„Gut!“ Siegfried legte den Pass unter das Lesegerät und wartete auf das Ergebnis. Der Pass wurde auf seine Echtheit untersucht, die Identität des Mannes nachgeprüft, schließlich wollte niemand hier einen abgetauchten Verbrecher oder Terroristen haben.
Aber auch diesmal leuchtete es grün, der Mann war in Ordnung, er konnte den Bewerberstatus und seine Tätowierung bekommen.
„Alles in Ordnung, Herr Antropow! Sie können durchgehen und sich an der Theke etwas zu essen und trinken holen. Wenn Ihre Gruppe vollständig ist, kommen Sie alle ins zentrale Aufnahmelager und dann zu den einzelnen Stämmen. Haben Sie schon einen bestimmten Stamm ins Auge gefasst?“
„Ja, isch möschte zu Sakzen, isch auf Meer fahren. Isch Seemann!“
„Na, dann viel Glück und herzlich willkommen in Neu Germanien!“, wünschte Siegfried und winkte dem nächsten, einer Frau, näherzutreten.
Zögernd trat sie an die Schleuse heran, ihre Tochter fest an sich gedrückt.
„Gehen Sie rein, es tut nicht weh!“, ermunterte Siegfried die Frau. Sie legte ihre Tasche auf das Band und trat gemeinsam mit dem Kind in die Schleuse, der Scanvorgang begann. Die Tasche kam auf der anderen Seite des Gepäckscanners wieder heraus, das Gerät gab grünes Licht. Von der Schleuse wurde ebenfalls grünes Licht gegeben, Siegfried winkte die beiden zu sich.
„Geben Sie mir bitte Ihre Dokumente!“
Die Frau kramte in ihrer Manteltasche, zog einen Pass und einen Kinderausweis hervor und reichte beides an Siegfried weiter.
„Özdemir, Ayscha, 28 Jahre, geboren in Stambul, Großosmanisches Kaiserreich, am 13. August 2258 alter Zeitrechnung. Und Özdemir, Rubina, 6 Jahre, geboren 6. März 2282.“ Siegfried legte die Ausweise in den Scanner und wandte sich wieder der Frau zu.
„Sie kommen nur mit Ihrer Tochter?“
„Ja, main Mann tott! Kommen von Sieden, bei Grenze Islamischer Kalifat. Da Krieg!“
„Oh, das tut mir leid!“, sagte Siegfried ehrlich betroffen. Mal wieder das Islamische Kalifat! Kamen denn die Grenzregionen nie zur Ruhe?!
Das Gerät gab einen Signalton von sich: alle Papiere in Ordnung!
Siegfried reichte die Dokumente an die Frau zurück.
„Alles in Ordnung, Frau Özdemir! Sie können hinten mit ihrer Tochter essen und trinken. Herzlich willkommen in Germanien!“
Die Frau nahm ihre Tochter an die Hand und ging zum Servicetresen, und Siegfried winkte dem nächsten Bewerber.
Bis zur Herbstsonnenwende nächstes Jahr würde er noch hier Dienst tun. Dann waren seine zwei Jahre Grenzdienst vorbei und er konnte endlich zur Luftwaffe gehen. Die Tests hatte er mit Bravour bestanden und er freute sich auf seinen Dienst als Pilot auf einer der neuen Maschinen „Mjölnir 7“!
Der nächste Bewerber stand vor der Schleuse, Siegfried bedeutete dem Mann, seine Tasche auf das Band zu legen und die Schleuse zu betreten.
* * *
Swanhild Rabenfeder nahm sich ein Bündel getrockneter Kräuter und rubbelte die Blätter von den Stielen. Der Geruch von Pfefferminze breitete sich im ganzen Zimmer aus und Swanhild atmete ihn tief ein. Welche Schätze uns die Natur doch schenkt! Gegen jedes Leiden war ein Kraut gewachsen! Pfefferminze – antibakteriell, entzündungshemmend, keimtötend und schmerzstillend.
Das Glas füllte sich langsam, Swanhild nahm ein letztes Bündel Minze vom Haken und füllte es auf bis an den Rand. Zufrieden verschloss sie das Gefäß und stellte es in das große Regal zu den anderen Gläsern.
Ihr Vorrat an Kräutern würde sicher bis zum nächsten Frühjahr reichen, und ab Ostara konnte sie ja wieder mit der Kräutersuche beginnen!
