1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 „H*st du n*cht etw*s W* cht*ges vergessen, N*rr S*lbersp*egel?“, fr*gte T*l se*nen Freund.
„W*s denn?“, wollte N*rr S*lbersp*egel w*ssen.
„W*r können g*r n*cht d*s g*nze *lph*bet sprechen. Es fehlen uns doch zwe* Buchst*ben!“
N*rr S*lbersp*egel erschr*k. „Ne*n!“, rief er, „d*ss *ch so etw*s W* cht*ges vergessen konnte!“
R*tlos sch*uten d*e be*den Freunde s*ch an. Plötzl*ch *ber s*hen s*e be*de e*n Mädchen *uf s*ch zu kommen. D*s Mädchen h*tte g*nz rotes H**r, d*s *hm b*s zu den Füßen re*chte und *hre *ugen h*tten d*e unbest*mmte F*rbe von W*sser. Es trug e*n Sommerkle*d m*t *llen Bl*utönen der Welt d*r*uf. Es w*r g*nz *lle*ne n* ch Verlust*g gesch* ckt worden und h* tte se*ne Mutter zurückl*ssen müssen. Nun we*nte und schluchzte es vor Freude, d*ss es *ndere Menschen tr*f: „I** *i* ***i*a, ***a*** ****i*!“
Und der Z*ubersp*egel übersetzte für N*rr S*lbersp*egel und T*l: Ich bin Regina, genannt Reggie!
N*rr S*lbersp*egel me*nte: „Du b*st s*cher schon *n z*hlre*che Buchst*benlöcher h*ne*ngetreten. W*e he* ßt du gle*ch noch?“
D*s Mädchen schluchzte: „***i*a!“
Der Z*ubersp*egel übersetzte: Regina!
D*s Mädchen schluchzte w*eder: „***i*a!“
Nun musste T*l l*chen. „S*e *st e*n Esel!“, r*ef er.
D*s Mädchen bl*ckte verärgert und se*ne schönen *ugen verdunkelten s*ch. E*ne Träne r*nn über se*ne W*nge und T*l hörte *uf zu*l*chen, we*l *hm d*s Mädchen nun le*d t*t. Und *m nächsten Moment f*el *hm plötzl*ch d*e Lösung e*n: „D*s Mädchen *st unsere Rettung!“, jubelte er. „Es h*t wohl v*ele Buchst*ben verloren – *ber n*cht d*e be*den, d*e uns fehlen!“
N*rr S*lbersp*egel lächelte und h* elt dem Mädchen sofort den Z*ubersp*egel entgegen, der *hm s*gte, w*s nun zu tun w*r. D*s Mädchen verst*nd sofort, dass es glückl*cherwe*se noch gen*u d*e zwe* fehlenden Buchst*ben h* tte, d*e T*l und N*rr S*lberspegel br*uchten – und d*s w*ren d*e L*ute e*nes Esels.
Und nun wollten s*e *lle schnell d*s *lph*bet *uf dem G*pfel des Brotbergs *ufs*gen, bevor der Kön*g von Brot zurückkehrte!
Hat Mama die schwarzen Augen von Til wirklich nicht gesehen? , fragte sich Rafael, während er seine Hausaufgaben machte. Er konnte sich jetzt aber beim besten Willen nicht auf Mathematik konzentrieren.
Es war drei Uhr nachmittags und Rafael saß in seinem Zimmer am Schreibtisch neben dem Etagenbett, während sein Bruder mit einigen Freunden zum Fußballtraining aufgebrochen war. Rafael hatte gelogen, dass er starke Halsschmerzen hätte und deshalb zu Hause bleiben wolle.
Til ist weg , dachte er. Ich muss jetzt mit Mama reden! Sie sitzt im Wohnzimmer und liest die Zeitung, denn heute hat sie den ganzen Nachmittag frei und Til ist den ganzen Nachmittag fort. Jetzt oder nie!
Also ließ Rafael die Hausaufgaben sein, stand auf und ging ins Wohnzimmer – aber seine Mama war gar nicht mehr da!
Wo kann sie nur sein? , fragte sich Rafael und erinnerte sich nun wieder daran, wie sie mit Til und seinen schwarzen Augen am Mittagstisch gesprochen hatte, als wäre gar nichts passiert. Und der Ring an ihrem Finger! Rafael wusste jetzt gar nicht mehr, woher seine Mama ihn hatte – der Ring war ganz schwarz gewesen! Rafael wusste zwar, dass es der Ring seines Papas war, den sie vor vielen Jahren einmal am Bach verloren hatten, aber er konnte sich nicht mehr an die Begegnung mit dem Jungen im Wald erinnern, nur noch an das seltsame Aufwachen heute am Bach – alles, was vorher geschehen war, war aus seinen Gedanken gelöscht!
Na gut, dann fahre ich eben zu Til, wenn ich schon nicht weiß, wo Mama ist , dachte Rafael, denn er machte sich nun wirklich Sorgen und wollte nicht mehr alleine zuhause untätig herumsitzen.
