt werden, gehören jedoch zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (R 21.2 Abs. 2 EStR).
37Für Vermietungseinkünfte findet sich in § 21 Abs. 3 EStG ebenfalls eine Subsidiaritätsklausel.
Beispiel
Der Gewerbetreibende G hält in seinem Betriebsvermögen eine Eigentumswohnung, die er an einen Studenten vermietet. Die anfallenden Mieteinnahmen werden aufgrund der Regelung des § 21 Abs. 3 EStG im Rahmen der gewerblichen Einkünfte erfasst.
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