Swanhild wollte heute einen Hausbesuch bei einer der Mägde auf dem Nachbarhof machen, die unter starken Regelbeschwerden litt. Sie suchte mit den Augen die Reihe der Kräutervorräte ab und griff dann zielstrebig nach einem braunen und einem grünem Glas – Taubnessel, Frauenmantel … und da! Noch etwas Wermut. Sie entnahm jeweils eine kleine Dosis und füllte diese in einen Beutel. Sie würde der Magd einen frischen Sud kochen, dann würden die Schmerzen bald nachlassen. Schließlich griff sie sich noch ein kleines Töpfchen mit Ringelblumensalbe, zur Wundheilung für einen der Knechte desselben Hofes. Er hatte sich die Hände verletzt, die Salbe würde die Heilung fördern. Swanhild band den Beutel an ihren Gürtel, verstaute die Salbendose in einer ihrer Taschen und nahm sich den regenfesten Umhang vom Haken. Draußen nieselte es immer noch, sie tat gut daran, sich warm einzupacken. Sie durfte auf keinen Fall krank werden, die Menschen brauchten ihre Hilfe, schließlich war sie die einzige heilkundige Kräuterfrau im Umkreis von fast dreißig Kilometern. Und die Menschen vertrauten ihr mehr als den Ärzten.
Zugegeben, alles konnte sie nicht heilen. Manche Krankheiten machten eben doch einen Arzt nötig. Aber das, was sie tun konnte, tat sie mit Freude!
Swanhild schlang den Umhang um ihre Schultern, trat hinaus ins Freie, blieb unter dem Vordach stehen und schaute zum Firmament. Der Regen würde wohl noch eine ganze Weile anhalten, der Himmel zeigte sich in einem einheitlichen Grau. Sie raffte ihr langes blondes Haar zusammen und zog sich die Kapuze über den Kopf. Entschlossen trat sie hinaus in den Nieselregen.
Egal welches Wetter ist, meine Hilfe wird benötigt!, dachte sie, und beherzt setzte sie den Fuß auf den aufgeweichten Weg, dann schritt sie zügig aus.
URUZ – Auerochse (Heil-Rune)
Der Allvater erschuf die Welt aus dem Körper des Riesen Ymir.
Odins Volk ist angehalten, diese Gabe zu hegen und zu pflegen.
Der Schutz unserer Fauna und Flora hat oberste Priorität und
gegen Umweltsünder wird mit äußerster Härte vorgegangen!
(CHARTA GERMANIA)
Sarulf lief der Schweiß in Strömen den Körper herab. Sein Hoodie war klatsch nass und auch seine Hose zeigte deutlich die Spuren seiner Anstrengung. Seit Stunden übte er den Umgang mit dem Sax am Trainingsroboter.
Selbstredend war die Waffe, die er benutzte, nur eine Übungsklinge. Das wahre Sax würde Sarulf erst nach Beendigung seiner Ausbildung erhalten. Es bestand aus hochverdichtetem Stahl, der Griff aus geweihtem Eichenholz, und die Klinge umschloss ein zerstörerisches Kraftfeld.
Zwei Wochen sind seit meinem Besuch zu Hause vergangen und schon vermisse ich Alida. Er schien wohl mehr für sie zu empfinden, als er sich eingestehen wollte.
Surrend drehte sich das metallene Ungetüm und versuchte, Sarulf mit seinen Auslegern zu treffen. Doch Sarulf war schneller und parierte den Angriff mit ein paar wohl gezielten Schlägen.
Ob Alida auch mehr für mich übrig hat als nur Respekt gegenüber ihrem Dienstherrn?
Angriff und Schlag! Der Roboter fuhr seinen Arm zurück, er verharrte.
Sie blickt mich doch immer so an!
Einer der Arme der Kampfmaschine zuckte auf Sarulf zu, er duckte sich und schlug zu! Wieder fuhr der Roboter den Arm ein und verhielt in der Grundstellung.
Der Gedanke an Alida erfreute ihn! Ja, da ist ganz bestimmt etwas zwischen uns, bald ist Jul und ich kann wieder nach Hause fahren!
Erneut zuckten mehrere Arme auf Sarulf zu, mit ein paar klugen Hieben konterte er auch diesen Angriff.
Eine blecherne Stimme ertönte.
„Übungssequenz beendet! Trainingsziel von einhundert Prozent erreicht!“
Die Übungsmaschine zog ihre Arme ein und schaltete sich ab.
Sarulf wischte sich über die Stirn, er hängte das Sax auf den Waffenständer zu den anderen Klingen. Dann ging zur Bank, griff sich ein Handtuch, wischte sich das Gesicht ab. Er schnappte sich seine Tasche und begab sich in den Duschraum.
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