Sogleich verließ er das kleine Haus am Ende der Straße und raste auf seinem Fahrrad davon. Ihm war zum Weinen zumute, weil er Angst um seine Mama hatte, obwohl ihm das eigentlich auch ziemlich blöd vorkam, denn alles erschien so unwirklich – wie konnte es möglich sein, dass sein Bruder gar nicht sein Bruder war? Er war froh, dass ihn in diesem Moment keiner seiner Mitschüler sehen konnte. Er hatte schon oft in der Schule geweint, wenn ihn andere Jungen gehänselt hatten, weil er der kleinste und pummeligste von allen war. Im Moment hätte er sicher kein Wort herausgebracht, weil ein dicker Kloß in seinem Hals steckte, den er immer wieder hinunterschluckte. An einer roten Ampel in der Stadtmitte an einer Straßenkreuzung musste er stehen bleiben.
„Kleiner Rafael!“, hörte er plötzlich eine tiefe Jungenstimme neben sich. Er blickte zur Seite und erkannte Kenzo.
Oh nein! Gerade jetzt! , dachte er. Er war um einen ganzen Kopf kleiner als Kenzo und Kenzo war ein Angeber und Wichtigtuer, der aus Wut über verlorene Fußballspiele bereits etlichen Jungen Prügel angedroht hatte. Ob Kenzo diese Drohungen auch wahrgemacht hatte, wusste Rafael nicht so genau, aber das wollte er eigentlich auch gar nicht wissen. Er wollte nur schnell weiter, um Til zu finden.
Sie standen nebeneinander an der Ampel, die inzwischen grün geworden war und Kenzo fragte nun verärgert: „Warum sagst du nichts, verdammt?“
Rafael steckte immer noch dieser Kloß im Hals, da half es auch nichts, dass er mehrmals schluckte. Weil ich dich hasse! , dachte er. Warum muss ich dich gerade jetzt treffen?
Kenzo stellte sich aber gar nicht bedrohlich vor Rafael hin, wie er es früher schon oft getan hatte. Das lag natürlich auch daran, dass er ebenfalls mit dem Fahrrad unterwegs war und viele Menschen in der Stadt an ihnen vorbeiliefen, doch Kenzos Gesicht war nicht einmal spöttisch, wütend oder drohend wie sonst. Nun sagte er sogar plötzlich vertrauensvoll: „Ich muss mit dir reden, Rafael. Es geht um Til!“
Was will er von Til? , fragte sich Rafael. An die Prügelei mit Kenzo am Bach, als Kenzo ihn für Til gehalten hatte, konnte er sich nicht mehr erinnern. Kenzo hatte Rafael eigentlich nie wirklich etwas getan, nicht einmal gehänselt hatte er ihn, wie es die anderen Jungen aus Rafaels Klasse oft taten. Aber auf Til war er meist wütend, weil er mit ihm im Sturm der Fußballmannschaft spielte und beide sich gar nicht vertrugen. Sie spielten sich fast nie den Ball zu, überließen ihn noch lieber dem Gegner und schossen auch fast immer im Alleingang ihre Tore – und Til schoss eben viel mehr Tore als Kenzo. Vielleicht sucht Kenzo Til , befürchtete Rafael, um ihn zu verprügeln. Aber warum ist er eigentlich nicht beim Fußballtraining?
Kenzo sagte jetzt entschlossen: „Komm mit, ich muss dir etwas erzählen! Ich will endlich, dass mir jemand glaubt, verdammt! Und wenn du mir nicht glaubst, dann gibt es was auf die Fresse – schließlich bist du sein verdammter Bruder!“
Rafael sagte gar nichts, er nickte nur. Obwohl er eigentlich vorgehabt hatte, seinen Bruder zu finden, war er nun neugierig geworden und folgte Kenzo auf seinem Fahrrad durch die Stadt.
Sie bogen in eine Promenade am Bach ein, der hier mitten in der Stadt zu einem kleinen Fluss geworden war, fuhren ein Stück den Weg entlang und setzten sich dann, als Kenzo unter einer hohen Kiefer anhielt, auf eine Sitzbank.
Kenzo erzählte Rafael von der Prügelei mit Til am Bach, die Rafael inzwischen wieder vergessen hatte: „Und plötzlich standen zwei Tils vor mir – zwei Tils, stell dir das vor!“, rief Kenzo. „Meine Mutter hat mir das natürlich nicht geglaubt! Hat Til einen Zwillingsbruder? Habt ihr denn noch einen Bruder?“
„Nein“, sagte Rafael und in diesem Moment konnte er sich plötzlich auch wieder an die Prügelei mit Kenzo erinnern und daran, dass er selbst damals Til gewesen war, als der richtige Til – oder derjenige, den jetzt alle für Til hielten – aufgetaucht war und die Rauferei zwischen Kenzo und ihm selbst beendet hatte. Allerdings konnte er sich nicht an die Begegnung mit dem Jungen aus dem Wald erinnern – das war in seinem Gedächtnis immer noch wie ausgelöscht.
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